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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat die von der I-GmbH angemeldete und an das Finanzamt A abgeführte Lohnsteuer zu Recht insgesamt als steuerbaren, im Streitjahr zugeflossenen Arbeitslohn des Klägers beurteilt. |
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1. Das FG hat zunächst zutreffend die Klage insoweit als zulässig erachtet, als die Kläger im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2001 die Berücksichtigung weiterer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit begehren. |
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a) Die Klage zielt zwar auf eine Besserstellung gegenüber dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid im Anrechnungsverfahren. Mit diesem Ziel ist sie grundsätzlich unzulässig. Die Anrechnung ist Teil des Steuererhebungsverfahrens und wird durch einen selbständigen Verwaltungsakt –durch Anrechnungsverfügung oder Abrechnungsbescheid– herbeigeführt (ständige Rechtsprechung, vgl. bereits Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl II 1995, 362, m.w.N.). Unzulässig –mangels einer objektiven Beschwer– ist eine Klage auch dann, wenn sie auf die Festsetzung einer höheren Einkommensteuer zielt. Maßgebend für die objektive Klagebefugnis i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ist bei Steuerbescheiden die in dem Ausspruch enthaltene Steuerfestsetzung (BFH-Urteil vom 15. Februar 2001 III R 10/99, BFH/NV 2001, 1125). Die Beschwer durch einen Steuerbescheid ergibt sich grundsätzlich aus der Steuerfestsetzung. Eine auf 0 DM bzw. 0 EUR lautende Steuerfestsetzung belastet den Steuerpflichtigen regelmäßig nicht. Aus § 157 der Abgabenordnung (AO) folgt vielmehr die Regel, dass eine Rechtsverletzung nur wegen einer zu hohen Steuerfestsetzung geltend gemacht werden kann. Deshalb ist eine Anfechtungsklage gegen einen Einkommensteuerbescheid, in dem die Steuerschuld –wie im Streitfall– auf 0 DM bzw. 0 EUR festgesetzt worden ist, im Allgemeinen unzulässig (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2001, 1125; vom 17. Februar 1998 VIII R 21/95, BFH/NV 1998, 1356, und vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91, m.w.N.). |
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b) Gleichwohl ist die Klage im Streitfall in dem vom FG erkannten Umfang zulässig. Auch eine zu niedrige Steuerfestsetzung kann eine Beschwer auslösen, wenn die Festsetzung sich in bindender Weise auf einem anderen rechtlichen Gebiet ungünstig auswirkt, weil der Regelungsgehalt des Steuerbescheids ausnahmsweise über die bloße Steuerfestsetzung hinausreicht (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 40 Rz 87). Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird auf die Einkommensteuer die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer angerechnet, soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte entfällt und nicht die Erstattung beantragt oder durchgeführt worden ist. Die Vorschrift stellt damit eine inhaltliche Verknüpfung zwischen Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren her, indem die im Wege des Steuerabzugs erhobene Einkommensteuer nur angerechnet wird, "soweit sie auf die bei der Veranlagung erfassten Einkünfte … entfällt". Die begehrte höhere Anrechnung von Lohnsteuerabzugsbeträgen ist deshalb nur möglich, wenn zunächst die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vollständig in die Veranlagung einbezogen werden. Der BFH hat aus diesem Grunde die Anfechtung des Einkommensteuerbescheids mit dem Ziel der Anrechnung höherer Lohnsteuerabzugsbeträge als zulässig angesehen (BFH-Urteile vom 8. November 1985 VI R 238/80, BFHE 145, 198, BStBl II 1986, 186; vom 13. November 1987 VI R 4/84, BFH/NV 1988, 566; vom 16. März 1990 VI R 90/86, BFHE 160, 213, BStBl II 1990, 610). |
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2. Das FG hat weiter den Bruttoarbeitslohn des Klägers im Streitjahr zu Recht auf insgesamt 35 908,31 DM beziffert. |
