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II. Der Senat lässt offen, ob die Klägerin die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt hat, denn jedenfalls hat die Beschwerde keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen. |
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1. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Einer Rechtsfrage kommt nur dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie unter anderem klärungsbedürftig ist (vgl. Entscheidungen des BFH vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760, und vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, m.w.N.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231, und vom 31. Mai 2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461). |
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a) Im Streitfall hat das FG zu Recht geurteilt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Auslieferung der streitgegenständlichen Feinschnittsteuerzeichen zustand. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das HZA sowie das BMF den Bezug von Steuerzeichen nicht vollständig untersagt haben. Wie die Klägerin selbst vorträgt, erfolgte lediglich eine bedarfsorientierte Kontingentierung, wobei die der Klägerin als Inhaberin eines Herstellungsbetriebes zugestandene Menge an Feinschnittsteuerzeichen individuell anhand der in den Monaten Januar bis Oktober 2005 durchschnittlich bezogenen Steuerzeichen ermittelt wurde. |
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b) Mit Verkündung des EuGH-Urteils in EuGHE 2005, I-9739 am 10. November 2005 stand fest, dass die deutsche Besteuerungspraxis, vorportionierten Feinschnitt zum Steuersatz für Feinschnitt zu besteuern, den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben widersprach und somit eine Vertragsverletzung darstellte. Zwar gibt Art. 228 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) keine Frist an, innerhalb derer ein Mitgliedstaat die sich aus einem Urteil des EuGH ergebenden Maßnahmen zu ergreifen hat, doch hat der EuGH wiederholt darauf hingewiesen, dass das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts verlangt, dass die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen sofort in Angriff genommen werden und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen sein muss (EuGH-Urteil vom 4. Juli 2000 Rs. C-387/97, EuGHE 2000, I-5047 Rz 82, m.w.N.). Diese Verpflichtung gilt sowohl für die Verwaltung als auch für die Gerichte. Selbst auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie den Grundsatz "pacta sunt servanda" kann sich ein Mitgliedstaat nicht berufen, um die Nichtbefolgung eines eine Vertragsverletzung nach Art. 226 EG feststellenden Urteils zu rechtfertigen und sich dadurch seiner gemeinschaftsrechtlichen Verantwortung zu entziehen (EuGH-Urteil vom 18. Juli 2007 Rs. C-503/04, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht –ZIP– 2008, 474). Auch kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände seiner internen Rechtsordnung, wie etwa rechtliche Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der geforderten Maßnahmen, berufen, um die Nichteinhaltung der aus dem EuGH-Urteil folgenden Verpflichtung zu rechtfertigen (EuGH-Urteil in ZIP 2008, 474, m.w.N.). Daher ist ein unverzügliches Handeln geboten, will der verurteilte Mitgliedstaat die Verhängung eines Zwangsgeldes, das ein beträchtliches Ausmaß annehmen kann, verhindern (vgl. hierzu zuletzt EuGH-Urteil vom 10. Januar 2008 Rs. C-70/06, noch nicht veröffentlicht). |
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c) Aus diesen Ausführungen erhellt, dass die Bundesrepublik Deutschland gehalten war, die gemeinschaftsrechtswidrige Besteuerungspraxis unverzüglich aufzugeben. Eine Änderung des TabStG und ein dadurch bedingtes Gesetzgebungsverfahren waren hierzu nicht erforderlich. Vielmehr reichten die Einstufung des in Form von sog. Sticks vertriebenen vorportionierten Feinschnitts als Zigarette und eine entsprechende Besteuerung dieses Produkts aus, um dem Urteil des EuGH Folge zu leisten. Bereits fünf Tage nach Verkündung des EuGH-Urteils teilte das HZA den Beziehern von Steuerzeichen und somit auch der Klägerin in einem Rundschreiben mit, dass für den Bezug von Feinschnittsteuerzeichen eine Übergangsfrist bis zum 31. März 2006 gewährt wird. Dabei ist die Annahme gerechtfertigt, dass diese Übergangsregelung den üblicherweise zu erwartenden Bedarf an Feinschnittsteuerzeichen im Übergangszeitraum abdecken sollte und dass das HZA sowie das BMF nicht von einer wesentlichen Ausweitung der Produktion von Feinschnittzigaretten ausgingen. Denn eine Ausweitung der Produktion und damit eine verstärkte Fortsetzung der als gemeinschaftsrechtswidrig erkannten Besteuerungspraxis hätten zu einer Intensivierung der vom EuGH festgestellten Vertragsverletzung geführt und die Gefahr einer erneuten Intervention der Europäischen Kommission und einer Zwangsgeldverhängung erhöht. |
