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II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen dem Urteil ergibt sich eine leichtfertige Steuerverkürzung nicht bereits allein daraus, dass der Unternehmer die Steuerfreiheit nach § 6a UStG in Anspruch nimmt, ohne über einen vollständigen Beleg- und Buchnachweis zu verfügen. |
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1. Ein aufgrund einer Außenprüfung ergangener Steuerbescheid kann nur geändert werden, wenn zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. |
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a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Steuerbescheide, die auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, können gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 AO nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. |
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b) Ob eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S. von § 173 Abs. 2 AO vorliegt, bestimmt sich nach § 378 AO (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 7. Februar 2008 VI R 83/04, BFHE 220, 220, BStBl II 2009, 703, unter II.2.). Danach handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. |
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aa) Täter i.S. von §§ 370, 378 AO ist, wer gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. |
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bb) Leichtfertigkeit i.S. von § 378 AO erfordert einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der im Wesentlichen der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, dabei aber die persönlichen Fähigkeiten des Täters berücksichtigt (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1989 VIII R 60/88, BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518, und vom 16. Februar 2011 X R 10/10, BFH/NV 2011, 977, unter II.4.d dd). Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (BFH-Urteile vom 24. April 1996 II R 73/93, BFH/NV 1996, 731, und vom 17. November 2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309, unter II.4.b aa). |
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2. Im Streitfall erging der Bescheid, den das FA mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. November 2008 geändert hat, aufgrund einer Außenprüfung. Eine Änderungsbefugnis bestand daher für das FA nur nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO. |
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a) Ob Leichtfertigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage, kann aber in der Revisionsinstanz insbesondere daraufhin überprüft werden, ob das FG den Rechtsbegriff der Leichtfertigkeit richtig erkannt hat (BFH-Urteil vom 30. Juni 2010 II R 14/09, BFH/NV 2010, 2002, unter II.2.b bb). Hieran fehlt es im Streitfall. |
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b) Das FG hat für ein leichtfertiges Handeln der Klägerin angeführt, dass sie und ihre Mitarbeiter die CMR-Frachtbriefe ausgefüllt hatten, obwohl Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse fehlten. Derartige Belege seien zur Nachweisführung nicht geeignet. Zudem hätten sich Zweifel an der Identität des Abnehmers ergeben. |
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Damit hat das FG nicht hinreichend berücksichtigt, dass der BFH seine frühere Rechtsprechung, nach der Unternehmer die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen ausschließlich beleg- und buchmäßig nachweisen konnten (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.), aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, Leitsatz 4): Der Unternehmer ist berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit auch objektiv nachzuweisen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). |
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Aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Senats handelt der Unternehmer nur leichtfertig, wenn es sich ihm zumindest "aufdrängen muss" (s. oben II.1.b bb), dass er die Voraussetzungen des § 6a UStG weder beleg- und buchmäßig noch objektiv nachweisen kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.). Das bloße Abstellen auf die Beleglage reicht nach der geänderten Rechtsprechung nicht aus. |
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3. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang ist zu prüfen, ob die Klägerin davon ausgehen konnte, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit zumindest objektiv nachweisen zu können. |
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Dabei wird zu ermitteln sein, ob die Klägerin im Hinblick auf das unstreitige Gelangen der Fahrzeuge nach Italien und der ihr darüber hinaus vom Bundeszentralamt qualifiziert bestätigten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers den Tatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung als erfüllt ansehen konnte. Bei dieser Sachlage rechtfertigten bloße "Zweifel" an den "Lieferwegen" und das vom FG als möglich angesehene Vorliegen eines Reihengeschäfts ggf. zwar die Versagung der Steuerfreiheit nach § 6a UStG, nicht aber auch die Annahme eines leichtfertigen Handelns i.S. von § 378 AO. Im Übrigen begründet auch die Kontaktaufnahme zur italienischen Abnehmerfirma über dessen inländischen Vertreter für sich allein nicht den Vorwurf leichtfertigen Handelns. |
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4. Über die geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht zu entscheiden. |
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