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II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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Das FG hat zutreffend erkannt, dass der Kläger als Geschäftsführer der GmbH zur Abführung der einbehaltenen und angemeldeten Lohnsteuer 7/2001 am 10. August 2001 verpflichtet war. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Streitfalles kann die Nichterfüllung dieser Pflicht aber nicht als grob fahrlässig gewertet werden. |
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1. Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Den Geschäftsführer einer GmbH trifft –u.a.– die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes). |
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a) Durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am Tag der Fälligkeit der Lohnsteuer war der Kläger rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuer abzuführen. Allein der Antrag schränkt den Geschäftsführer in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist erst einen Monat später bestellt worden. |
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b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten im Regelfall eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar (vgl. Senatsentscheidung in BFHE 216, 491, m.w.N.). Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an dieser Pflicht des GmbH-Geschäftsführers, noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus. |
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c) Die Pflichtverletzung des Geschäftsführers begründet allerdings dann keine Haftung nach §§ 69, 34 AO, wenn der Steuerausfall mangels ausreichender Zahlungsmittel der GmbH unabhängig davon eintritt, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Urteil in BFHE 216, 491; vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100, m.w.N.). |
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aa) Es ist indes nicht festgestellt, dass ausreichende Zahlungsmittel für die Begleichung der Lohnsteuer nicht vorhanden waren. Der Kläger hat vielmehr selbst eingeräumt, dass bei Fälligkeit der Lohnsteuer 7/2001 der GmbH noch die erforderlichen Mittel zur Zahlung der angemeldeten Lohnsteuer zur Verfügung standen. |
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bb) Es ist auch nicht erheblich, dass nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt wird (BGH-Urteil in BGHZ 163, 134), denn für die Frage, ob die Pflichtverletzung des Geschäftsführers für den Steuerausfall kausal ist, weil der Fiskus mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens der GmbH ohnehin leer ausgegangen wäre, kommt es allein darauf an, ob bei Fälligkeit der Steuerforderung der geschuldete Betrag zur Auszahlung verfügbar ist. Das aber war auch nach dem Vorbringen der Revision am 10. August 2001 trotz der behaupteten Liquiditätslücke der Fall. |
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cc) Die Haftung des Geschäftsführers entfällt auch nicht infolge einer im Falle der Entrichtung der Lohnsteuer zum Fälligkeitstermin möglichen Anfechtung der Zahlung durch den Insolvenzverwalter nach §§ 129 ff. InsO. Die bloße Möglichkeit der Insolvenzanfechtung hindert nicht, den durch die pflichtwidrige Nichtabführung eingetretenen Steuerausfall dem Geschäftsführer zuzurechnen (keine Berücksichtigung von hypothetischen Kausalverläufen vgl. BFH-Urteil vom 19. September 2007 VII R 39/05, BFH/NV 2008, 18, m.w.N). |
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d) Der Senat hat erwogen, ob die Lohnsteuerabführungspflicht des Geschäftsführers mit der Stellung des Insolvenzantrags suspendiert sein könnte. |
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In seinem Urteil in BFHE 216, 491 hat der Senat entschieden, dass das zivilrechtliche Zahlungsverbot des § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG eine Haftung wegen Nichtzahlung fälliger Steuern allenfalls innerhalb der dreiwöchigen Schonfrist, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingeräumt ist, ausschließt. Das könnte es jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Geschäftsführer nach den Feststellungen des FG den Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit "freiwillig" gestellt hat (Eröffnungsgrund nach § 18 InsO), im Sinne eines "Erst-recht-Schlusses" nahelegen, auch hier eine dreiwöchige Suspendierung der Lohnsteuerabführungspflicht anzunehmen. |
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Allerdings hat der BGH inzwischen entschieden (Urteil vom 14. Mai 2007 II ZR 48/06, Deutsches Steuerrecht 2007, 1174, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2007, 1242), dass selbst für diesen Zeitraum die zivilrechtliche Haftung des Geschäftsführers wegen Steuerabführung entfalle, weil dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden könne, die Massesicherungspflicht nach § 92 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG), § 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs i.V.m. § 266a des Strafgesetzbuchs (StGB), aus §§ 34, 69 AO oder der Bestrafung nach § 266a StGB aussetze; sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei § 92 Abs. 3 AktG, § 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden. |
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2. Die Auffassung des FG, dass die Pflichtverletzung des Klägers auch im Streitfall die grobe Fahrlässigkeit indiziert, weil er keine Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe glaubhaft machen konnte, hält jedoch der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. |
