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II. Die Revision des FA ist begründet; die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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1. Das Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil ihm der nach dem Änderungsbescheid vom 10. Oktober 2008 nicht mehr existierende frühere Bescheid zugrunde lag (Bundesfinanzhof –BFH–, Urteil vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, m.w.N.). |
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Gleichwohl bedürfte es allein aus diesem Grund keiner Zurückverweisung nach § 127 FGO, weil der nach § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte enthält (vgl. dazu BFH-Urteil vom 14. Januar 2004 IX R 55/03, BFH/NV 2004, 656). Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nach den Feststellungen des Senats auch nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind. Den vom FA gerügten Verfahrensmangel hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet; er sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO). |
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Die vom FG getroffenen Feststellungen bilden daher unverändert die Grundlage für die Entscheidung des Senats mit der Folge, dass der ursprüngliche Revisionsantrag in Fällen wie dem vorliegenden schon von Gerichts wegen an die veränderte Prozesslage anzupassen ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43). |
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2. Die Auffassung des FG, der Kläger habe mit den Honoraren aus seiner Beratertätigkeit für die W Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. |
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a) Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger eine Tätigkeit selbständig oder nichtselbständig ausübt, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 14. April 2010 XI R 14/09, BFHE 230, 245; vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BFHE 226, 415, BStBl II 2009, 873; vom 23. April 2009 VI R 81/06, BFHE 225, 33; vom 14. Mai 2008 XI R 70/07, BFHE 221, 517, BStBl II 2008, 912; vom 2. Dezember 2005 VI R 16/03, BFH/NV 2006, 544; vom 10. März 2005 V R 29/03, BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730; vom 9. Oktober 1996 XI R 47/96, BFHE 182, 384, BStBl II 1997, 255; vom 14. Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, jeweils m.w.N.). Hierzu hat der BFH u.a. in den Urteilen in BFHE 226, 415, BStBl II 2009, 873 sowie in BFHE 144, 215, BStBl II 1985, 661 zahlreiche Kriterien (Indizien) beispielhaft aufgeführt, die für die bezeichnete Abgrenzung Bedeutung haben können. Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen, wobei diese Aufgabe in erster Linie den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegt und vom Revisionsgericht nur begrenzt überprüfbar ist. |
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Für eine nichtselbständige Tätigkeit können insbesondere persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit, feste Arbeitszeiten und Bezüge, Anspruch auf Urlaub und auf sonstige Sozialleistungen, Überstundenvergütung sowie Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall und Eingliederung in den Betrieb sprechen. Für persönliche Selbständigkeit hingegen sprechen Selbständigkeit in der Organisation und der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerinitiative, Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sowie Handeln auf eigene Rechnung und Eigenverantwortung. |
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Die Frage der Selbständigkeit natürlicher Personen ist für die Einkommen-, die Gewerbe- und die Umsatzsteuer grundsätzlich nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (vgl. § 1 Abs. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 21. September 2005 IV A 5 -S 7104- 19/05, BStBl I 2005, 936, m.w.N.). Dabei kommt der jeweiligen sozial- und arbeits- oder steuerrechtlichen Beurteilung zwar indizielle Bedeutung zu; eine rechtliche Bindung besteht aber nicht. |
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b) Den vorstehend genannten Kriterien genügt das Urteil der Vorinstanz nicht. Zwar nimmt das FG zutreffend an, dass die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse gegeneinander abzuwägen sind. Für die hier zu beurteilende Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft geht das FG indes davon aus, dass der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft, der als Organ in den Organismus der Gesellschaft eingegliedert ist und den Weisungen der Gesellschaft zu folgen hat, die sich aus der Bestellung zum Geschäftsführer ergeben, stets unselbständig tätig ist und dass außerhalb des Geschäftsführungsbereichs aufgrund gesonderter Abmachung nur dann selbständige Leistungen vereinbart werden können, wenn sich diese inhaltlich und formal von der eigentlichen Geschäftsführungsaufgabe unterscheiden (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 182, 384, BStBl II 1997, 255; vom 24. August 1994 XI R 74/93, BFHE 176, 75, BStBl II 1995, 150). Bereits mit Urteil in BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730 hat der BFH diese Rechtsprechung aber aufgegeben und deutlich gemacht, dass bei Vertretern juristischer Personen zu unterscheiden ist zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis (z.B. Bundesarbeitsgericht –BAG–, Urteil vom 26. Mai 1999 5 AZR 664/98, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1999, 3731, m.w.N.; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., Anhang zu § 6 Rz 1; Marsch-Barner/Diekmann in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 3, 3. Aufl., § 43 Rz 3; Michalski-Tebben, GmbHG, § 6 Rz 2). Bestellung und Abberufung als Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte, durch die gesetzliche und satzungsgemäße Kompetenzen übertragen oder entzogen werden. Dagegen ist die Anstellung zum Zweck des Tätigwerdens als Vertretungsorgan regelmäßig ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag (z.B. BAG-Urteil in NJW 1999, 3731, m.w.N.). Ob das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, hängt auch nicht vom Umfang der Vertretungsbefugnisse des Geschäftsführers im Innenverhältnis (vgl. § 37 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung –GmbHG–) ab, sondern richtet sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung selbständiger von nichtselbständiger Tätigkeit (ebenso BAG-Urteil in NJW 1999, 3731). Abzustellen ist deshalb auch bei der Beurteilung der Tätigkeit des GmbH-Geschäftsführers vornehmlich auf die Umstände des Einzelfalles und nicht auf dessen organschaftliche Stellung. |
