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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die Revision des FA ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur Klageabweisung in diesem Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Wie das FG zu Recht entschieden hat, liegt eine steuerfreie Veräußerung vor, die im Streitjahr 1996 zu einer Berichtigung nach § 15a UStG führte. Entgegen dem FG-Urteil war das FA nach § 174 Abs. 4 AO nicht nur hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5, sondern vollumfänglich korrekturbefugt. |
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1. Im Streitfall richtet sich die Vorsteuerberichtigung nicht nach § 15a UStG 1993, sondern nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003. |
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a) Die Vorsteuerberichtigung bestimmt sich im Streitfall materiell-rechtlich nach § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003, der folgenden Wortlaut hat: "Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen." |
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b) Nach § 27 Abs. 8 UStG 1999 ist "§ 15a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3794) … auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezuges auf Grund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt". Die durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 angeordnete Rückwirkung ist verfassungsgemäß. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Urteile vom 7. Juli 2005 V R 32/04 (BFHE 211, 74, BStBl II 2005, 907, unter II.2.b) und vom 24. September 2009 V R 6/08 (BFHE 227, 506, BStBl II 2010, 315, unter II.2.b). |
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2. Die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 und Abs. 6a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 liegen vor. |
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a) Die Übertragung der nach Aufteilung des einheitlichen Wirtschaftsguts entstandenen beiden selbständigen Teileigentumsrechte von der Klägerin auf die A führte zu einer Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse. |
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aa) Die Übertragung, die nach den Feststellungen des FG im Streitjahr 1996 erfolgte, war mangels Verzichts (§ 9 UStG) nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes i.V.m. § 1 Abs. 6 des Wohnungseigentumsgesetzes steuerfrei. Demgegenüber hatte die Klägerin bei Bezug der für den Umbau verwendeten Leistungen beabsichtigt, das Gebäude unter Verzicht (§ 9 UStG) auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG steuerpflichtig zu vermieten. Die für den Umbau bezogenen Leistungen sind nachträgliche Herstellungskosten, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist. |
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bb) Die Änderung der Verhältnisse ist auch im Streitjahr 1996 zu erfassen. § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 stellt nur auf eine Änderung der Verhältnisse im Vergleich zur Verwendungsabsicht bei Leistungsbezug und damit Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ab. Anders als nach § 15a UStG spielt es keine Rolle, ob es vor der Änderung der Verhältnisse bereits zu einer tatsächlichen Verwendung gekommen ist. |
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b) Die Berichtigung konnte nicht aufgrund einer Geschäftsveräußerung i.S. von § 1 Abs. 1a UStG 1999 nach § 15a Abs. 6a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 unterbleiben. |
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Wie das FG zu Recht entschieden hat und zwischen den Beteiligten im Revisionsverfahren nunmehr auch unstreitig ist, liegt im Streitfall keine Geschäftsveräußerung vor, da die Klägerin beabsichtigte, die übertragenen Grundstücksteile zu vermieten, während die A diese für Zwecke einer Eigennutzung (als Bank) erwarb. Dementsprechend steht fest, dass die durch die Klägerin beabsichtigte Vermietungstätigkeit nicht durch die A fortgesetzt werden sollte. |
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3. Wie das FG weiter zu Recht entschieden hat, war das FA berechtigt, im Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom 25. November 2005 sowohl die Änderung der Verhältnisse hinsichtlich des Teileigentums Nr. 5 als auch –entgegen dem FG-Urteil– hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 zu erfassen. |
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a) Ergeht aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO. |
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b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO vor. |
