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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999) ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für Lieferungen der in der Anlage zum UStG 1999 bezeichneten Gegenstände. Nr. 49 Buchst. a der Anlage nennt "Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke, auch in losen Bogen und Blättern" aus Positionen 49.01, 97.05 und 97.06 des Zolltarifs (jetzt Kombinierte Nomenklatur). |
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2. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes setzt eine Lieferung voraus. Die Klägerin hat die in den Gruppenseminaren ausgehändigten Broschüren nicht geliefert. Die Würdigung des FG, dass die Aushändigung der Broschüren unselbständige Nebenleistung der Seminarleistung der Klägerin und damit auf die gesamten im Zusammenhang mit den Gruppenseminaren erbrachten Leistungen der Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG 1999) anzuwenden ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. |
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a) Gemäß § 3 Abs. 1 UStG 1999 sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter einen Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG 1999 Leistungen, die keine Lieferungen sind. |
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Dies entspricht Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes ist (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). |
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b) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), der sich der BFH angeschlossen hat, gelten für die Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze (vgl. EuGH-Urteile vom 25. Februar 1999 C-349/96, Card Protection Plan, Slg. 1999, I-973, Umsatzsteuer-Rundschau 1999, 254 Randnrn. 29, 30; vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Randnrn. 19 bis 22; vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2007, 1160, BFH/NV Beilage 2007, 398 Randnrn. 17, 18; BFH-Urteil vom 13. Juli 2006 V R 24/02, BFHE 213, 430, BStBl II 2006, 935, unter II.2.c aa): |
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Jeder Umsatz ist in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. |
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Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. |
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Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (z.B. EuGH-Urteil Levob in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Randnr. 22). |
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c) Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 2002 V R 41/01, BFH/NV 2002, 1622, unter II.b). |
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d) Die nach dieser Rechtsprechung erforderliche Gesamtbetrachtung, ob aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers eine einheitliche Leistung vorliegt (vgl. EuGH-Urteil Levob in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Randnr. 19, m.w.N.), ist –entgegen der Ansicht der Klägerin– im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet (z.B. BFH-Urteile vom 6. September 2007 V R 14/06, BFH/NV 2008, 624, unter II.2. und 3.; vom 6. Dezember 2007 V R 66/05, BFH/NV 2008, 716, unter II.3.; vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BFH/NV 2008, 909, unter II.2.b). |
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3. Ausgehend hiervon ist die Würdigung des FG, dass die Broschüren lediglich ergänzende und vertiefende Funktion hatten und daher deren Aushändigung Nebenleistungen zur Durchführung der Seminare waren, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. |
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a) Das FG ist von den dargelegten Abgrenzungsgrundsätzen des EuGH und des BFH (s. unter II. 2.b und c) ausgegangen und ist zu dem Ergebnis gelangt, es liege eine einheitliche Leistung vor, weil die Aushändigung der Broschüren umsatzsteuerrechtlich kein eigenständiges Gewicht habe, sondern aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers vielmehr –als umsatzsteuerrechtliche Nebenleistung– Bestandteil der Seminarleistung sei. |
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Das FG hat hierzu u.a. ausgeführt, der Kunde, der sich für die Gruppenseminare entscheide, wolle sich gerade nicht auf das Selbststudium mit Hilfe der Broschüren beschränken. Für ihn ständen die Kommunikation mit der Seminarleiterin bzw. den anderen Teilnehmern und die "mentale Unterstützung" durch die Gruppe im Vordergrund. Des Weiteren seien die entscheidenden Informationen für ein erfolgreiches Abnehmen nach den Einlassungen des Geschäftsführers der Klägerin nicht nur in den Broschüren, sondern auch im Rahmen der Treffen vermittelt worden und nähmen Kunden häufig erfolgreich ab, ohne jemals einen Blick in die Broschüren geworfen zu haben. |
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Selbst bei einem Verzicht auf die Entgegennahme einer Broschüre verringere sich nicht das für den Kunden zu zahlende Entgelt; dies geschehe nach der Darstellung der Klägerin zwar nur aus verwaltungstechnischen Gründen. Dies wisse der Kunde aber nicht. |
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Die Inhalte der Broschüren und der einzelnen Seminarsitzungen seien zwar nicht exakt aufeinander abgestimmt gewesen, beruhten aber auf einem einheitlichen Konzept. Der Geschäftsführer der Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Ernährungsgrundsätze, auf denen das Ernährungsprogramm beruhe, auch im Rahmen der Seminare vermittelt worden seien. So erläutere die Seminarleiterin z.B. die Wirkungsweise verschiedener Lebensmittel. Hierzu gehöre z.B. die Erkenntnis, dass Gemüse in unbegrenzter Menge gegessen werden könne. |
