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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hat vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt –HZA–) für gefrorenes Rindfleisch vorschussweise Ausfuhrerstattung erhalten. Sie hatte das Rindfleisch von einer in Belgien ansässigen Firma gekauft und im Juni 1997 in Deutschland zur Ausfuhr angemeldet. Zu diesem Zeitpunkt bestand aufgrund der Entscheidung der Kommission vom 27. März 1996 mit den zum Schutz gegen die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) zu treffenden Dringlichkeitsmaßnahmen –96/239/EG– (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften –ABlEG– Nr. L 78/47; geändert: ABlEG Nr. L 139/17) ein Verbot, u.a. Rinder aus dem Vereinigten Königreich und im Vereinigten Königreich erschlachtetes Rindfleisch nach anderen Mitgliedstaaten zu versenden oder in Drittländer auszuführen. |
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Ob das von der Klägerin ausgeführte Rindfleisch unter dieses Verbot fiel, ist offen. Die Klägerin hat bei der Ausfuhranmeldung in Belgien ausgestellte Genusstauglichkeitsbescheinigungen und ein belgisches Veterinärzertifikat vorgelegt. Die vorgelegten Ursprungszeugnisse nennen einen belgischen Zerlegebetrieb als Absender der Ware, eines die Europäische Gemeinschaft als Ursprungsland. Eine weiterhin von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung des belgischen Veterinärs erklärt, dass das Fleisch nicht von in dem Vereinigten Königreich oder in einem anderen Land, in dem die Viehseuche BSE aufgetreten ist, gehaltenen Rindern stammt. |
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Bei der Ausfuhrabfertigung ist der Warensendung eine Probe entnommen worden, deren Untersuchung durch die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) keine Beanstandungen ergab; insbesondere bestätigte die ZPLA die gesunde und handelsübliche Qualität der Ware. Spätere Nachforschungen der Europäischen Kommission haben jedoch beim HZA Zweifel erweckt, ob es sich um Fleisch belgischen Ursprungs und nicht vielmehr aus dem Vereinigten Königreich stammendes Rindfleisch handele. Das HZA hat aufgrund dieser Zweifel mit dem angefochtenen Änderungsbescheid den der Klägerin gewährten Vorschuss auf die Ausfuhrerstattung, erhöht um 15 %, zurückgefordert. |
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Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es urteilte, die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausfuhrerstattung lägen nicht vor; denn die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das von ihr ausgeführte Rindfleisch von handelsüblicher Qualität gewesen sei. Sie habe bestehende Zweifel, ob das Fleisch unter das Ausfuhrverbot gemäß der Entscheidung 96/239/EG falle, nicht beseitigen können. Ware, die unter dieses Ausfuhrverbot falle, entspreche nicht handelsüblicher Qualität. Für diese habe die Klägerin jedoch gemäß § 16 der Ausfuhrerstattungsverordnung (BGBl I 1996, 766) sowie § 11 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (BGBl I 1986, 1397) den Nachweis zu führen. |
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Durch die vorliegenden Bescheinigungen werde dieser Nachweis nicht erbracht. Vielmehr begründeten im Zusammenhang mit Untersuchungen bei der Firma X, die in den Ursprungsbescheinigungen als Zerlegebetrieb genannt ist, getroffene Feststellungen den erheblichen Verdacht, dass die Ware dem vorgenannten Ausfuhrverbot unterlag. Die Ware sei über die Firma Y von jener Firma geliefert worden. Folglich beträfen Zweifel an der Zuverlässigkeit jener Firma auch die von der Klägerin ausgeführte Ware, selbst wenn Feststellungen zu der in diesem Verfahren in Rede stehenden Lieferung nicht getroffen worden seien. Der gegenüber der Firma ausgesprochene Entzug der Zulassung als Zerlegebetrieb in unmittelbarer zeitlicher Folge zu den strittigen Ausfuhren belege die erheblichen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Firma. Schon allein die festgestellten herausgeschnittenen Stempelabdrücke legten den erheblichen Verdacht betrügerischer Manipulationen in dem Betrieb der Firma nahe. Die Feststellung, dass Veterinärbescheinigungen ausgestellt wurden, ohne dass die betreffende Ware vorlag, rechtfertige es, Zweifel auch an der Aussagekraft der Veterinärbescheinigungen und der Genusstauglichkeitsbescheinigungen anzumelden. Der Verdacht, dass durch die Manipulationen entgegen dem Ausfuhrverbot aus dem Vereinigten Königreich erfolgte Importe verschleiert werden sollten, dränge sich spätestens aufgrund der Mitteilung der Task-Force "Koordinierung der Betrugsbekämpfung" der Europäischen Kommission vom 29. Oktober 1998 auf, wonach die vorgenannte Firma Rindfleisch in den Verkehr gebracht habe, das entgegen dem Verbringungsverbot aus dem Vereinigten Königreich stammte. |
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Klägerin, die sich im Wesentlichen auf folgende Überlegungen stützt: |