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aa) Irrig ist die Beurteilung eines Sachverhalts nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn sich die Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nachträglich als unrichtig erweist. "Bestimmter" Sachverhalt i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO ist dabei der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Der bestimmte Sachverhalt ist nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Unerheblich ist, ob der für die rechtsirrige Beurteilung maßgebliche Fehler im Tatsächlichen oder im Rechtlichen liegt (BFH-Urteile vom 14. März 2006 I R 8/05, BFHE 212, 517, BStBl II 2007, 602, unter II.1.; vom 14. Januar 2010 IV R 33/07, BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, m.w.N. zur BFH-Rechtsprechung). Im Hinblick auf diese Rechtsprechung beruft sich die Klägerin ohne Erfolg auf die insbesondere nach wie vor von Groll (in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 174 AO Rz 237) vertretene Differenzierung zwischen Tatsachen- und Rechtsfehlern. |
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bb) Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 Satz 1 AO und damit der nach der BFH-Rechtsprechung maßgebliche "Lebensvorgang", an den § 15a Abs. 1 UStG steuerliche Folgen knüpft, ist im Streitfall die mangels Geschäftsveräußerung (s. oben II.2.b) steuerbare und gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Veräußerung in 1996, die aufgrund der vorherigen Absicht zur steuerpflichtigen Vermietung zu einer Änderung der Verhältnisse führte. |
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cc) Das FA ging hinsichtlich dieses Sachverhalts nach den für den Senat bindenden und nicht mit begründeten Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) irrig davon aus, dass er erst 1997 zu der von § 15a UStG vorausgesetzten Änderung der Verhältnisse geführt habe, weil die Klägerin ihre Behauptung des Eingangs des Kaufpreises noch im Jahr 1996 trotz Aufforderung nicht belegt hatte. Demgegenüber lagen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nach § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 bereits im Streitjahr 1996 vor (s. oben II.2.a bb). |
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dd) Der aufgrund der irrigen Beurteilung ergangene Umsatzsteuerbescheid 1997 wurde auch aufgrund eines Rechtsbehelfs der Klägerin aufgehoben. Gegenstand dieses Rechtsbehelfs war der Sachverhalt, der zur Vorsteuerberichtigung aufgrund der Veräußerungen der Teileigentumsrechte Nr. 4 und Nr. 5 führte. |
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c) Weiter ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO unerheblich, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids 1996 vom 25. November 2005 bereits die Festsetzungsfrist für das Streitjahr 1996 abgelaufen war. |
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aa) Im Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids 1996 am 25. November 2005 war zwar für 1996 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs 1998, da die Klägerin ihre Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr 1996 beim FA am 15. Mai 1998 eingereicht hatte und endete aufgrund der in 2002 begonnenen Außenprüfung nach § 171 Abs. 4 AO erst mit der Unanfechtbarkeit des aufgrund der Außenprüfung für das Streitjahr 1996 erlassenen Umsatzsteuerbescheides und damit aufgrund der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 1996 durch den Bescheid vom 8. Oktober 2004 am 11. November 2004. |
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bb) Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO war der Ablauf der Festsetzungsfrist jedoch unbeachtlich, da das FA die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach der Aufhebung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen hat. Denn im Streitfall wurde der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1996 am 25. November 2005 und damit bereits an dem Tag erlassen, an dem das FA den fehlerhaften Umsatzsteuerbescheid 1997 aufhob. |
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cc) Auch § 174 Abs. 4 Satz 4 AO steht der Änderung nicht entgegen, da es im Streitfall auf diese Vorschrift nicht ankommt. Denn der später am 25. November 2005 aufgehobene Umsatzsteuerbescheid für 1997 erging am 8. Oktober 2004 und damit an dem Tag, an dem das FA aufgrund der Außenprüfung den Vorbehalt der Nachprüfung für den Umsatzsteuerbescheid 1996 aufhob. Zu diesem Zeitpunkt war die Festsetzungsfrist für 1996 nach § 171 Abs. 4 AO noch nicht abgelaufen. |