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Die Broschüren beständen in der Regel aus zwei Teilen. Der erste enthalte Rezeptvorschläge und biete letztlich Anregungen, wie man die Erkenntnisse über die Wirkungsweisen von Lebensmitteln –die u.a. durch die Seminare erworben würden– bei der Zubereitung konkreter Mahlzeiten umsetzen könne. Insofern hätten die Broschüren die Seminare ergänzt. Im zweiten Teil der Broschüren seien generelle Themen dargestellt worden, die der Gewichtsverringerung dienten, wie z.B. die richtige Ernährung, mentales Training und die Erläuterung der Wirkungsweise von Vitaminen. Diese Aspekte seien teilweise auch in den Seminaren besprochen worden und hätten insoweit vertiefenden Charakter. Soweit die Broschüren jedoch nicht in den Seminaren behandelte Themen enthielten, passten diese Aspekte in das Konzept der Klägerin und hingen damit zusammen. Insofern hätten die Broschüren ergänzende Funktion. |
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Zudem könne diesem Ergebnis nicht entgegengehalten werden, dass die Broschüren –anstelle der Seminare– als Fernkurs selbstständig bezogen werden könnten. Denn dies führe nicht "automatisch" dazu, dass die Aushändigung der Broschüren im Rahmen der Gruppenseminare ebenfalls umsatzsteuerrechtlich den Charakter einer selbstständigen Leistung habe. Dies zeige ein Vergleich mit Leistungen aus dem Betrieb einer Sauna: Diese würden als einzelne Leistungen selbstständig erbracht. Habe demgegenüber ein Fitness-Studio-Betreiber mit seinen Kunden neben der Nutzung der Sauna noch die Nutzung weiterer Einrichtungen vereinbart, liege in der Regel eine Leistung eigener Art vor. Ähnlich sei es im Streitfall. |
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b) Diese tatsächliche Würdigung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, ist sie daher für den BFH als Revisionsgericht bindend (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), selbst wenn die vorgenommene Wertung nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist (BFH-Urteile vom 6. März 2007 IX R 38/05, BFH/NV 2007, 1281, unter II.2.c; vom 4. Dezember 2001 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635, unter II.2., m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz 41; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Rz 64, 87; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz 142, m.w.N.). So ist es hier. |
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aa) Die Würdigung des FG ist –entgegen der Ansicht der Klägerin– nicht widersprüchlich. Denn das FG stützte sich ausschließlich darauf, dass die Aushändigung der Broschüren Nebenleistung zur Seminarleistung sei. Eine Leistung eigener Art –wie die Klägerin meint– nahm das FG hingegen nicht an. Lediglich im Rahmen des Vergleichs mit Leistungen aus dem Betrieb einer Sauna in einem Fitness-Studio hat das FG ausgeführt, dass diese Leistungen in der Regel in Leistungen eigener Art aufgingen. Den Streitfall betrachtete das FG aber lediglich als "ähnlich". |
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bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist das FG –wie dargelegt– auf die "Verzahnung zwischen Seminaren und Broschüren" eingegangen. Mit ihrer Auffassung, diese Verzahnung sei im Streitfall für die Annahme einer Nebenleistung nicht hinreichend eng, ersetzt die Klägerin die Würdigung des FG durch eine eigene. Revisionsrechtlich ist aber nur von Bedeutung, ob die Würdigung des FG möglich war. |
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cc) Dass dies der Fall war, bestätigen im Übrigen auch die Umsatzsteuererklärungen der Klägerin in den Vorjahren. Darin hatte sie nämlich selbst auf die im Zusammenhang mit den Gruppenseminaren ausgeführten Umsätze einheitlich den Regelsteuersatz angewandt und die Lieferungen der Broschüren im Rahmen der Seminare hiervon nicht getrennt. |
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dd) Der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) liegt nicht vor. |
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Die Klägerin meint, das FG hätte durch eine empirische Untersuchung Beweis über die Beurteilung ihrer Leistungen durch den Durchschnittsverbraucher erheben müssen. Abgesehen davon, dass die Klägerin dies in der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht gerügt und damit auf die Rüge verzichtet hat (vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 28. August 2006 V B 60/05, BFH/NV 2006, 2311), ist eine Beweiserhebung über die Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers nicht erforderlich. Denn wie die Klägerin selbst ausführt, handelt es sich dabei lediglich um eine "gedankliche Perspektive". |
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Das FG musste ferner entgegen der Ansicht der Klägerin keine Feststellungen zu den im BFH-Urteil in BFHE 146, 181, BStBl II 1986, 499 genannten Kriterien treffen. Denn abgesehen davon, dass diese Entscheidung von der früher verwendeten Definition der Nebenleistung (vgl. unter II.2. der Gründe) ausgeht, betraf das Urteil in BFHE 146, 181, BStBl II 1986, 499 einen anderen Sachverhalt, nämlich die Überlassung von Lehr- und Lernmaterial gegen gesondert vereinbartes Entgelt. |
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ee) Ferner liegt kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 FGO) darin, dass das FG den von der Klägerin in Schriftsätzen vorgebrachten Vortrag in den Entscheidungsgründen nicht in vollem Umfang aufgriff. Die Klägerin ist der Auffassung, dass das FG entgegen seiner Pflicht aus § 96 FGO ihre Schriftsätze vom 8. September 2004 und vom 12. Oktober 2004 insoweit nicht berücksichtigt habe, als sie (die Klägerin) dort vorgetragen habe, dass die Seminarleiterin sich anhand "separater" Unterlagen auf die Gruppenseminare vorbereite und es auch Teilnehmer gebe, die nur einmal ein Seminar besuchten. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gebietet es nicht, dass sich das Gericht in der Begründung seiner Entscheidung mit jedem Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich befassen muss (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2000 I B 103/00, BFH/NV 2001, 631). |
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