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II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Recht hat das FG entschieden, dass im Streitfall die Voraussetzungen für eine haftungsrechtliche Inanspruchnahme des Klägers nach § 74 AO nicht vorliegen, denn der Kläger ist an der in Insolvenz geratenen GmbH nicht wesentlich beteiligt; auch hat er mit seinem Verhalten nicht zur Nichtentrichtung fälliger Steuern beigetragen. |
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1. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AO haftet der Eigentümer von Gegenständen, die einem Unternehmen dienen, mit den überlassenen Gegenständen für diejenigen Steuern des Unternehmens, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet. Voraussetzung für die Haftung ist eine wesentliche Beteiligung an dem Unternehmen, die nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AO vorliegt, wenn der Eigentümer der Gegenstände unmittelbar oder mittelbar zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. |
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a) Nach den Feststellungen des FG war der Kläger an der GmbH unmittelbar zu 2,92 % und mittelbar zu 12 % beteiligt. Mit seiner gesamten Beteiligung von 14,92 % war der Kläger somit nicht wie von § 74 Abs. 2 Satz 1 AO gefordert zu mehr als einem Viertel am Grund- und Stammkapital oder am Vermögen des in Insolvenz geratenen Unternehmens beteiligt. |
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b) Eine wesentliche Beteiligung des Klägers liegt auch nicht deshalb vor, weil dieser sich die Beteiligung der übrigen Angehörigen seines Familienstamms mit der Folge zurechnen lassen müsste, dass insgesamt eine Beteiligung in Höhe von 34,375 % vorliegt, die die in § 74 Abs. 2 Satz 1 AO festgelegte Beteiligungsgrenze übersteigt. |
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aa) Zu Recht hat das FG ausgeführt, dass die Ausdehnung der Eigentümerhaftung auf Personengruppen, wie etwa Familienverbände, dem Wortlaut des § 74 AO widerspreche. Nach dem insoweit klaren Wortlaut soll "der Eigentümer der Gegenstände" der zugleich eine an dem Unternehmen "wesentlich beteiligte Person" ist, in Haftung genommen werden. Damit findet die Annahme, eine Haftung solle sich ohne Weiteres auch auf bestimmte Gruppen von Personen erstrecken, deren Anteile zusammengerechnet werden müssten, keine Stütze in der gesetzlichen Bestimmung (vgl. auch Urteil des FG Köln vom 9. Dezember 1999 15 K 1756/91, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2000, 203, und Jestädt, Haftung gemäß § 74 AO und Betriebsaufspaltung, Deutsches Steuerrecht 1989, 243, 246). |
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bb) Auch mit der Anwendung der für die Betriebsaufspaltung entwickelten sog. Personengruppentheorie lässt sich eine wesentliche Beteiligung i.S. des § 74 Abs. 2 Satz 1 AO durch Hinzurechnung der Anteile von Familienangehörigen nicht begründen. |
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Bei der Betriebsaufspaltung und den hierzu entwickelten Theorien geht es insbesondere darum, die vom Besitzunternehmen entfalteten Tätigkeiten, die in der Regel in der Überlassung von Grundstücken und anderen Gegenständen des Anlagevermögens an das Betriebsunternehmen bestehen, aufgrund einer personellen Verflechtung der Gesellschafter beider Gesellschaften als eine gewerblich qualifizierte Vermietung einzustufen. Von einer personellen Verflechtung ist nach der Rechtsprechung des BFH auszugehen, wenn eine oder mehrere Personen zusammen sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrschen, dass sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (sog. Personengruppentheorie, Beschluss des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Die Einstufung als gewerbliche Betätigung und damit die Annahme entsprechender Einkünfte nach § 15 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird damit begründet, dass die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen –auch wenn sie in unterschiedlicher Höhe an den Gesellschaften beteiligt sind– personell verflochten sind, d.h. einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, der nicht nur auf eine bloße Vermögensverwaltung, sondern auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung gerichtet ist (BFH-Urteil vom 10. April 1997 IV R 73/94, BFHE 183, 127, BStBl II 1997, 569, m.w.N.). |