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c) Das FG ist bei seiner Entscheidung von anderen Grundsätzen ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, da das FG die erforderliche Gesamtwürdigung selbst vornehmen muss. |
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aa) Bei der von ihm vorzunehmenden Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls wird das FG im zweiten Rechtsgang zu berücksichtigen haben, dass der zwischen dem Kläger und der W geschlossene Vertrag vom 5. Juli 1992 bereits seinem Wortlaut nach nicht als Arbeits- oder Anstellungsvertrag zu werten ist. Der Regelung sind weder Aussagen zu festen Arbeitszeiten, zu persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit des Klägers zu entnehmen, noch enthält der Vertrag Bestimmungen hinsichtlich etwaiger Urlaubsansprüche des Klägers, etwaiger Ansprüche auf sonstige Sozialleistungen und Fortzahlung der Bezüge noch zur Vergütung von Überstunden oder anderweitiger Ansprüche oder Pflichten, die auf eine Eingliederung in den Betrieb hindeuten. |
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Die von den Vertragsparteien gewählte Formulierung in § 1 des Vertrages (Vertragsgegenstand) deutet ebenfalls nicht darauf hin, dass der Kläger Weisungen unterworfen war. Ebenso wenig entspricht die in § 2 des Vertrages getroffene Honorarabsprache, wonach die Vergütung zum 5. des laufenden Monats fällig ist oder einem Verrechnungskonto gutgeschrieben werden kann, dem üblichen Bild eines Arbeits- oder Anstellungsvertrages, der in der Regel die Zahlung des Arbeitsentgeltes zu festen Terminen auf ein vom Arbeitnehmer zu bestimmendes Konto vorsieht. Nämliches gilt für die Vereinbarung, dass die dem Kläger zustehende Vergütung bei Änderung des Arbeitsaufwandes entsprechend zu erhöhen oder zu verringern ist. Diese Umstände sprechen eher für als gegen eine selbständige Tätigkeit des Klägers. |
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bb) Weiter wird das FG zu beachten haben, dass seine Auffassung, die vom Kläger geschuldeten "Beratungsleistungen" hätten unmittelbar der Verwirklichung des Geschäftszwecks der GmbH gedient und ließen sich inhaltlich nicht von den Pflichten unterscheiden, die der Kläger kraft seiner Organstellung zu erfüllen habe, mit den in erster Instanz festgestellten Tatsachen nicht in Einklang steht. Das FG lässt bei dieser Würdigung außer Acht, dass der Kläger ausweislich des Beratungsvertrages vom 5. Juli 1992 lediglich dazu verpflichtet war, die W in den Bereichen Finanztechnik und Vermietung zu beraten und zu unterstützen und dabei seine persönlichen Kontakte im Bankenbereich einzubringen. Zwar liegt es auf der Hand, dass der Geschäftsführer einer GmbH kraft seiner Organstellung verpflichtet ist, die Finanzierung und Liquidität "seiner" GmbH sicherzustellen. Allein darauf beschränken sich die Aufgaben eines Geschäftsführers indes nicht. Dieser hat vielmehr in vollem Umfang auch die laufende Geschäftsführung der GmbH wahrzunehmen (vgl. u.a. §§ 35, 41, 42a GmbHG). Über den eng umgrenzten Bereich "Beratung und Unterstützung bei Finanztechnik und Vermietung" geht das erheblich hinaus. |
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Die Würdigung des FG ist im Übrigen schon deshalb lücken- und damit rechtsfehlerhaft, weil ein konkreter Umfang der (erforderlichen) Geschäftsführungstätigkeit des Klägers für die W nach den bisherigen Feststellungen des FG nicht erkennbar ist. Dem vorinstanzlichen Urteil ist weder zu entnehmen, welchen Unternehmensgegenstand die W hatte, noch welchen Umfang und welche Größenordnung das Unternehmen besaß. Nach Kapitalisierungsgrad, Umsatzhöhe, Anzahl der Arbeitnehmer und der getätigten Geschäfte etc. können sich für GmbH-Geschäftsführer je nach Einzelfall aus der Organstellung hinsichtlich der laufenden Geschäfte unterschiedliche Verpflichtungen ergeben. |
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cc) Ferner hätte das FG zu beachten, dass auch die Beteiligungsquote des Klägers an der W Anlass geben kann, dessen Tätigkeit als selbständige zu beurteilen. GmbH-Gesellschafter sind regelmäßig Selbständige, wenn sie zugleich Geschäftsführer der Gesellschaft sind und mindestens 50 v.H. des Stammkapitals innehaben (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 544). Auch wenn diese Einordnung auf sozialrechtlichen Überlegungen beruht (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. Juni 1994 12 RK 72/92, NJW 1994, 2974), die für die steuerrechtliche Einstufung einer Tätigkeit als selbständig oder nichtselbständig keine Bindungswirkung besitzen, kann die Beteiligungsquote im Rahmen der steuerlichen Beurteilung zumindest als Indiz herangezogen werden. Aus dem FG-Urteil ist indes lediglich erkennbar, dass der Kläger einer von zwei Gesellschaftern der W ist. Zur Höhe seiner Beteiligung hat das FG keine Aussagen getroffen. |
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dd) Das FG hat –aus seiner Sicht folgerichtig– keine endgültigen tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit i.S. des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 2 EStG) erzielt hat. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang sowohl eine verdeckte Gewinnausschüttung als auch Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit verneinen, wird es dieser Frage nachgehen und insbesondere prüfen müssen, ob der Kläger eine einem beratenden Betriebswirt ähnliche Tätigkeit ausgeübt hat. |
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