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I. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der als ehemaliger Geschäftsführer und Liquidator einer GmbH für deren Steuerschulden in Haftung genommen wurde, wendet sich gegen die Berücksichtigung der den Gläubigerbanken in der Liquidierungsphase zugeflossenen Erlöse aus der Verwertung von Immobilien bei der Berechnung der Haftungsquote. Mit der Anschlussrevision hat der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) zunächst geltend gemacht, das Gericht habe den Umfang der Drittwirkung der Steuerfestsetzung gegenüber der GmbH für den Haftungsbescheid (§ 166 der Abgabenordnung –AO–) verkannt. Die Anschlussrevision ist in der mündlichen Verhandlung nach einem Hinweis des Senats auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. April 2015 XI R 43/11 (BFHE 249, 315, BStBl II 2015, 755) zurückgenommen worden. |
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Die Anteile an der GmbH, die Immobilien kaufte, errichtete, verwaltete, vermietete und verkaufte, wurden je zur Hälfte von A und der Ehefrau des Klägers gehalten. Geschäftsführer bzw. Liquidatoren waren von 1994 bis August 2009 A und der Kläger, danach –bis zur Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit 2013– der Kläger allein. Ein 2009 gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt. |
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Nachdem ab August 2009 einigen Banken Erlöse aus der Veräußerung von Eigentumswohnungen der GmbH zugeflossen waren, erließ das FA gegenüber A und dem Kläger je zwei Haftungsbescheide, die es mit Einspruchsentscheidungen vom 29. Juni 2010 zusammenfasste und bestätigte. |
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Der Kläger wurde wegen von der GmbH nicht abgeführter Lohnsteuer für die Anmeldungszeiträume November 2008 bis Januar 2010 (nebst Solidaritätszuschlägen, Kirchenlohnsteuer, Säumnis- und Verspätungszuschlägen) in Höhe von … EUR in Haftung genommen und wegen Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer u.a. in Höhe von … EUR. Für den letztgenannten Haftungsbescheid legte das FA als Haftungszeitraum die Zeit von November 2008 bis März 2010 und eine geschätzte Haftungsquote von 75 % der ausstehenden Beträge zugrunde. |
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A wurde wegen Lohnsteuer u.a. für die Anmeldungszeiträume November 2008 bis Juli 2009 über einen Betrag von insgesamt … EUR und wegen Umsatzsteuer u.a. über einen Betrag von insgesamt … EUR in Haftung genommen. In Bezug auf die Haftung wegen Umsatzsteuer u.a. legte das FA als Haftungszeitraum die Zeit vom … November 2008 bis … August 2009 und ebenfalls eine geschätzte Haftungsquote von 75 % zugrunde. |
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Die unterschiedlichen Beträge beruhten darauf, dass A im August 2009 aus der Geschäftsführung der GmbH ausgeschieden, der Kläger hingegen noch bis Januar 2013 tätig war. |
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Sowohl der Kläger als auch A, der während des Revisionsverfahrens verstarb, haben Klage erhoben. |
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Das Finanzgericht (FG) urteilte, die gegenüber dem Kläger ergangenen Bescheide seien insoweit aufzuheben, als der Haftungsbescheid für Lohnsteuer u.a. einen … EUR und der Haftungsbescheid für Umsatzsteuer u.a. einen … EUR übersteigenden Haftungsbetrag ausweise. |
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Das FA habe den Kläger in seiner Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter der GmbH dem Grunde nach zu Recht gemäß § 69 Satz 1, § 34 i.V.m. § 191 AO in Haftung genommen, weil er die ihm obliegende Pflicht zur Steuerzahlung aus den von ihm verwalteten Mitteln der GmbH verletzt und nicht dafür gesorgt habe, dass die Unternehmenssteuern entsprechend dem "Grundsatz der anteiligen Tilgung" in gleichem Umfang getilgt wurden, wie die Verbindlichkeiten gegenüber privaten Dritten. Die Berechnung der Tilgungsquote sei –anders als der Kläger meine– nicht jeweils gesondert für verschiedene Geschäftsbereiche des Unternehmens vorzunehmen. |
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Jedoch sei die Haftung zu begrenzen: |