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d) Der Streitfall gibt keinen Anlass darüber zu befinden, ob eine Übergangsfrist von mehr als vier Monaten ab Verkündung des EuGH-Urteils geboten und unter Vertrauensschutzgesichtspunkten überhaupt erforderlich war. Jedenfalls konnte die Klägerin in Anbetracht der gegebenen Sach- und Rechtslage der Formulierung in dem Rundschreiben vom 15. November 2005, dass bis längstens 31. März 2006 die Produktion von vorportioniertem Feinschnitt unter Verwendung von Feinschnittsteuerzeichen fortgesetzt werden könne, nicht entnehmen, dass das HZA einer erheblichen Ausweitung der Produktion und einem mengenmäßig unbeschränkten Bezug von Feinschnittsteuerzeichen zustimmen würde. Das Schreiben lässt vielmehr auch die vom FG vertretene Auslegung zu, dass sich die Zusage auf die gegenwärtige Produktion bezog und dass nur in diesem Rahmen der weitere Bezug von Feinschnittsteuerzeichen ermöglicht werden sollte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission in der mit der Zigarettenherstellung befassten Branche bekannt war. Seit Klageerhebung und deren Veröffentlichung im ABlEU am 26. Juni 2004 mussten die Hersteller von Steckzigaretten damit rechnen, dass der EuGH die von der deutschen Finanzverwaltung vertretene Auslegung des Gemeinschaftsrechts missbilligen würde. Auch die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 14. Juli 2005 (EuGHE 2005, I-9739) vermochten die Tabakindustrie –und somit auch die Klägerin– nicht in dem Vertrauen zu bestärken, die Besteuerung von Steckzigaretten zum Feinschnittsteuersatz auf unbestimmte Zeit fortsetzen zu können. |
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Im Streitfall hat die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen erst nach Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens die Entscheidung getroffen, ihre Produktion durch Anschaffung weiterer Produktionsmaschinen zu verdoppeln. Mit dieser Entscheidung ist sie ein beträchtliches unternehmerisches Risiko eingegangen, das allein sie zu tragen hat. Tatsächlich hat die Klägerin erst im September 2005 –nach Veröffentlichung der Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs– eine weitere Maschine eingesetzt und die Produktion entsprechend ausgeweitet. Zu Recht hat das FG darauf hingewiesen, dass die Klägerin nicht darauf habe vertrauen können, dass der EuGH die Wirkungen seines Urteils einschränken und für eine Übergangszeit die Fortsetzung der gemeinschaftswidrigen Besteuerungspraxis ermöglichen würde. |
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e) Bei dieser Sachlage bestand nach Auffassung des Senats nach Verkündung des EuGH-Urteils keine Pflicht der Finanzverwaltung mehr zur uneingeschränkten Fortsetzung der Belieferung der Tabakwarenherstellungsbetriebe mit Feinschnitt-Steuerzeichen. Dies gilt auch für die streitgegenständliche Steueranmeldung vom 29. Dezember 2005, mit der die Klägerin die Lieferung von insgesamt 130 000 Bogen Feinschnitt-Steuerzeichen begehrte. Bereits zu diesem Zeitpunkt hätte für die Finanzverwaltung Anlass bestanden, die Fortsetzung der gemeinschaftswidrigen Besteuerungspraxis einzustellen. Die Gewährung einer Übergangszeit ist als Entgegenkommen der Finanzverwaltung zu werten, wobei offenbleiben kann, ob diese Maßnahme auf Billigkeit beruht, wie das FG angenommen hat. Jedenfalls konnte die Auslieferung der Steuerzeichen während dieses Zeitraums auf das notwendige und vertretbare Maß beschränkt werden. Die Reduzierung der bestellten Menge um insgesamt 18 500 Bogen ist nach nachvollziehbaren und nicht als willkürlich einzustufenden Kriterien erfolgt und in Anbetracht der bestellten Gesamtmenge von 130 000 Bogen auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. |
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2. Soweit sich die Beschwerde auf die Weigerung des HZA bezieht, für sog. ECO-Zigaretten, die ab dem 1. Januar 2008 als Zigaretten zu versteuern sind, Steuerzeichen zum Feinschnittsteuersatz zu liefern, so war dies nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids und daher hier nicht weiter zu erörtern. |
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3. Schließlich vermag auch die Behauptung, dass das FG die Übergangsregelung unzutreffend als verbindliche Zusage gemäß § 207 Abs. 2 AO eingestuft habe, nicht zur Zulassung der Revision zu führen. Denn etwaige Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 24 und § 116 Rz 34, jeweils m.w.N.). |
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