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a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zum Arbeitslohn alle Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumte geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26. Juli 2006 VI R 49/02, BFHE 214, 373, BStBl II 2006, 917; vom 15. März 2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133, und vom 13. September 2007 VI R 54/03, BFHE 219, 49, BStBl II 2008, 58; jeweils m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). |
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b) Auch die vorliegend allein streitige Lohnsteuer, die die I-GmbH für März bis Dezember 2001 einbehalten und unstreitig an das Finanzamt A abgeführt hat, ist als ein solcher steuerbarer Vorteil des Klägers ungeachtet dessen anzusehen, dass dem Kläger die Nettobezüge für die Monate März bis Dezember 2001 nicht zugeflossen sind. Dies hat das FG unangefochten und damit in revisionsrechtlich bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt. Auch der Teil des Arbeitsentgelts, den der Arbeitgeber im Rahmen des Lohnsteuerabzugs einbehält und für den Arbeitnehmer an die Finanzbehörde abführt, ist Teil des steuerbaren und steuerpflichtigen Arbeitslohns (so bereits BFH-Urteil vom 24. November 1961 VI 88/61 U, BFHE 74, 246, BStBl III 1962, 93). Durch den Lohnsteuerabzug erlangt der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Erstattung oder Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer. Zahlt der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt und entrichtet gleichwohl –zu Unrecht– Lohnsteuer, so erlangt der Arbeitnehmer einen Vorteil i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn ihm diese Lohnsteuer tatsächlich erstattet oder angerechnet wird. Trotz fehlender Gehaltszahlung führt dann die entrichtete Lohnsteuer selbst zu Arbeitslohn. |
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aa) Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben, soweit dieser –wie im Streitfall– von einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird. Der Arbeitgeber ist u.a. zur Abführung der Lohnsteuer verpflichtet (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Er handelt hierbei aber für Rechnung des Arbeitnehmers, der Schuldner der Lohnsteuer ist (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die auf diese Weise erhobene Steuer wird bei der Veranlagung des Arbeitnehmers auf dessen Einkommensteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). |
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Die hiernach vorgesehene Anrechnung eines vom Arbeitgeber abgeführten Lohnsteuerbetrags hängt nicht davon ab, ob die Lohnsteuer tatsächlich geschuldet wurde und der Arbeitgeber zur Abführung verpflichtet war. Vielmehr steht ein etwaiger Erstattungsanspruch in aller Regel auch dann dem Arbeitnehmer und nicht dem Arbeitgeber zu, wenn die Lohnsteuer zu Unrecht einbehalten und abgeführt worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 19. Dezember 1960 VI 92/60 U, BFHE 72, 465, BStBl III 1961, 170; in BFHE 74, 246, BStBl III 1962, 93; vom 23. Mai 2000 VII R 3/00, BFHE 192, 398, BStBl II 2000, 581, und vom 29. November 2000 I R 102/99, BFHE 194, 69, BStBl II 2001, 195, sowie BFH-Beschluss vom 17. Mai 2001 X B 69/00, BFH/NV 2001, 1521). Dem entspricht § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach demjenigen ein Anspruch auf Rückzahlung eines zu Unrecht geleisteten Betrags zusteht, für dessen Rechnung die betreffende Leistung erfolgt ist. Denn auch dann, wenn der Arbeitgeber eine nicht geschuldete Lohnsteuer abführt, leistet er sowohl aus seiner eigenen Sicht als auch aus derjenigen der Finanzbehörde für Rechnung des Arbeitnehmers; die Zahlung stellt sich also in dieser Situation für den Leistenden wie für den Empfänger als Leistung des Arbeitnehmers dar (BFH-Urteil in BFHE 194, 69, BStBl II 2001, 195). Deshalb ist die nicht geschuldete und mithin zu Unrecht an das Finanzamt A abgeführte Lohnsteuer nur auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers anzurechnen, nicht aber –wie vom FA vertreten– dem Arbeitgeber zu erstatten (BFH-Urteile in BFHE 72, 465, BStBl III 1961, 170; in BFHE 192, 398, BStBl II 2000, 581, und in BFHE 194, 69, BStBl II 2001, 195, sowie BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1521). |