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Da nach seiner (des FG) Überzeugung letztmalig im November 2008 zwei Arbeitnehmern und im Dezember 2008 einer Arbeitnehmerin Lohn und Geschäftsführergehälter nicht mehr gezahlt worden seien, sei nur hinsichtlich eines Betrags von … EUR von einer Voll-Haftung des Klägers für Lohnsteuer u.a. auszugehen. Die Festsetzungen für November 2008 bis Mai 2009 in Höhe von insgesamt … EUR, für die der Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 5. Oktober 2009 aufgehoben worden sei, entfalteten gegenüber dem Kläger gemäß § 166 AO Drittwirkung. Da jedoch eigentlich nur … EUR Lohnsteuer u.a. abzuführen gewesen wären, sei hinsichtlich des überschießenden Betrags der Grundsatz der anteiligen Tilgung anzuwenden, weshalb der Kläger hinsichtlich eines Betrags von … EUR nur quotal hafte (insoweit wurde keine Anschlussrevision des FA eingelegt). Hinsichtlich der im Haftungsbescheid für die Monate Juni 2009 bis Januar 2010 angesetzten Lohnsteuer-Beträge in Höhe von … EUR stünden die Festsetzungen mangels Abgabe von Lohnsteuer-Anmeldungen und mangels Anzeige der GmbH nach § 41a Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes gemäß § 168 Satz 1, § 164 Abs. 4 Satz 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2, § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO im Zeitpunkt seiner (des FG) Entscheidung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, weshalb insoweit nicht von einer Bindung und mangels Lohnzahlung nicht von einer Haftung auszugehen sei (insoweit wurde die Anschlussrevision zurückgenommen). Deshalb sei auch eine Haftungsinanspruchnahme für die auf die Anmeldungszeiträume Juni 2009 bis Januar 2010 entfallenden Verspätungszuschläge nicht ermessensgerecht. |
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Die vom FA zugrunde gelegte Summe der Körperschaftsteuer- und Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten sei zu vermindern (dies ist nicht mehr im Streit). |
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Die sich aus dem Grundsatz der anteiligen Tilgung ergebende Haftungsquote betrage 65 % der Steuerverbindlichkeiten. Die GmbH sei im Haftungszeitraum mit Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt ca. … EUR belastet gewesen. Hiervon seien insgesamt ca. … EUR getilgt worden, darunter rd. … EUR, die nach März 2010 aus dem Verkauf von Eigentumswohnungen unmittelbar an Banken geflossen seien. Für die Tilgungen hätten der GmbH neben dem Erlös aus dem Verkauf von Eigentumswohnungen u.a. in der Zeit von November 2008 bis April 2009 ca. … EUR aus Darlehensauszahlungen, aus Mieteinnahmen und aus Einlagen ihrer Gesellschafter zur Verfügung gestanden. |
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Hieraus ergebe sich eine Haftungsquote von 65 %. Bei Anwendung dieser Quote hätten die im Haftungszeitraum zu tilgenden Steuerbeträge in Höhe von … EUR getilgt werden müssen; nach Abzug der von der GmbH durch Umbuchungen geleisteten Tilgungen in Höhe von … EUR verbleibe ein Haftungsbetrag von … EUR. Dieser Betrag entspreche 62,74 % der nicht getilgten Steuerverbindlichkeiten in Höhe von … EUR; er entfalle zu … EUR auf Umsatzsteuer u.a. und zu … EUR auf Lohnsteuer u.a. |
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Die Haftung für die Lohnsteuer u.a. sei hiernach herabzusetzen. |
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Mit der Revision räumt der Kläger zwar eine schuldhafte Pflichtverletzung hinsichtlich der nicht bzw. nicht rechtzeitigen Festsetzung und Erfüllung von Ansprüchen aus Steuerschuldverhältnissen der GmbH ein, bestreitet jedoch eine Haftung in Höhe einer unter Berücksichtigung von Tilgungsleistungen zugunsten privater Gläubiger errechneten Quote. Als die GmbH die Sicherungsrechte begründet habe, die letztlich die (anteilige) Tilgung der Steuerschulden verhindert hätten, seien die Umsatzsteuer-Forderungen noch nicht absehbar gewesen, weil die GmbH zunächst nur umsatzsteuerfreie Grundstücksgeschäfte getätigt habe und in diesem Zusammenhang den finanzierenden Banken die streitgegenständlichen Grundpfandrechte bestellt und Sicherheiten gewährt habe. Im Übrigen habe die GmbH über die Tilgungsleistungen nicht verfügen können, da sie nicht über die Konten der GmbH geflossen bzw. aufgrund der privaten Gläubigern bestellten Sicherheiten von diesen vereinnahmt worden seien. |
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, dass sich die Revision nicht gegen die Lohnsteuer-Haftung richtet und beantragt, das Urteil und den Haftungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die Haftung für Umsatzsteuer u.a., die im Urteil auf … EUR festgesetzt wurde, aufgehoben wird. |
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Nach Rücknahme der Anschlussrevision beantragt das FA, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. |
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