|
|
|
Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache wegen fehlender Spruchreife an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, der Inhaltsadressat sei in den angegriffenen Umsatzsteuerbescheiden nicht hinreichend bestimmt bezeichnet worden. Diese Bescheide seien daher nichtig. |
|
|
1. Ein Verwaltungsakt ist nach § 125 Abs. 1 AO nichtig, wenn er an einem besonders schweren Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Verwaltungsakt inhaltlich nicht so bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO), dass ihm hinreichend sicher entnommen werden kann, was von wem verlangt wird (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19.08.1999 – IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409, unter II.1.). Fehler in der Bezeichnung des Steuerschuldners im Bescheid können nicht durch Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden. Die rechtliche Notwendigkeit, in einem Steuerbescheid den Steuerschuldner richtig zu bezeichnen, ist zudem ausdrücklich in § 157 AO verankert. Sie wird dadurch unterstrichen, dass der Steuerbescheid Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Steuerschuldner ist (BFH-Urteil vom 11.04.2018 – X R 39/16, BFH/NV 2018, 1075, unter II.2.b aa, Rz 25). Nach ständiger Rechtsprechung muss der Steuerschuldner in dem Bescheid nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet werden. Ausreichend ist vielmehr, wenn er sich nach dem objektiven Erklärungsgehalt des Bescheids aus der Sicht des Empfängers im Wege der Auslegung zweifelsfrei bestimmen lässt (BFH-Urteil vom 19.03.2009 – IV R 78/06, BFHE 224, 428, BStBl II 2009, 803, unter II.1.b bb (1)). Heranzuziehen sind hierbei nicht nur die dem Bescheid beigefügten Erklärungen (BFH-Beschlüsse vom 11.08.2006 – V B 205/04, BFH/NV 2007, 5, sowie vom 19.02.1992 – II B 100/91, BFH/NV 1992, 784; BFH-Urteil vom 27.08.2003 – II R 18/02, BFH/NV 2004, 203, unter II.), sondern darüber hinaus auch die dem Betroffenen bekannten Umstände (BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 409, unter II.1.a; in BFHE 224, 428, BStBl II 2009, 803, unter II.1.b; vom 29.08.2012 – XI R 40/10, BFH/NV 2013, 182, unter II.1.a; vom 17.11.2005 – III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II 2006, 287, unter II.1.b; vom 15.04.2010 – IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606, Rz 23, und vom 23.08.2017 – I R 52/15, BFH/NV 2018, 401, Rz 18) sowie zeitlich vorhergehende Bescheide (BFH-Urteil vom 25.09.1990 – IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120, unter B.III.1.a, m.w.N.). Notwendig ist aber, dass diese Umstände einen eindeutigen Rückschluss erlauben. |
|
|
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war für Herrn M ohne weiteres erkennbar, dass er die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide zunächst in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer und später als Liquidator der Klägerin erhalten hat und sie ihn nicht als Steuerschuldner betreffen. Dies ergibt sich eindeutig aus den angefochtenen Steuerbescheiden selbst sowie den konkreten Gegebenheiten bei ihrem Erlass: |
|
|
a) Die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide bezeichnen im Adressfeld zwar Herrn M als natürliche Person. Dass er nicht selbst der Steuerschuldner ist, ergibt sich aber bereits aus dem Zusatz "in Fa. C-GmbH" bzw. "in Fa. C-GmbH i.L.". Denn hieraus folgt, dass ihm die Bescheide lediglich in der (Umsatzsteuer-)Sache der Firma C-GmbH bekannt gegeben werden. Bestätigt wird dies durch den unterhalb des Adressfeldes ersichtlichen Zusatz "als gesetzlicher Vertreter" bzw. "als Liquidator". Dieser Zusatz bezeichnet die Vertretungsfunktion des Herrn M als Geschäftsführer bzw. später als Liquidator der Klägerin (C-GmbH). |
|
|
