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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung). Im Streitfall kann eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG für die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für Pflegeleistungen nicht gewährt werden, weil diese Aufwendungen bereits durch die Inanspruchnahme des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt sind (§ 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG). |
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1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Dies gilt auch für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind (§ 35a Abs. 2 Satz 2 EStG). Für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer auf Antrag um 20 % der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1.200 EUR (§ 35a Abs. 3 Satz 1 EStG). |
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2. § 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG schließt die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung jedoch aus, soweit Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind. Mit dieser Regelung soll eine doppelte Berücksichtigung derselben Aufwendungen nach § 35a EStG und als außergewöhnliche Belastungen vermieden werden. |
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a) Werden Pflegeaufwendungen nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht, folgt aus § 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG, dass die Steuerermäßigung nach § 35a EStG für den Anteil der Aufwendungen zu gewähren ist, der aufgrund der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG nicht vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden kann. Denn insoweit sind sie nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden (BMF-Schreiben vom 10. Januar 2014 IV C 4 – S 2296-b/07/0003:004, BStBl I 2014, 75, Tz. 32; Lehr, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 2006, 943, 945). |
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b) Nimmt der Steuerpflichtige hingegen –wie im Streitfall die Klägerin– den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG in Anspruch, der ohne Einzelnachweis und ohne Ansatz einer zumutbaren Belastung gewährt wird, so ist die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 5 Satz 1 EStG ausgeschlossen, soweit die Aufwendungen mit dem Behinderten-Pauschbetrag abgegolten sind. |
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aa) Mit der Inanspruchnahme des Pauschbetrags werden typische, unmittelbar mit der Behinderung zusammenhängende Kosten des Steuerpflichtigen, insbesondere sämtliche behinderungsbedingten Aufwendungen für das Vorhalten von Pflegeleistungen, abgegolten (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. November 2004 III R 38/02, BFHE 208, 155, BStBl 2005, 271, m.w.N.). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist unerheblich, ob tatsächlich eine Pflegebedürftigkeit besteht bzw. konkrete Pflegeleistungen in Anspruch genommen wurden. Auch eine Beschränkung der Abgeltungswirkung auf die von der Klägerin angeführten Mehraufwendungen für behinderungsbedingte Fahrten sieht das Gesetz nicht vor (vgl. § 33b Abs. 1 Satz 1 EStG; Senatsbeschluss vom 13. Juli 2011 VI B 20/11, BFH/NV 2011, 1863; BTDrucks 16/6290, 57). |
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bb) Aufgrund dieser Abgeltungswirkung sind entgegen der Auffassung des FG Aufwendungen nicht nur in dem Umfang, in dem sie sich steuerlich ausgewirkt haben, und damit in Höhe des Behinderten-Pauschbetrags, sondern soweit die Abgeltungswirkung des § 33b EStG reicht und damit vollumfänglich i.S. des § 35a Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz EStG berücksichtigt (gleiche Auffassung Bode, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 35a EStG Rz A 49; Schmidt/Krüger, EStG, 33. Aufl., § 35a Rz 25; Heß/Görn, Deutsches Steuerrecht 2007, 1804; Apitz in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 35a EStG Rz 14 und 24; Blümich/Erhard, § 35a EStG Rz 51; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 22; vgl. auch BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 29; in BStBl I 2014, 75, Tz. 33). Über den Behinderten-Pauschbetrag hinausgehende (abgegoltene) behinderungsbedingte Aufwendungen können deshalb nicht noch nach § 35a EStG berücksichtigt werden. |
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3. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt dies nicht zu einer gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung zu Lasten behinderter Steuerpflichtiger. Sowohl behinderte als auch nichtbehinderte Steuerpflichtige haben die Möglichkeit, Pflegeaufwendungen bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen in der tatsächlichen Höhe als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend zu machen. Beide Gruppen können für aufgrund des Ansatzes der zumutbaren Belastung nicht berücksichtigte Beträge eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG beanspruchen. Zusätzlich haben behinderte Steuerpflichtige die Möglichkeit, an Stelle der tatsächlichen Kosten nach § 33 EStG den Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b EStG anzusetzen, beispielsweise weil die tatsächlich angefallenen Aufwendungen niedriger sind als der Pauschbetrag. Durch dieses zusätzliche Wahlrecht werden behinderte Steuerpflichtige nicht schlechter gestellt. Vielmehr wird ihnen eine weitere Gestaltungsmöglichkeit eröffnet, die ihren steuerlichen Gestaltungsfreiraum erweitert. |
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4. Es ergibt sich auch kein Wertungswiderspruch zu der Tatsache, dass unter Geltung der Rechtslage bis 2008 behinderte nicht pflegebedürftige Heimbewohner neben dem Behinderten-Pauschbetrag einen Pauschbetrag für die Leistungen einer Haushaltshilfe geltend machen konnten (§ 33a Abs. 3 EStG a.F.). |
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Durch das Familienleistungsgesetz vom 22. Dezember 2008 (BStBl I 2009, 136) wurden die Regelungen über die Steuerermäßigung für haushaltsnahe sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse und haushaltsnahe Dienstleistungen einschließlich Pflegeleistungen, die bisher in mehreren gesonderten Tatbeständen erfasst waren, in einer Vorschrift zusammengefasst. Im Rahmen der Zusammenfassung der Fördertatbestände entfiel die Berücksichtigung von Aufwendungen für Haushaltshilfen als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 3 EStG a.F. Diese Aufwendungen können nunmehr nach Maßgabe der einheitlichen Förderung des § 35a Abs. 2 EStG unter Beachtung der Kollisionsregelung des § 35a Abs. 5 EStG geltend gemacht werden. |
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5. Die Vorentscheidung widerspricht diesen Rechtsgrundsätzen. Sie war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. |
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Da die Klägerin von ihrem Wahlrecht nach § 33b Abs. 1 EStG Gebrauch gemacht hat und an Stelle der Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG den Ansatz des ihr aufgrund ihres Grades der Behinderung von 60 zustehenden Behinderten-Pauschbetrags begehrt, ist dieser bei der Steuerfestsetzung anzusetzen. Darüber hinaus kann für die folgenden nicht typischerweise mit der Behinderung zusammenhängenden Aufwendungen eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG gewährt werden: |
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– Aufwendungen für Schönheitsreparaturen … |
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– Reinigung Appartement … |
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Die Aufwendungen für das Vorhalten der Grundversorgung in Höhe von 1.284 EUR, für Bereitschaft in Höhe von 802 EUR und Empfang in Höhe von 593 EUR, mithin insgesamt 2.679 EUR kann die Klägerin im Streitfall nicht noch nach § 35a EStG geltend machen. Diese Aufwendungen sind bereits durch die Inanspruchnahme des Behinderten-Pauschbetrags nach § 33b EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden. |
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Hieraus ergibt sich eine festzusetzende Steuer für das Streitjahr in Höhe von 10.196 EUR. Da die zutreffende Steuerfestsetzung danach nicht niedriger ist als die vom FA mit 9.923 EUR vorgenommene, war die Klage abzuweisen. |
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