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Bei der Haftung nach § 74 AO, bei der es nicht um die Begründung einer Steuerschuld und um die Qualifizierung von Einkünften geht, ist die Ausgangslage eine andere. Der eigentliche Grund für die Haftung des Eigentümers nach § 74 AO ist nicht die rechtliche Beteiligung am Unternehmen, sondern der objektive Beitrag, den der Gesellschafter durch die Bereitstellung der dem Unternehmen dienenden Gegenstände für die Weiterführung des Gewerbes leistet (BVerfG-Beschluss vom 14. Dezember 1966 1 BvR 496/65, BVerfGE 21, 6, BStBl III 1967, 166, und Senatsurteile in BFHE 238, 16, BStBl II 2012, 763; vom 22. November 2011 VII R 67/10, BFH/NV 2012, 547, und vom 13. November 2007 VII R 61/06, BFHE 220, 289, BStBl II 2008, 790). Anlass für die Einführung des Haftungstatbestands, der auf § 7 Abs. 4 des Gewerbesteuerrahmengesetzes vom 30. Juni 1935 (RGBl I, S. 830) zurückgeht und später in § 115 der Reichsabgabenordnung (RAO) übernommen wurde, war die Befürchtung, dass sich die Beitreibung einer Gewerbesteuerschuld gegenüber einem Unternehmen als unmöglich erweisen könnte, weil alle pfändbaren, dem Betrieb gehörenden Gegenstände einem anderen als dem Unternehmer gehören, insbesondere wenn der Unternehmer mit gepachteten Betriebsmitteln wirtschaftet (BFH-Urteil vom 27. Juni 1957 V 298/56 U, BFHE 65, 122, BStBl III 1957, 279). In solchen Fällen sollte eine Beitreibung der Steuerschuld zumindest dann ermöglicht werden, wenn der Eigentümer der dem Betrieb dienenden Gegenstände wesentlich, d.h. zu mehr als einem Viertel, am Unternehmen beteiligt ist. |
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Mit den in § 115 RAO normierten Regelungen hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Bestimmung einer wesentlichen Beteiligung klare Vorgaben gemacht, die später in § 74 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO übernommen und durch die Einführung des § 74 Abs. 2 Satz 2 AO ergänzt worden sind. Auf die Feststellung einer personellen Verflechtung von Gesellschaftern und eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens kommt es demnach bei der Bestimmung einer wesentlichen Beteiligung nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AO nicht an. Anders verhält es sich jedoch bei der Qualifizierung von Einkünften als solche aus Vermietung und Verpachtung oder aus Gewerbebetrieb im Rahmen einer Betriebsaufspaltung, denn § 15 EStG lassen sich hinsichtlich der Höhe von Beteiligungen keine konkreten Anhaltspunkte entnehmen. Aufgrund dieser Unterschiede verbietet es sich bei der Haftung nach § 74 AO –ohne Berücksichtigung der eigentlichen Herrschaftsverhältnisse– die Anteile von einzelnen Gesellschaftern aufgrund ihrer bloßen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, insbesondere zu einem Familienverbund, zusammenzurechnen, um damit eine wesentliche Beteiligung i.S. des § 74 Abs. 2 Satz 1 AO zu konstruieren (so im Ergebnis auch Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 74 AO Rz 16; Jatzke in Beermann/Gosch, AO, § 74 Rz 13; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 74 AO Rz 10; Blesinger, Haftung und Duldung im Steuerrecht, S. 79, und Urteil des FG Köln in EFG 2000, 203; vgl. auch Klein/Rüsken, a.a.O., § 74 Rz 15, nach dem –bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit– Anteile der Familienangehörigen allenfalls als mittelbare Beteiligung Berücksichtigung finden können, und Nacke, Die Haftung für Steuerschulden, 3. Aufl., Rz 472, der allerdings auf den beherrschenden Einfluss der Personengruppe abstellt). Im Übrigen hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, dass z.B. bei Erbengemeinschaften nicht von vornherein ein Interessengleichklang der Angehörigen eines Familienverbundes unterstellt werden kann. |