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Zu Unrecht stellt das FG hinsichtlich des Teileigentums Nr. 4 auf den erst späteren Erlass der Einspruchsentscheidung vom 23. August 2005 ab. Denn bei Anwendung von § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ist allein entscheidend, ob "der Sachverhalt" (i.S. von Abs. 4 Satz 1 dieser Vorschrift) in dem später aufgehobenen Steuerbescheid bereits vor Eintritt der Festsetzungsverjährung berücksichtigt worden ist. Entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall die Übertragung der beiden Teileigentumsrechte aufgrund der Übertragung durch einen Veräußerer und durch einen Rechtsakt auf einen Erwerber ein einheitlicher Sachverhalt i.S. von § 174 Abs. 4 AO, der als solches bereits Gegenstand des am 8. Oktober 2004 ergangenen Umsatzsteuerbescheids 1997 war. Dass das FA diesen Bescheid durch die Einspruchsentscheidung geändert hat, ist unerheblich. |
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War daher die Festsetzungsfrist gemäß § 174 Abs. 4 Satz 4 AO noch nicht abgelaufen, kommt es im Streitfall auf die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO und das zu dieser Vorschrift ergangene BFH-Urteil in BFHE 228, 122, BStBl II 2010, 586, auf das sich die Klägerin stützt, nicht an. |
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d) Liegen somit die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO vor, war das FA nicht nur berechtigt, den zunächst durch den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 8. Oktober 2004 für das Teileigentum Nr. 5 zeitanteilig ermittelten Berichtigungsbetrag im Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25. November 2005 zu erfassen, sondern konnte weitergehend sowohl den gesamten Berichtigungszeitraum als auch die sich für das Teileigentum Nr. 4 ergebenden Folgen in diesem Bescheid berücksichtigen. |
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Die Änderungsbefugnis nach § 174 Abs. 4 AO gestattet es dem FA "aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen" zu ziehen. Eine (Folge-)Änderung nach § 174 Abs. 4 AO setzt weder voraus, dass mit der (Ausgangs-)Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen dessen Antrag entsprochen wurde, noch dass die Auswirkungen der Änderung zugunsten und der Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen einander aufheben. Ein Verböserungshinweis ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen im Ergebnis zu einer steuerlichen Mehrbelastung durch die Folgeänderung führt (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl II 2005, 637, Leitsatz). Das FA konnte daher für diesen Sachverhalt, der wie unter II.2.a aa ausgeführt, die Veräußerung der beiden Teileigentumsrechte umfasste, die nach § 15a UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2001 i.V.m. § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 richtigen steuerlichen Folgen ziehen und die diese betreffende Vorsteuer für den gesamten noch offenen Berichtigungszeitraum berichtigen. |
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e) Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das FA seine Änderungsbefugnis nicht verwirkt. |
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Verwirkung setzt ein bestimmtes Verhalten der Finanzbehörde voraus, aufgrund dessen der Steuerpflichtige bei objektiver Betrachtung annehmen darf, dass die Behörde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend macht, wofür es auf ein Zeit- und ein Umstandsmoment ankommt. Während für das Zeitmoment bereits eine längere Untätigkeit des Anspruchsberechtigten genügen kann, setzt das Umstandsmoment ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten und einen hierdurch ausgelösten Vertrauenstatbestand beim Verpflichteten voraus (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975, unter II.B.5.). |
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Vorliegend fehlt es –wie das FG zu Recht entschieden hat– sowohl an einer längeren Untätigkeit des FA als auch an einem Vertrauenstatbestand auf Seiten der Klägerin. Insbesondere reicht die fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts durch Unterbleiben einer weiter gehenden Sachaufklärung im Rahmen der Außenprüfung nach den Verhältnissen des Streitfalls nicht aus. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kann nicht davon ausgegangen werden, dass das FA "wider besseren Wissens die zeitliche Dimension des Sachverhaltssegments … eigenmächtig vom Kalenderjahr 1996 auf das Jahr 1997 … projiziert" habe. |
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f) Schließlich steht der Änderung nach § 174 AO entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht entgegen, dass für das Streitjahr bereits ein gerichtliches Urteil ergangen ist (vgl. hierzu Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 10. November 2010 1 K 1914/08, EFG 2011, 689). Denn im Streitfall ist vor dem mit der Revision angefochtenen FG-Urteil kein Urteil für das Streitjahr, sondern nur für das Folgejahr ergangen. |
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