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Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 1. Dezember 2005 Rs. C-309/04 (EuGHE 2005, I-10349) sei die gesunde und handelsübliche Qualität der Ausfuhrware eine materielle Voraussetzung für die Gewährung von Erstattungen, deren Vorliegen nach den nationalen Beweisregeln nachzuweisen sei, falls die nationalen Behörden im Hinblick auf die Ausfuhranmeldung Zweifel äußerten. Nach der Systematik des Erstattungsrechts, so meint die Klägerin, müssten diese Zweifel jedoch bei der Prüfung der Ausfuhranmeldung durch die Ausfuhrzollstelle geäußert werden. An diese Erkenntnis knüpften die Beschaffenheitsfiktionen des Art. 70 Abs. 1 und Art. 71 Abs. 2 des Zollkodex (ZK) an. An die Widerlegung der dort geregelten Fiktionen seien strenge Anforderungen zu stellen, wie sich auch aus Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) ergebe, der "Beweise" verlange, dass das Erstattungserzeugnis an einem Mangel leide und vor Erfüllung der Zollförmlichkeiten in einem Drittland nicht mehr von gesunder und handelsüblicher Qualität gewesen sei. Aus diesem Regelungszusammenhang folge, dass der Ausführer grundsätzlich nur dann verpflichtet sei, den erstattungsrechtlichen Qualitätsnachweis zu erbringen, wenn die Ausfuhrstelle im Rahmen des Ausfuhrverfahrens Zweifel an der gesunden und handelsüblichen Qualität äußere. Dass sei auch gerecht und angemessen, weil der Ausführer nach der Ausfuhr diesen Nachweis regelmäßig nicht mehr führen könne. |
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Im Streitfall seien indes von der Ausfuhrzollstelle keine Zweifel hinsichtlich der gesunden und handelsüblichen Qualität des Fleisches geäußert worden. |
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Allerdings teile der EuGH diese Rechtsauffassung offensichtlich nicht, wie sich aus seinem Urteil in EuGHE 2005, I-10349 ergebe. Das möge daran liegen, dass die Kammern des EuGH die Rechtslage nicht erkannt hätten, wie sich auch aus der Fehleinschätzung des Urteils ergebe, dass sich die Prüfung, ob das Erstattungserzeugnis aus dem Vereinigten Königreich stamme, auf eine rechtliche Eigenschaft des Erzeugnisses beziehe, die mit einer Warenkontrolle nicht festgestellt werden könne. |
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Eine andere Erklärung für die Rechtsauslegung des EuGH sei, dass dieser sich an das erstattungsrechtliche Regelwerk deshalb nicht gehalten habe, weil es in dem Kontext von BSE außer Kraft zu setzen sei. |
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Ferner beruft sich die Klägerin darauf, dass der EuGH eine Prüfung der –vom Ausführer stillschweigend versicherten– handelsüblichen Qualität der Ausfuhrware nur unter der Voraussetzung verlange, dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass das Erzeugnis einem Ausfuhrverbot unterliege. Diese Anhaltspunkte müssten konkret sein. Das Verlangen, einen Nachweis zu führen, dass die Erstattungsware einem Ausfuhrverbot nicht unterliege, stehe ohnehin hart an der Grenze der Rechtsstaatlichkeit und der Kalkulationssicherheit. Die Anhaltspunkte dürften sich also nicht in allgemeinen Verdachtsmomenten erschöpfen. Das folge letztlich auch aus dem Nämlichkeitsprinzip und der Erkenntnis, dass das Erfordernis einer gesunden und handelsüblichen Qualität dem Ausführer keine Gefährdungshaftung zumuten wolle. Konkrete, auf die ausgeführte Ware bezogene Anhaltspunkte dafür, dass das Fleisch dem BSE-Verbringungsverbot unterlegen habe, gebe es jedoch nicht. Es gebe einen einzigen Anhaltspunkt dafür, dass das Fleisch dem Ausfuhrverbot unterlegen haben könnte; dieser bestehe darin, dass das Fleisch zum Teil aus dem Zerlegebetrieb X stamme, bei dem von der Europäischen Kommission diverse Verstöße gegen die in der Gemeinschaft geltenden Veterinärbestimmungen festgestellt worden seien. Ein solcher allgemeiner Anhaltspunkt reiche jedoch nicht aus. Auch aus dem Umstand, dass der Vorlieferant der Klägerin unredlich gewesen sei, folge nicht die mangelnde handelsübliche Qualität der Ware. Denn ein solcher Schluss sei auch unter dem Aspekt des Nämlichkeitsprinzips unzulässig; wäre eine solche Schlussfolgerung statthaft, wäre die Redlichkeit des Vorlieferanten eine objektive Erstattungsvoraussetzung. |
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Im Übrigen sieht die Klägerin einen maßgeblichen Unterschied in der Beurteilung der Streitsache gegenüber dem dem Urteil des EuGH in EuGHE 2005, I-10349 zugrunde liegenden Fall darin begründet, dass die Ausfuhrware bei der Ausfuhr beschaut und eine Probe untersucht worden sei, ohne dass die Qualität beanstandet worden sei. Dadurch sei gemäß Art. 70 Abs. 1 ZK die Fiktion der handelsüblichen Qualität der gesamten Ausfuhrware ausgelöst worden. Hingegen beruhe das EuGH-Urteil in EuGHE 2005, I-10349 wesentlich darauf, dass das Fleisch bei der Ausfuhr physisch nicht kontrolliert worden sei, wodurch die im Zusammenhang mit BSE gesteigerte Pflicht der Zollbehörde zur Prüfung der Voraussetzungen der Erstattung verletzt worden sei. |
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Änderungsbescheid des HZA in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben. |
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Das HZA beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen. |
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Es ist der Ansicht, dass aus dem EuGH-Urteil in EuGHE 2005, I-10349 zu folgern sei, dass die Beschaffenheitsvermutung des Art. 70 ZK nicht für den Nachweis des Gemeinschaftsursprungs sowie der gesunden und handelsüblichen Qualität von Erzeugnissen gelte, die einem gemeinschaftsrechtlich festgelegten Verbringungsverbot unterlägen. Diese Erstattungsvoraussetzungen könnten erst später, z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung, überprüft werden. Die Prüfung beziehe sich insoweit auf eine rechtliche Eigenschaft der Erzeugnisse, die mit einer Warenkontrolle nicht festgestellt werden könne. Im Streitfall lägen gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ausfuhrware mit einer hohen, zumindest jedoch einer nicht zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit aus dem Vereinigten Königreich stamme. |
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