b) Hinzu kommt, dass die bei der Auslegung zu berücksichtigenden Erläuterungen in den Steuerbescheiden die Klägerin als betroffene Steuerschuldnerin anführen. |
|
|
aa) Die geänderten Umsatzsteuerbescheide der Streitjahre 2006 bis 2009 vom 14.12.2015 verweisen bei den Erläuterungen zunächst darauf, dass bei der Abhilfe zwei Betriebsprüfungs-Feststellungen aufgehoben wurden, "da die Fa. C-GmbH die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten zu versteuern hat". Des Weiteren steht in den Erläuterungen: "Hierdurch erledigt sich Ihr Einspruch/Antrag vom 21.05.2012" und "Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 27.04.2012". |
|
|
Die jeweiligen Bescheide vom 27.04.2012 wiederum enthalten im Festsetzungsteil den Zusatz, dass die eingegangenen Umsatzsteuer-Jahreserklärungen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstehen und weisen im Erläuterungsteil darauf hin, dass der Festsetzung/Feststellung die Ergebnisse der "bei Ihnen" durchgeführten Außenprüfung zu Grunde liegen. Herrn M war nicht nur bekannt, dass er selbst nicht gewerblich oder beruflich selbständig tätig war und er daher lediglich für die Klägerin Umsatzsteuer-Jahreserklärungen abgegeben und unterschrieben hatte, sondern –in seiner Funktion als Geschäftsführer bzw. Liquidator– auch, dass bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchgeführt worden war, gegen deren Auswertung durch die angegriffenen Steuerbescheide er Einspruch eingelegt hatte. Abgesehen davon hat das FA in den Streitjahren mehrfach Mitteilungen über die Festsetzung der Umsatzsteuer sowie Umsatzsteuerbescheide an Herrn M in Fa. C-GmbH adressiert. Es liegen somit keinerlei Anhaltspunkte vor, aus denen Herr M hätte annehmen können oder müssen, dass nunmehr Steuerfestsetzungen gegen ihn persönlich ergangen sind. |
|
|
bb) Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich der Umsatzsteuerbescheide für das Streitjahr 2010: Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 23.12.2015 verweist unter der Rubrik "Festsetzung" ebenfalls auf eine Bescheidänderung und unter "Erläuterungen" heißt es: "Bei Vereinnahmung der Geschäftsführervergütung von der Fa. S am 8.6.2010 ist dieser Umsatz zu versteuern, da die Fa. C-GmbH der Istversteuerung unterliegt. Im geänderten USt-Bescheid für 2008 wird dieser Umsatz nicht mehr erfasst". Darüber hinaus "erledigt sich Ihr Einspruch/Antrag vom 6.5.2013" und "Dieser Bescheid ändert den Bescheid vom 11.04.2013". Der (geänderte) Bescheid vom 11.04.2013 wird dahingehend erläutert, dass die Änderung "auf Grund der Anpassungen an die Betriebsprüfung" erfolgte. |
|
|
c) Schließlich ist selbst das FG auf S. 9 seines Urteils davon ausgegangen, die Erläuterungen in den Umsatzsteuerbescheiden erlaubten die Auslegung, dass die C-GmbH als Inhaltsadressatin gemeint sei. Steht jedoch als Ergebnis der Auslegung fest, dass die Klägerin der Inhaltsadressat ist, kann der jeweilige Bescheid nicht mehr als mehrdeutig und unbestimmt bezeichnet werden. |
|
|
3. Das FG-Urteil verletzt §§ 119, 125 AO und ist daher aufzuheben. Der Senat ist an die anderslautende Würdigung des FG nicht gebunden, sondern selbst zur Auslegung befugt, wenn –wie vorliegend– die tatsächlichen Feststellungen des FG dafür ausreichen (BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 409; vom 30.09.1988 – III R 218/84, BFH/NV 1989, 749, und in BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120). |
|
|
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichten, über die Höhe der Umsatzsteuer für die Streitjahre selbst zu entscheiden. Die Sache wird daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang hat das FG zu prüfen, ob die Einwendungen der Klägerin gegen die Erhöhung der Umsatzsteuer aufgrund der Betriebsprüfung berechtigt sind. |
|
|
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. |
|