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Wird die Lohnsteuer auf die Einkommensteuer des Arbeitnehmers angerechnet, so führt trotz fehlender Gehaltszahlung die Lohnsteuer selbst in voller Höhe zu einem Vorteil i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. |
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Dementsprechend begründen die Lohnsteuerzahlungen der I-GmbH für März bis Dezember 2001 in Höhe von 12 211,52 DM nebst 671,55 DM Solidaritätszuschlag steuerbare Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. |
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bb) Allerdings hat der BFH mit Urteil in BFHE 74, 246, BStBl III 1962, 93 entschieden, dass die abgeführte Lohnsteuer kein Arbeitslohn ist, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer –wie im Streitfall– kein Gehalt zahlt und den Lohnsteuerabzug versehentlich durchgeführt hat. In einem solchen Fall stehe, weil kein Lohn gezahlt wurde und gezahlt werden sollte, allein die grundlose Steuerzahlung im Spiel. Deshalb sei nicht der Arbeitnehmer, sondern der Arbeitgeber steuererstattungsberechtigt. Es wäre eine der gegebenen Interessenlage widersprechende Entscheidung, wolle man den durch die Lohnsteuerzahlung allenfalls buchmäßig, tatsächlich aber gar nicht belasteten Arbeitnehmer als Erstattungsberechtigten ansehen und nicht den Arbeitgeber, der die Lohnsteuer ohne Einbehaltung auf ein auszuzahlendes Gehalt ohne Grund irrtümlich bezahlt habe. |
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An der im BFH-Urteil in BFHE 74, 246, BStBl III 1962, 93 geäußerten Rechtsauffassung hält der Senat jedenfalls für den Fall, dass der Lohnsteuerabzug nicht mehr geändert werden kann (§ 41c Abs. 3 EStG), nicht länger fest. |
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Ist Lohnsteuer –zu Recht oder zu Unrecht– angemeldet und abgeführt worden, ist die Lohnsteueranmeldung als Verwaltungsakt (§ 168 Satz 1 AO; BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 VI R 171/00, BFHE 206, 562, BStBl II 2004, 1087) solange für die Finanzbehörde der Grund für das Behaltendürfen der angemeldeten Lohnsteuer, wie die Anmeldung nicht geändert wird. Wird der Lohnsteuerabzug des Kalenderjahres mit Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung abgeschlossen, kann er nach § 41c Abs. 3 Satz 1 EStG nicht mehr geändert werden (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 VI R 57/04, BFHE 220, 124, BStBl II 2008, 434). Damit steht endgültig fest, dass die Lohnsteuer verfahrensrechtlich nicht ohne rechtlichen Grund (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO) gezahlt worden ist und jedenfalls dem Arbeitgeber kein Erstattungsanspruch zusteht. Eine Korrektur kann jetzt nur noch über die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers erfolgen, bei der dem Arbeitnehmer nicht die ohne rechtlichen Grund entrichtete Lohnsteuer nach § 37 Abs. 2 AO erstattet, sondern die abgeführte Lohnsteuer angerechnet wird. |
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Zugleich ist aber die angerechnete Lohnsteuer als Arbeitslohn zu behandeln, denn der Arbeitnehmer erlangt –wie zuvor ausgeführt– mit ihrer Anrechnung einen Vorteil i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Ob negativer Arbeitslohn vorliegt, wenn der Arbeitnehmer die ohne Gehaltszahlung abgeführte Lohnsteuer aus zivilrechtlichen Gründen später dem Arbeitgeber zu erstatten hat, braucht der Senat im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. |
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