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II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei den Zukunftssicherungsleistungen der Klägerin für ihre ausländischen Arbeitnehmer um steuerbaren Arbeitslohn handelt, von dem Lohnsteuer einzubehalten ist. |
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Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat. Hinsichtlich der auf die streitbefangenen Zukunftssicherungsleistungen entfallenden Lohnsteuer liegen diese Haftungsvoraussetzungen vor. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zukunftssicherungsleistungen der Klägerin kein nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei gestellter Arbeitslohn sind (1). Revisionsrechtlich gleichfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des FG, dass die Steuerbarkeit der Zukunftssicherungsleistungen im Streitfall nicht gegen europäische Grundfreiheiten verstößt (2). |
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1. Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG nur steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist. Das gilt auch, wenn die Verpflichtung auf ausländischen Gesetzen beruht (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 18. Mai 2004 VI R 11/01, BFHE 206, 158, BStBl II 2004, 1014, m.w.N.). Leistungen, die aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht erbracht werden, sind dagegen nicht steuerbefreit (vgl. Senatsurteile in BFHE 206, 158, BStBl II 2004, 1014; vom 13. September 2007 VI R 16/06, BFHE 219, 58, BStBl II 2008, 394; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; vom 22. Juli 2008 VI R 56/05, BFHE 222, 442, BStBl II 2008, 894). Von ihnen ist vielmehr Lohnsteuer zu erheben. |
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a) Im Streitfall fehlt es an einer auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Zahlungsverpflichtung der Klägerin. Das FG hat unangefochten und damit revisionsrechtlich bindend festgestellt, dass die Zahlungen der Klägerin an die Q-Ltd. weder auf einer inländischen noch einer ausländischen Gesetzesgrundlage beruhen. |
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Die Feststellung und Auslegung ausländischen Rechts obliegt grundsätzlich dem FG (vgl. BFH-Urteil vom 15. April 1996 VI R 98/95, BFHE 180, 509, BStBl II 1996, 478, m.w.N.). Das Revisionsgericht ist an die Feststellungen über Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts wie an tatsächliche Feststellungen gebunden (§ 155 FGO i.V.m. §§ 549, 562 der Zivilprozessordnung; s.a. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. November 1991 XII ZR 240/90, Neue Juristische Wochenschrift 1992, 438). |
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b) Die Klägerin hat die Beiträge für die von ihr beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer auch nicht aufgrund einer –für allgemeinverbindlich erklärten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 219, 58, BStBl II 2008, 394)– tarifvertraglichen Verpflichtung an die Q-Ltd. abgeführt. Der Umstand, dass die schwedische Konzernmutter zur betrieblichen Altersvorsorge verpflichtet ist, beruht auf einem zwischen dem schwedischen Arbeitgeberverband und den schwedischen Gewerkschaften geschlossenen Tarifvertrag. Ein solcher kann die schwedische Konzernmutter, nicht aber die Klägerin verpflichten. Eine Bindungswirkung dieser Vereinbarungen für das deutsche Tochterunternehmen ist weder vom FG festgestellt noch von der Klägerin behauptet. |
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Die Klägerin hat sich vielmehr –wie andere Konzerngesellschaften auch– innerhalb des Konzerns verpflichtet, für die von ihr beschäftigten Expatriates Beiträge in das zentrale betriebliche Versorgungssystem des Konzerns zu leisten. |
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Das FG hat damit zutreffend entschieden, dass § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG im Streitfall nicht zugunsten der Klägerin eingreift. |
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2. Allerdings hat die Klägerin geltend gemacht, § 3 Nr. 62 EStG verstoße insoweit gegen Gemeinschaftsrecht, als die Steuerbefreiung nur Zukunftssicherungsleistungen erfasse, die aufgrund einer materiell gesetzlichen Verpflichtung erbracht werden. Dem kann der Senat nicht folgen. |
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a) Insbesondere wird durch § 3 Nr. 62 EStG nicht die in Art. 39 EG geregelte Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH sollen sämtliche Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit den Gemeinschaftsangehörigen die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erleichtern und stehen Maßnahmen entgegen, die die Gemeinschaftsangehörigen benachteiligen könnten, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen (vgl. u.a. Urteile vom 16. Oktober 2008, Renneberg, Rs. C-527/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 83; vom 13. November 2003, Schilling und Fleck-Schilling, Rs. C-209/01, Slg. 2003, I-13389, Rdnr. 24; vom 21. Februar 2006, Ritter-Coulais, Rs. C-152/03, Slg. 2006, I-1711, Rdnr. 33; vom 18. Juli 2007, Lakebrink und Peters-Lakebrink, Rs. C-182/06, Slg. I-2007, I-6705, Rdnr. 17). |
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aa) Eine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer ist durch § 3 Nr. 62 EStG jedoch nicht zu besorgen. Die Vorschrift differenziert nicht nach der Nationalität des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers. Unerheblich ist auch, ob der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge aufgrund inländischer oder ausländischer Gesetze entrichten muss, so dass eine direkte oder unmittelbare Diskriminierung offenkundig nicht vorliegt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 222, 442, BStBl II 2008, 894, und in BFHE 206, 158, BStBl II 2004, 1014). |
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bb) § 3 Nr. 62 EStG bewirkt aber auch keine nach Art. 39 EG verbotene indirekte oder mittelbare Diskriminierung. Der Tatbestand des § 3 Nr. 62 EStG enthält keine Anforderungen, die faktisch nur von inländischen Arbeitgebern oder inländischen Arbeitnehmern erfüllt werden könnten oder ansonsten geeignet wären, die Freizügigkeit ausländischer Arbeitnehmer zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen. § 3 Nr. 62 EStG unterscheidet lediglich zwischen gesetzlich verpflichteten und gesetzlich nicht verpflichteten Arbeitgebern und erfasst damit Inlands- wie Auslandssachverhalte. |
