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II. Die Revision des FA ist begründet; die Vorentscheidung wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zur Lebensversicherung der Klägerin enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) rechtmäßig ist. |
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1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind. |
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Nicht steuerpflichtig sind diese Zinsen allerdings nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG, wenn sie aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG herrühren, die mit (als Sonderausgaben abziehbaren) Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. |
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Für diesen Fall sieht § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) –nachfolgend bis Veranlagungszeitraum 31. Dezember 2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG– die Steuerbefreiung vor, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG abgezogen werden können. |
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2. Nach diesen rechtlichen Maßstäben tragen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht dessen Auffassung, die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Zinsen aus den Sparanteilen der streitigen Versicherungen seien gegeben: |
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a) Die im Streitfall abgeschlossene Lebensversicherung der Klägerin ist zwar unstreitig eine Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. |
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Die auf sie aufgenommenen Policendarlehen stehen dem Abzug der Versicherungsaufwendungen als Sonderausgaben aber dann entgegen, wenn die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen nicht –wie von § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG vorausgesetzt– der Sicherung von Darlehen dienen, die selbst "unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines (zur Einkünfteerzielung bestimmten) Wirtschaftsgutes dienen". Diese Voraussetzung ist grundsätzlich nicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten für das Wirtschaftsgut –wie hier die Grunderwerbsteuer für die Eigentumswohnung– bereits vor Eingang der Darlehensvaluta aus Eigenmitteln zahlt. Denn dann dient die später eingehende Darlehensvaluta denkgesetzlich nicht mehr unmittelbar –nach dem maßgeblichen tatsächlichen Einsatz der Darlehensmittel (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2009 VIII R 7/08, BFHE 227, 45, BStBl II 2010, 294 unter Bezugnahme auf FG Münster, Urteil vom 27. Juni 2000 8 K 5705/96 F, Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 23; Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl., § 10 Rz 190)– der Finanzierung der Anschaffungskosten, sondern füllt die für die Anschaffungskosten vorab verwendeten anderweitigen Mittel wieder auf. Diese Beurteilung entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, nach der Darlehen nicht der Finanzierung der Anschaffung eines Vermietungsobjekts dienen, soweit dessen Anschaffungskosten aus Eigenmitteln getragen worden sind (vgl. BFH-Urteile vom 23. November 2004 IX R 2/04, BFH/NV 2005, 694; vom 1. März 2005 IX R 58/03, BFHE 209, 290, BStBl II 2005, 597; vom 7. Juli 2005 IX R 20/04, BFH/NV 2006, 264). |
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b) Allerdings geht der Senat angesichts des begrenzten Zwecks der Regelung, bestimmte Finanzierungsmodelle zu vermeiden (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 55 ff.), davon aus, dass die Merkmale "unmittelbar und ausschließlich" in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG eine kurzfristig vor Gutschrift der Darlehensvaluta erfolgende Vorfinanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts aus Eigenmitteln zulassen. |
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Voraussetzung dafür ist, dass der Steuerpflichtige die Vorfinanzierung zu einem Zeitpunkt veranlasst, zu dem er berechtigt von einem rechtzeitigen Eingang der Darlehensvaluta aus dem Policendarlehen auf seinem Girokonto ausgehen kann, weil |
– die Voraussetzungen für die Auszahlung erfüllt sind, |
– dieser Umstand dem Darlehensgeber in der vertraglich vereinbarten Weise bekannt gegeben worden ist, |
– die Auszahlung rechtzeitig beantragt ist und damit |
– allein von ihm nicht zu beeinflussende unübliche Verzögerungen in der banktechnischen Abwicklung der Überweisung durch den Darlehensgeber zu der faktischen Vorfinanzierung der Anschaffungskosten führen. |
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c) Kann der Steuerpflichtige dagegen nicht von einem Zahlungseingang der Darlehensvaluta vor der Überweisung der fälligen Beträge für die Anschaffung des jeweils erworbenen Wirtschaftsguts ausgehen –was das FG aufgrund seines abweichenden Rechtsstandpunkts bislang nicht geprüft hat–, so ist Folge der teilweisen Eigenmittelfinanzierung, dass die aufgenommenen Darlehen im Umfang dieses Eigenfinanzierungsbetrages tatsächlich nicht mehr die Anschaffungskosten finanzieren, sondern lediglich das Eigenkapital wieder auffüllen. |
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Wird dabei, wie im Streitfall, mit einer Mehrheit von Darlehensverträgen insgesamt ein Betrag aufgenommen, der –über die Bagatellgrenze von 2.556 EUR nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG hinaus– höher ist als der noch zu finanzierende Betrag der Anschaffungskosten, ist eine Übersicherung gegeben. Sie führt zur Annahme einer steuerschädlichen Verwendung des gesamten Darlehens (fehlende "unmittelbare und ausschließliche" Verwendung zur Finanzierung von Anschaffungskosten) und damit zur Steuerbarkeit der Sparanteile nach Maßgabe des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 12. September 2007 VIII R 12/07, BFHE 219, 43, BStBl II 2008, 602). |
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. |
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Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Klägerin im Zeitpunkt, in dem sie die Grunderwerbsteuerzahlung vom 19. Juli 2001 veranlasst hat, berechtigt von einem rechtzeitigen Eingang der Restdarlehensvaluta aus dem Policendarlehen –wegen Erfüllung der (vertrags-)rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen (wie insbesondere Mitteilung dieser Voraussetzungen an den Darlehensgeber und Antrag auf Auszahlung)– ausgehen konnte. Die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hat das FG nachzuholen. |
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Die Spruchreife ist nicht schon deshalb –ohne die nachzuholenden tatsächlichen Feststellungen– zu bejahen, weil die Darlehensbeträge mehr als 30 Tage nach Gutschrift auf dem Konto der Klägerin weitergeleitet wurden. Denn in Übereinstimmung mit der Auffassung des FG entscheidet der Senat die bislang offen gelassene Frage, ob eine mehr als 30 Tage nach Gutschrift erfolgende Weiterleitung von Darlehensvaluta für sich allein die Unmittelbarkeit der Anschaffungsfinanzierung ausschließt (sog. 30-Tage-Frist der Finanzverwaltung; vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 184 zu zwischenzeitlicher Festgeldanlage; vom 4. Juli 2007 VIII R 46/06, BFHE 218, 308, BStBl II 2008, 49 zur Überweisung auf ein verzinsliches Girokonto des Steuerpflichtigen), in der Weise, dass die Überschreitung dieses Zeitraums jedenfalls dann keine Auswirkung auf die Steuerfreiheit der Zinsen hat, wenn wie hier im Zeitraum zwischen Gutschrift und Weiterleitung der Darlehensmittel über den Betrag keine schädlichen Dispositionen im Sinne der Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 184; in BFHE 218, 308, BStBl II 2008, 49) getroffen werden. Dies folgt aus dem begrenzten Zweck der Merkmale "unmittelbar und ausschließlich", bestimmte Finanzierungsmodelle zu vermeiden (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 55 ff.). Dieser Zweck wird allein durch die Überschreitung der Frist von 30 Tagen nicht berührt. |
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