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Die subjektive Voraussetzung der Haftung nach § 69 AO, die zumindest grobe Fahrlässigkeit bei der die Haftung begründenden Pflichtverletzung, ist zwar regelmäßig zu bejahen, wenn die auf die ausgezahlten Löhne entfallenden Lohnsteuern nicht abgeführt werden. Die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens eines gesetzlichen Vertreters indiziert im Allgemeinen den Schuldvorwurf (ständige Rechtsprechung, Senatsbeschluss vom 25. Juli 2003 VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540, m.w.N.). Das schließt allerdings nicht aus, dass besondere, vom Kläger glaubhaft zu machende Gründe im Einzelfall die Pflichtverletzung entschuldigen oder nur den Vorwurf leichter Fahrlässigkeit rechtfertigen. |
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Die Feststellung der Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit ist Sache des Tatsachengerichts und mit der Revision nur bedingt angreifbar. Der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt nur die Frage, ob das FG den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt allgemein vor, wenn der Schuldner bei seinem Handeln ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt oder beiseite schiebt und dasjenige unbeachtet lässt, was sich im gegebenen Fall jedermann aufgedrängt hätte, so dass von einer subjektiv schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung auszugehen ist (vgl. BGH-Beschluss vom 27. September 2007 IX ZB 243/06, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2007, 1150, m.w.N.). Nach der BFH-Rechtsprechung zu § 69 AO ist dementsprechend grobe Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Geschäftsführer die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. Beschluss vom 18. Januar 2008 VII B 63/07, BFH/NV 2008, 754, m.w.N.). |
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Diese Grundsätze hat das FG bei der Beurteilung des klägerischen Verhaltens als grob fahrlässige Verletzung der Lohnsteuerabführungspflicht nicht hinreichend beachtet. Es hat unter den im Streitfall gegebenen besonderen Umständen zu hohe Anforderungen an die Sorgfalt gestellt, die von einem Geschäftsführer zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten erwartet werden konnte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 754; Urteil vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978). |
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Der Würdigung der Beweisaufnahme durch das FG ist zu entnehmen, dass es als Rechtfertigungs- bzw. Entschuldigungsgrund nur einen Rechtsirrtum des Klägers über seine Verfügungsberechtigung nach Stellung des Insolvenzantrags in Betracht gezogen hat. Es hat nur dazu Beweis erhoben, ob die Insolvenzrichterin und/oder der Insolvenzverwalter dem Kläger auf Nachfrage geraten haben, er solle nunmehr alle Zahlungen unterlassen. Nachdem die Beweisaufnahme diese Auskunft nicht zur Überzeugung des FG ergeben hat, hat es nicht hinreichend in Betracht gezogen, ob angesichts der seinerzeit noch nicht aufgelösten Pflichtenkollision zwischen Massesicherung und Steuerzahlung, der sich ein Geschäftsführer in insolvenzreifer Zeit ausgesetzt sah, die nachgewiesenen Aktivitäten des Klägers in der finanziellen Krise seiner GmbH geeignet und ausreichend waren, um die grobe Fahrlässigkeit der Nichtabführung der Lohnsteuer auszuschließen. Aus Rechtsgründen bestand dazu Veranlassung, da das FG selbst dem Kläger attestiert hat, sich mit der frühen Antragstellung sehr umsichtig verhalten zu haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Streitjahr 2001 in der zivilrechtlichen Rechtsprechung (vgl. BGH-Urteil vom 8. Januar 2001 II ZR 88/99, BGHZ 146, 262) die Auffassung bestand, dass sich der Geschäftsführer, der in insolvenzreifer Zeit Steuern an das FA abführt, der GmbH gegenüber in voller Höhe gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG schadenersatzpflichtig macht. Andererseits war gefestigte Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Steuerzahlung nicht dadurch entfällt, dass sie möglicherweise mit einer privatrechtlichen Schadenersatzverpflichtung gemäß § 64 GmbHG konkurriert (Urteil vom 20. April 1993 VII R 67/92, BFH/NV 1994, 142; Beschluss in BFH/NV 1999, 745). Dem Kläger, der sich angesichts dieser unterschiedlichen Normbefehle einer vermeintlich unabwendbaren Haftungsdrohung ausgesetzt sah, kann jedenfalls nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden, wenn er die Pflicht zur Lohnsteuerabführung angesichts dieser Unklarheit über seine Pflichten entsprechend den von dem erkennenden Senat in BFHE 216, 491 angestellten Überlegungen nicht unverzüglich erfüllte, sondern –ohne überhaupt die ihm dort eingeräumte Drei-Wochen-Frist in Anspruch zu nehmen– die Maßnahmen des Insolvenzgerichts abwartete. |
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Auch ein diesbezüglich eingeholter seriöser Rechtsrat hätte nur ergeben können, dass bei noch vorhandener Liquidität der GmbH die abgabenrechtliche Haftung des Geschäftsführers jedenfalls bis zur Stellung des Insolvenzantrags von der bisherigen BFH-Rechtsprechung grundsätzlich bejaht worden war, während die Möglichkeit einer Haftungsfreistellung im Falle eines am Tag der Fälligkeit der Steuerschuld gestellten Insolvenzantrags in der Rechtsprechung noch nicht behandelt, folglich auch noch nicht abgelehnt worden war. Dass der Kläger diesen Weg eingeschlagen hat in der Annahme, durch die Stellung des Insolvenzantrags von seinen Zahlungspflichten –auch gegenüber dem Fiskus– frei zu kommen, muss in dieser besonderen Situation bei der Beurteilung des Verschuldens des Klägers zu seinen Gunsten berücksichtigt werden und schließt im Streitfall ausnahmsweise die haftungsbegründende grobe Fahrlässigkeit i.S. der §§ 69, 34 AO aus. |
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