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cc) Darauf, dass Anteile von Angehörigen desselben Familienstamms zur Bestimmung der wesentlichen (unmittelbaren oder mittelbaren) Beteiligung des einzelnen Familienmitglieds nicht ohne Weiteres zusammengerechnet werden können, weist auch die bereits angesprochene Entstehungsgeschichte des § 74 AO hin. Nach deren Vorgängervorschrift des § 115 RAO haftete der Eigentümer, wenn er Angehöriger des Unternehmers oder an dem Unternehmen wesentlich beteiligt war (§ 115 Abs. 1 RAO). Für die Annahme einer wesentlichen Beteiligung reichte es nach § 115 Abs. 2 Satz 1 RAO aus, wenn der Eigentümer und seine Angehörigen zusammen zu mehr als einem Viertel an dem Unternehmen beteiligt waren. Wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen unter Berücksichtigung der Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 des Grundgesetzes, die bereits das FG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 28. Mai 1968 VII 73-75/67 A (EFG 1968, 486) angesprochen hatte, hat der Gesetzgeber diese Regelungen nicht in § 74 AO übernommen und damit bewusst die Zusammenrechnung von Anteilen von Familienangehörigen aufgegeben (BTDrucks VI/1982, S. 121). Dagegen hat er –wohl auch um den besonderen Verhältnissen in Familienunternehmen Rechnung zu tragen– neu in die Haftungsvorschrift die Regelung aufgenommen, dass eine wesentliche Beteiligung auch dann vorliegt, wenn auf das Unternehmen ein beherrschender Einfluss ausgeübt und zur Nichtentrichtung fälliger Steuern beigetragen wird (§ 74 Abs. 2 Satz 2 AO). Somit unterstützt die Entstehungsgeschichte des § 74 AO das gefundene Auslegungsergebnis. Sie deutet jedenfalls darauf hin, dass die Personengruppentheorie, mit der bei Betriebsaufspaltungen ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille einer geschlossenen Personengruppe und damit eine personelle Verflechtung belegt werden sollen, zur Begründung der Zusammenrechnung in einem Familienverbund gehaltener Anteile im Rahmen der Feststellung einer wesentlichen und damit haftungsbegründenden Beteiligung nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nicht herangezogen werden kann. |
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c) Eine wesentliche Beteiligung des Klägers nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AO infolge der Ausübung eines beherrschenden Einflusses auf die GmbH und eines Beitrags zur Nichtentrichtung fälliger Steuern liegt ebenfalls nicht vor. |
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aa) Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AO gilt als wesentlich beteiligt auch derjenige, der auf das Unternehmen, dem er in seinem Eigentum stehende Gegenstände überlassen hat, einen beherrschenden Einfluss ausübt und durch sein Verhalten dazu beiträgt, dass fällige Steuern i.S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nicht entrichtet werden. Ob ein etwaiger Haftungsschuldner diese Voraussetzungen erfüllt hat, obliegt der tatrichterlichen Würdigung, wobei die Tatbestandsverwirklichung von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhängt. Nach den Feststellungen des FG, die das FA mit Verfahrensrügen nicht angegriffen hat und die deshalb für den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, hat der Kläger durch sein Verhalten keinen kausalen und damit haftungsrelevanten Beitrag zur Nichtentrichtung fälliger Steuern oder zur Insolvenz der GmbH geleistet. |
