|
II. 1. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Eine Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2007 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 betreffend Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist lediglich insoweit gerechtfertigt, als die Einkünfte der Antragstellerin aus nichtselbständiger Arbeit um weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250 EUR zu mindern sind. |
|
|
a) Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG a.F. sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehbar. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG a.F. dann nicht, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 % der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG a.F. die Höhe der abziehbaren Aufwendungen regelmäßig auf 1.250 EUR begrenzt. Die Begrenzung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. |
|
|
b) Danach kommt im Streitfall lediglich ein beschränkter Werbungskostenabzug in Höhe von 1.250 EUR in Betracht. Die Antragstellerin hat weder glaubhaft gemacht, dass es sich bei den beruflich genutzten Räumlichkeiten um eine "häusliche Betriebsstätte" handelt, noch dass sich dort der Mittelpunkt ihrer gesamten und beruflichen Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG a.F. befindet. Ein weitergehender Werbungskostenabzug wäre deshalb auch im Fall der Ungültigkeit von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2007 nicht zu gewähren, so dass die Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2007 entsprechend zu beschränken ist. Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist ein Vollabzug von Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ohnehin nicht geboten (BVerfG-Urteil vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162). |
|
|
2. Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO), aber nicht begründet und daher zurückzuweisen. Trotz ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2008 hat das FG zu Recht den Antragstellern AdV nicht gewährt. |
|
|
a) Der Senat legt den Schriftsatz der Antragsteller an das FG vom 11. September 2009 wegen des eindeutig erkennbaren Willens der Antragsteller, die Aufhebung der Vollziehung zu erreichen, als insoweit allein zulässigen Antrag nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO aus. Prozesserklärungen sind unter Beachtung des Grundsatzes der rechtsschutzgewährenden Auslegung von Verfahrensvorschriften (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes –GG–) so auszulegen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was rechtlich vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BFH-Beschluss vom 8. Mai 2007 X B 43/06, BFH/NV 2007, 1499; s. auch Senatsbeschluss vom 29. Juli 2009 VI B 44/09, BFH/NV 2009, 1822, m.w.N.). Im Streitfall zielt das fristgerecht beim FG eingegangene Schreiben auf eine Überprüfung des AdV-Beschlusses vom 21. August 2009 hinsichtlich der Aussetzung der strittigen Steuer 2008. Damit haben die Antragsteller ihr Begehren, Beschwerde einzulegen, deutlich zum Ausdruck gebracht. |
|
|
b) Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das FG hat die Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2008 zu Recht wegen § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 FGO versagt. |
|
|
aa) Gemäß § 69 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 FGO sind bei Steuerbescheiden die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Begriff der wesentlichen Nachteile i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ist im Sinne der Rechtsprechung zu § 114 FGO zu verstehen (BFH-Beschluss vom 2. November 1999 I B 49/99, BFHE 190, 59, BStBl II 2000, 57, unter II.3.a dd, m.w.N.). Diese Beschränkung ist mit dem Grundgesetz vereinbar und nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung zu korrigieren (BFH-Beschlüsse vom 24. Januar 2000 X B 99/99, BFHE 192, 197, BStBl II 2000, 559, und vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). |
|
|
bb) Das FG hat zutreffend erkannt, dass danach die Aufhebung der Vollziehung im Streitfall auf 0 EUR beschränkt ist. Wesentliche Nachteile, die den Antragstellern im Falle der Nichtaufhebung der Vollziehung drohen könnten, sind auch im Beschwerdeverfahren weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere wird die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides für 2008 nicht unmittelbar und ausschließlich bedroht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. November 2001 V B 100/01, BFH/NV 2002, 519, unter II.2.a; vom 11. Juni 2001 I B 30/01, BFH/NV 2001, 1223, und vom 29. Januar 1985 IX B 106/84, BFH/NV 1985, 40, zu § 114 FGO). Auch ist vorliegend die Aufhebung der Vollziehung nicht geboten, um eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung von Grundrechten zu vermeiden, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. August 2002 1 BvR 1790/00, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 3691, unter II.2.a; vom 16. Mai 1995 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 14; vom 25. Oktober 1988 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69, 74 f.). Denn selbst schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angewendeten Rechtsvorschrift allein rechtfertigen die Gewährung einer Aufhebung der Vollziehung wegen wesentlicher Nachteile nicht. Dies erscheint erst dann geboten, wenn das zuständige Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer streitentscheidenden Vorschrift überzeugt ist und diese deshalb gemäß Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt hat (BFH-Beschluss in BFHE 204, 39, BStBl II 2004, 367). |
|
|
cc) Ein solcher Vorlagebeschluss hinsichtlich des in § 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 normierten Abzugsverbots betreffend der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ist bislang nicht ergangen. Der Senat hat zwar in dem Beschluss vom 25. August 2009 VI B 69/09 (BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826) verfassungsrechtliche Zweifel an diesem Abzugsverbot geäußert; diese jedoch mit beachtlichen Bedenken im Schrifttum gegen die Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung und einander widersprechenden Entscheidungen der FG begründet. Dass der erkennende Senat von der Verfassungswidrigkeit der §§ 9 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des StÄndG 2007 überzeugt ist, lässt sich daraus nicht herleiten. Der Senat hat in dem Beschluss in BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826 vielmehr ohne Präjudiz für die Hauptsache entschieden. |
|
|
Damit ist das FG im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass im Streitfall die Aufhebung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids für 2008 nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint und deshalb wegen der Beschränkung des § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO nicht zu gewähren ist. |
|
|
3. Die Übertragung der Berechnung des auszusetzenden Steuerbetrags auf den Antragsgegner folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. |
|