VI R 22/08 – Keine Steuerermäßigung nach § 35a EStG bei Barzahlung der Rechnung für haushaltsnahe Dienstleistungen – Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Ungleichbehandlung unbarer und barer Zahlungsvorgänge

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.11.2008, VI R 22/08

Keine Steuerermäßigung nach § 35a EStG bei Barzahlung der Rechnung für haushaltsnahe Dienstleistungen – Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Ungleichbehandlung unbarer und barer Zahlungsvorgänge

Tatbestand

 
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I. Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Steuerpflichtiger die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erlangen kann, wenn die Rechnung des Leistungserbringers in bar beglichen wird.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ließ im Streitjahr 2006 einen Umzug durch ein Transportunternehmen durchführen. Den Rechnungsbetrag übergab die Klägerin in bar.
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Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 2006 beantragte die Klägerin eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG auf der Grundlage eines Lohnanteils der Rechnung in Höhe von 626 EUR. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) lehnte es ab, die Steuerermäßigung zu gewähren. Die Klage blieb gleichfalls erfolglos.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Dabei macht sie auch eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geltend.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 26. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2007 dahin zu ändern, dass die tarifliche Einkommensteuer um 125 EUR ermäßigt wird.
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Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 
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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, dass die Barzahlung der streitbefangenen Rechnung die von der Klägerin begehrte Steuerermäßigung ausschließt.
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1. Im Streitfall anwendbar ist § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG in seiner gemäß § 52 Abs. 50b Satz 2 dieses Gesetzes erstmals für im Veranlagungszeitraum 2006 geleistete Aufwendungen geltenden Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878). Danach ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer –unter weiteren Voraussetzungen– für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen auf Antrag um 20 %, höchstens 600 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Gemäß § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG ist Voraussetzung u.a. für die Steuerermäßigung nach Satz 1 der Vorschrift, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der haushaltsnahen Dienstleistung durch Beleg des Kreditinstituts nachweist.
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a) Dem Wortlaut des § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG ist nicht zu entnehmen, dass die Barzahlung von Rechnungen des Leistungserbringers ohne Einbindung eines Kreditinstituts und damit ohne jegliche bankmäßige Dokumentation des Zahlungsvorgangs die formellen Voraussetzungen der Steuerermäßigung nach § 35a EStG erfüllt. Wenn der Gesetzgeber mit der Steuerermäßigung des § 35a EStG den Zweck verfolgt, einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen (vgl. z.B. BTDrucks 15/91, 19), so ist § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG eine folgerichtige Ausgestaltung dieser gesetzgeberischen Zielsetzung. Denn die Vorschrift entspricht –typisierend– dem Erfahrungssatz, dass Barzahlungen regelmäßig wesentliches Kennzeichen der Schwarzarbeit im Privathaushalt sind.
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b) Diese einfachrechtliche Würdigung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
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aa) Die in den Gesetzesmaterialien eindeutig als Lenkungsnorm gekennzeichnete Vorschrift des § 35a EStG ist gleichheitsrechtlich (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu beanstanden. Für steuerliche Lenkungsnormen fordert das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) neben der Orientierung einer steuerlichen Förderung am Gemeinwohl, dass der Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen und seinerseits gleichheitsgerecht verfolgt wird; führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls lenken will (vgl. BVerfG-Beschluss vom 17. April 2008 2 BvL 4/05, BFH/NV Beilage 4/2008, 295, unter C.I.1.b und C.II.3.b, m.w.N.). Diesen Maßstäben wird § 35a EStG gerecht, soweit in Abs. 2 Satz 5 der Vorschrift der Zahlungsnachweis nur durch Beleg eines Kreditinstituts zu erbringen ist. Denn die Ungleichbehandlung unbarer und barer Zahlungsvorgänge rechtfertigt das am Gemeinwohl orientierte Ziel des Gesetzgebers, die Schwarzarbeit im Privathaushalt zu bekämpfen.