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bb) Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger für die GmbH für den Haftungszeitraum keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben und auch sonst keinen Beitrag geleistet, dass die GmbH die Umsatzsteuern, für die der Kläger als Haftungsschuldner in Anspruch genommen wird, nicht gezahlt hat. Nachvollziehbar hat das FG dargelegt, dass diese Steuern erst am Tag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH fällig geworden sind und dass die KG erst nach diesem Zeitpunkt aufgrund des Wegfalls der Organschaft berichtigte Steuererklärungen abgegeben hat. Darüber hinaus verweist das FG darauf, dass die für die KG und die GmbH getrennt eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate März und April 2009 nicht die Jahre 2006 bis 2008 und infolgedessen nicht den Haftungszeitraum betreffen und dass die Abgabe berichtigter Steuererklärungen bzw. zutreffender Steueranmeldungen und somit die Erfüllung steuerlicher Pflichten keinen kausalen Beitrag zur Nichtentrichtung von fälligen Steuern i.S. des § 74 Abs. 2 Satz 2 AO darstellen kann. Nach diesen Ausführungen, die einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze nicht erkennen lassen, erscheint die tatsächliche Würdigung des FG, nach der die Voraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht erfüllt sind, zumindest möglich. |
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Soweit das FA mit seinem Vorbringen in Bezug auf den Wegfall der Organschaft ein planvolles Vorgehen der KG und einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Haftungszeitraum und den Umsatzsteuervoranmeldungszeiträumen März bis Juni 2009 darlegen will, setzt es seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der vom FG gezogenen Schlussfolgerungen. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zur Tatbestandsverwirklichung des § 74 Abs. 2 Satz 2 AO ein aktiver Beitrag des Eigentümers zu fordern ist. Daher ist ein bloßes Unterlassen grundsätzlich nicht ausreichend, so dass die Weigerung, weitere Kredite zu gewähren, selbst wenn dies zur Abwendung einer Insolvenz geboten erscheint, eine Eigentümerhaftung nicht begründen kann (Jatzke in Beermann/Gosch, a.a.O., § 74 Rz 15; Klein/Rüsken, a.a.O., § 74 Rz 16, und Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 74 Rz 14). Selbst wenn der Kläger im Streitfall durch sein Verhalten als Gesellschafter der KG infolge der Weigerung der KG, die GmbH weiterhin durch Sicherheiten und Liquiditätshilfen finanziell zu unterstützen, zur Auflösung des Organkreises beigetragen haben sollte, hat er damit nicht ohne Weiteres auch einen aktiven Beitrag zur Nichtentrichtung fälliger Steuern der nunmehr umsatzsteuerpflichtig gewordenen Organgesellschaft geleistet. |
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cc) Im Übrigen hat das FG einen –für die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 2 AO ebenfalls erforderlichen– beherrschenden Einfluss des Klägers auf die GmbH nicht festgestellt. Da dessen haftungsrechtliche Inanspruchnahme nach § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AO bereits daran scheitert, dass sein Verhalten nicht zur Nichtentrichtung fälliger Steuern beigetragen hat, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die für den Fall der Betriebsaufspaltung entwickelten Grundsätze zumindest zur Feststellung eines herrschenden Einflusses i.S. des § 74 Abs. 2 Satz 2 AO herangezogen werden können, wie dies im Schrifttum vertreten wird (Mösbauer, Die Haftung des Eigentümers von Gegenständen für Steuern des Unternehmens bei tatsächlicher oder fiktiver wesentlicher Beteiligung, Deutsche Steuer-Zeitung 1996, 513; Nacke, a.a.O., Rz 472, und Jatzke in Beermann/Gosch, a.a.O., § 74 Rz 15). |
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2. Da der Kläger an der GmbH nicht in dem von § 74 AO geforderten Maß beteiligt war, kann ebenfalls offen bleiben, ob er über seine Beteiligung an der KG zumindest als wirtschaftlicher Eigentümer der dem Unternehmen überlassenen Grundstücke und Gegenstände des Anlagevermögens angesehen werden kann und ob die Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 238, 16, BStBl II 2012, 763 auf den Streitfall übertragen werden kann. Auch bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob das FA beim Erlass des angefochtenen Haftungsbescheids –wie vom Kläger behauptet– den Bestimmtheitsgrundsatz verletzt, die Haftungsmasse fehlerhaft ermittelt und das Auswahlermessen unzutreffend ausgeübt hat. |
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. |
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