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II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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Zu Unrecht hat das FG die Klage wegen Versäumnis der Klagefrist als unzulässig verworfen. |
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1. Nach § 47 Abs. 1 FGO ist eine Klage fristgerecht erhoben, wenn sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung eingelegt wird; wird sie erst später eingelegt, ist nach § 56 Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zu gewähren, wenn sie der Kläger ohne Verschulden versäumt hat und die versäumte Klage innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses eingereicht wird (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO). |
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2. Auf der Grundlage dieser Vorschriften ist die Klage als wirksam erhoben anzusehen. |
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) folgt dies schon daraus, dass der Vollmachtsvertrag zwischen dem Kläger und dessen früheren Bevollmächtigten ungeachtet ihrer Mandatsniederlegung nicht wirksam gekündigt worden ist und infolgedessen die streitige Einspruchsentscheidung an die Bevollmächtigten hätte zugestellt werden müssen (BVerwG-Beschluss vom 4. Juli 1983 9 B 10275/83, Deutsches Verwaltungsblatt –DVBl– 1984, 90 –unter Bezugnahme auf BGH-Beschluss vom 24. November 1976 IV ZB 20/76, Versicherungsrecht (VersR) 1977, 334– zu einem Fall, in dem ebenso wie hier die Verbindung der Bevollmächtigten zu ihrem Mandanten abgerissen war; zustimmend zum BGH-Beschluss in VersR 1977, 334 auch BFH-Beschluss vom 4. Mai 1984 VI R 89/83, juris; FG Köln, Urteil vom 16. März 1995 13 K 1622/93, EFG 1995, 985; zu abweichenden Auffassungen im Schrifttum zur Wirksamkeit einer Mandatsniederlegung unabhängig von einer Kündigung des Vollmachtvertrages s. Rüsken in Beermann/Gosch, AO, § 80 Rz 93). |
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Danach war die Klagefrist im Zeitpunkt der Klageerhebung –mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung– noch nicht abgelaufen. |
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b) Selbst wenn man dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht folgt und –zu Ungunsten des Klägers– von einem wirksamen Widerruf der Empfangsvollmacht durch die Tochter des Klägers sowie von einer –die öffentliche Zustellung grundsätzlich rechtfertigenden– wirksamen Niederlegung des Mandats durch die früheren Bevollmächtigten des Klägers ausgeht, führt dies im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung. |
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Denn bei unterstellter ordnungsgemäßer Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung und infolgedessen anzunehmender Versäumnis der Klagefrist hätte der Kläger nach § 56 Abs. 1 FGO Anspruch auf die begehrte Wiedereinsetzung in die versäumte Frist. |
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aa) Eine Wiedereinsetzung setzt allerdings voraus, dass die Fristversäumnis ohne Verschulden des Klägers eingetreten ist. |
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Daran fehlt es entgegen der Auffassung des FG nicht schon deshalb, weil der Kläger durch seine eigenverantwortlich ergriffene Flucht bewusst eine Situation herbeigeführt hat, in der behördliche Verfügungen ihn persönlich nicht erreichen und durch öffentliche Zustellungen in Lauf gesetzte Fristen nicht gewahrt werden können. |
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Wer wie der Kläger bei einem Aufenthalt im Ausland mit dem Eingang behördlicher und gerichtlicher Entscheidungen sowie mit der Notwendigkeit darauf bezogener fristgebundener Rechtsbehelfe rechnen muss, hat nach der Rechtsprechung alle Maßnahmen zu treffen, die nach vernünftigem Ermessen geeignet sind, die Versäumnis von Fristen auszuschließen (BFH-Beschlüsse vom 13. November 1989 III B 107/88, BFH/NV 1990, 649; vom 27. August 1997 XI B 118, 119, 149/96, XI S 43, 44, 50/96, BFH/NV 1998, 617; vom 30. März 2006 VII B 197/05, BFH/NV 2006, 1487). Dazu muss er insbesondere sicherstellen, dass fristauslösende Schriftstücke rechtzeitig zu seiner Kenntnis gelangen (BFH-Urteil vom 9. Dezember 1999 III R 37/97, BFHE 190, 292, BStBl II 2000, 175). Dafür genügt es, für die Zeit der Abwesenheit entweder Zustellungsvertreter zu benennen oder durch andere Hilfspersonen zu gewährleisten, dass gegen förmlich zugestellte Sendungen mit fristauslösender Wirkung fristwahrende Maßnahmen eingeleitet werden (BFH-Urteil vom 22. August 2006 I R 24/05, BFH/NV 2007, 63). |
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bb) Diese Voraussetzungen hat der Kläger sowohl durch die Benennung einer Zustellungsbevollmächtigten als auch durch Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit einem Wegfall der Vertretungsfunktion der beauftragten Vertreter hätte rechnen müssen, sind nicht ersichtlich; die Länge der Ortsabwesenheit ohne Kontaktmöglichkeit der Vertreter genügt dafür nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht (vgl. BVerwG-Beschluss in DVBl 1984, 90). |
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Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob die Wirksamkeit der Empfangsvollmacht der Tochter durch die spätere Vollmacht an die Rechtsanwälte berührt wurde oder (näher liegend) mangels eines ausdrücklichen Widerrufs durch den Kläger sowie wegen ihres unterschiedlichen Umfangs (allgemeine Zustellungsvollmacht der Tochter einerseits und Vollmacht an die Anwälte für die Vertretung –nur– in steuerrechtlichen Angelegenheiten andererseits) davon unberührt blieb. |
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Für Letzteres spricht insbesondere die Zulässigkeit der Beauftragung mehrerer Bevollmächtigter nach § 84 Satz 1 ZPO i.V.m. § 155 FGO, die es ermöglicht, gegenüber jedem der Bevollmächtigten Zustellungen vorzunehmen (vgl. BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1985 IX ZB 47/85, Monatsschrift für Deutsches Recht 1986, 582; BVerwG-Beschluss vom 21. Dezember 1983 1 B 152/83, Neue Juristische Wochenschrift 1984, 2115; BFH-Beschluss vom 28. Januar 2005 VIII B 117/03, BFH/NV 2005, 1110). Hinzu kommt, dass die Empfangsvollmacht an die Tochter umfassender Natur war, während die Bevollmächtigung der Anwälte nur auf die Steuerangelegenheiten des Klägers beschränkt war, so dass anders als bei der Benennung eines neuen (Empfangs-)Bevollmächtigten anstelle eines früher im selben Umfang Bevollmächtigten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 IV R 53/05, BFHE 216, 399, BStBl II 2007, 369) nicht prima facie ein konkludenter Widerruf der früher erteilten Empfangsvollmacht angenommen werden kann. |
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. |
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Das FG hat aus seiner verfahrensrechtlichen Sicht zu Recht keine Prüfung der materiell-rechtlichen Einwendungen gegen die angefochtene Steuerfestsetzung vorgenommen. Diese wird es nunmehr im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. |
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