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Auch soweit nach der Neufassung des § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 3150) die Pflicht zur Vorlage der Nachweise mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2008 entfallen ist, führt dies nicht zu einer widersprüchlichen Ausgestaltung der Regelung, die gleichheitsrechtliche Bedenken auch gegen die Vorschrift in ihrer früheren Fassung begründen könnte. Selbst wenn der Gesetzgeber u.a. zur Förderung der elektronischen Steuererklärung von der Pflicht zur Belegvorlage mit der Einkommensteuererklärung abgesehen hat (vgl. BTDrucks 16/6739, 14), so ist nicht ersichtlich, dass damit der in den Gesetzesmaterialien erneut betonte Lenkungszweck der "Bekämpfung der Schwarzarbeit" (BTDrucks 16/6739, 14) nicht mehr hinreichend konsequent und widerspruchsfrei verfolgt würde.
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bb) § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG verstößt auch nicht gegen die in Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte allgemeine Handlungsfreiheit. Es kann offen bleiben, ob ein Steuergesetz, das keine belastende Wirkung entfaltet, sondern lediglich die Gewährung einer Steuerermäßigung von der Erfüllung bestimmter vom Steuerpflichtigen zu erbringender Nachweise abhängig macht, überhaupt in die allgemeine Handlungsfreiheit in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich eingreift (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002  2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17, 32 f., m.w.N.). Selbst wenn man auch in dieser Situation eine freiheitsbeschränkende Wirkung des Steuergesetzes annehmen wollte, so führte die dann durchzuführende Verhältnismäßigkeitskontrolle (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 32) für die Vorschrift des § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG jedenfalls nicht zu einem Verfassungsverstoß. Denn die Gewährung der Steuerermäßigung nur bei unbaren Zahlungsvorgängen wäre geeignet, die vom Gesetzgeber verfolgte Lenkung (Bekämpfung der Schwarzarbeit) zu bewirken. Die Erforderlichkeit einer Maßnahme kann nur verneint werden, wenn bei dem als Alternative vorgeschlagenen geringeren Eingriff in jeder Hinsicht eindeutig feststeht, dass er einen bestimmten Zweck sachlich gleichwertig erreicht (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 36, m.w.N.); ein solcher weniger einschneidender Eingriff als Alternative zum Erfordernis unbarer Zahlung ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Die Gesamtabwägung der öffentlichen, im Gemeinwohl stehenden Belange mit den privaten Interessen des Steuerpflichtigen an einer freien Wahl des Zahlungsweges verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne; vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 36). Dies selbst dann, wenn man davon ausginge, dass die Unterhaltung eines eigenen Bankkontos nicht von jedem Steuerpflichtigen verlangt werden kann. Denn auch ohne eigenes Konto des Steuerpflichtigen sind die Voraussetzungen des § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG zu erfüllen, indem der Rechnungsbetrag bei einem Kreditinstitut eingezahlt und sodann unbar auf das Konto des Leistungserbringers überwiesen wird. Auch dann ist der Zahlungsvorgang durch den entsprechenden Überweisungsbeleg bankmäßig dokumentiert.
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c) Demgegenüber weckt die bisherige Rechtsprechung der Finanzgerichte –soweit rechtskräftig– (vgl. FG Münster, Urteil vom 18. Januar 2006  1 K 4132/04 E, EFG 2006, 895; Niedersächsisches FG, Urteil vom 22. Januar 2008  13 K 330/07, EFG 2008, 1210; FG Düsseldorf, Urteil vom 12. Juni 2008  15 K 3449/06 E, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 1503) keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Erfordernisses der unbaren Zahlung. Soweit sich die Literatur mit der Rechtsfrage näher befasst, wird auch dort einhellig die Auffassung vertreten, dass Barzahlungen für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung des § 35a EStG nicht genügten (vgl. z.B. Blümich/Erhard, § 35a EStG Rz 62; Bode in Kanzler/Nacke, Steuerrecht aktuell 2/2008, 25 ff.; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 89; Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 35a Rz 10; Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 35a Rz 24; Lehr, Die Information über Steuer und Wirtschaft 2006, 460; Nagler in Korn, § 35a EStG Rz 27; Plenker, Der Betrieb 2004, 564).
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2. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht entschieden, dass der Klägerin, die –wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist– die streitbefangene Rechnung bar bezahlt hat, die von ihr begehrte Steuerermäßigung zu versagen ist. Auch auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes kann sich die Klägerin nicht berufen. Zwar erlangte § 35a Abs. 2 Satz 5 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2006 Bedeutung, nachdem durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung vom 26. April 2006 (BGBl I 2006, 1091) in § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen neu geregelt worden ist. Indes war bereits in § 35a Abs. 2 Satz 3 EStG in seiner zuvor geltenden Fassung –und zwar bereits seit Einfügung der Vorschrift des § 35a EStG (vgl. auch BTDrucks 15/77, 55)– Voraussetzung der Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen i.S. des § 35a Abs. 2 EStG, dass der Steuerpflichtige die Aufwendungen durch Vorlage einer Rechnung und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der haushaltsnahen Dienstleistung durch Beleg des Kreditinstituts nachweist.

Quelle: bundesfinanzhof.de


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