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Die Steuerbarkeit von (Zusatz)Vorsorgeleistungen, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern neben oder zusätzlich zu seinen sozialversicherungsrechtlichen Pflichtbeiträgen gewährt, betrifft inländische wie ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen. Es ist nicht ersichtlich, dass vornehmlich im Inland (vorübergehend) beschäftigte Wanderarbeitnehmer von "Versorgungslücken" betroffen sind und deshalb stärker als inländische Arbeitnehmer neben der gesetzlichen Alterssicherung der ergänzenden Privatvorsorge bedürfen, um auf das gleiche Versorgungsniveau zu gelangen, wie es von Inländern durch nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei gestellte Zukunftssicherungsleistungen erzielt wird. Der Bedarf an einer ergänzenden Privatvorsorge ist vielmehr europaweit anerkannt, da die unterschiedlichen Rentenversicherungssysteme der Mitgliedstaaten vor den nämlichen demografischen Herausforderungen stehen. Dies betrifft die umlagefinanzierte (beitragsbezogene) gesetzliche Altersversorgung ebenso wie die steuer- oder beitragsfinanzierte Volks- und Grundrente (Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Sozialraum Europa, Dossier Nr. 32, 2007 und Rentenversicherung in Europa, Dossier Nr. 28, 2007). Auch in Deutschland gewinnen vor dem Hintergrund dauerhaft niedriger Geburtenraten und zunehmender Lebenserwartung für in- wie ausländische Arbeitnehmer neben der gesetzlichen Rentenversicherung u.a. Formen der kapitalgedeckten Altersvorsorge an Bedeutung (BTDrucks 16/8869, S. 16; BTDrucks 16/3945, S. 50 f.). Die Besteuerung freiwilliger Leistungen in die private Altersvorsorge kann daher auch keine faktische Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern bewirken. |
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cc) Eine drohende Doppelbesteuerung vermag ebenfalls keine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EG) zu begründen. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass wegen der "nachgelagerten" Besteuerung von Altersbezügen in Schweden die Leistungen aus den Zusatzversorgungseinrichtungen sowohl bei der Einzahlung (in Deutschland) als auch bei der Auszahlung (in Schweden) als "Arbeitslohn" versteuert werden müssen. Allerdings stellt sich die mögliche Mehrbelastung eines nach Schweden zurückkehrenden Arbeitnehmers lediglich als Folge einer fehlenden Harmonisierung der jeweiligen nationalen Steuersysteme dar, die schon deshalb keine Diskriminierung bewirkt, weil die Ungleichbehandlung auf Maßnahmen unterschiedlicher Hoheitsträger beruht (vgl. Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg, Europarecht, Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, 2006, § 30 Rz 88). Im Übrigen sind die Mitgliedstaaten beim gegenwärtigen Entwicklungsstand des Gemeinschaftsrechts nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen, um namentlich die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen (EuGH-Urteile vom 12. Februar 2009, Margarete Block, Rs. C-67/08, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2009, 373, Rdnr. 31; vom 6. Dezember 2007, Columbus Container Services, Rs. C-298/05, Slg. 2007, I-10451, Rdnr. 43). Schließlich garantiert der EG nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH einem Unionsbürger auch nicht, dass die Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat als denjenigen, in dem er bis dahin gewohnt hat, steuerneutral ist. Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich kann eine solche Verlegung für den Bürger je nach dem Einzelfall mehr oder weniger vorteilhaft sein (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteile in DStR 2009, 373, Rdnr. 35; vom 15. Juli 2004, Lindfors, Rs. C-365/02, Slg. 2004, I-7183, Rdnr. 34, und vom 12. Juli 2005, Schempp, Rs. C-403/03, Slg. 2005, I-6421, Rdnr. 45). |
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b) Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass § 3 Nr. 62 EStG zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) zu Lasten des schwedischen Mutterkonzerns führt. Die Klägerin hat weder konkrete Umstände vorgebracht noch entsprechende ins Einzelne gehende Gründe benannt, nach denen sich die in § 3 Nr. 62 EStG geregelte Voraussetzung einer gesetzlichen Verpflichtung zur Zukunftssicherung nachteilig auf die grenzüberschreitende Konzernstruktur des schwedischen Mutterkonzerns auswirkt. Im Übrigen sollen die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit lediglich die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-10451, Rdnr. 33). § 3 Nr. 62 EStG verfehlt diesen europarechtlichen Anspruch nicht. |
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c) Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) international tätiger Versorgungseinrichtungen –im Streitfall niederländische und schwedische Versicherungsunternehmen– wird durch § 3 Nr. 62 EStG ebenfalls nicht eingeschränkt. Die Vorschrift differenziert nicht zwischen inländischen und ausländischen Anbietern von Zukunftssicherungsleistungen, so dass eine direkte oder unmittelbare Diskriminierung offensichtlich nicht vorliegt. § 3 Nr. 62 EStG begründet aber auch keine indirekte oder mittelbare Diskriminierung zu Lasten ausländischer Versorgungseinrichtungen. Denn die Vorschrift enthält keine Anforderungen, die faktisch nur inländische Anbieter von Zukunftssicherungsleistungen erfüllen könnten oder ansonsten geeignet wären, die Tätigkeit des Leistenden im Sinne der Rechtsprechung des EuGH zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 222, 442, BStBl II 2008, 894). |
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3. Dass das FA die streitbefangene Lohnsteuer nebst Annexsteuern –ungeachtet der Frage der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 62 EStG– durch einen Haftungsbescheid festsetzen durfte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht ebenso wenig streitig wie die Bemessung der Haftungsschuld. |
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