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II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das FG hätte die Vernehmung des vom Kläger benannten Zeugen J nicht ablehnen dürfen. Damit liegt ein vom Kläger geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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1. Die entsprechende Verfahrensrüge erfüllt die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Insbesondere sind die Anforderungen, die an die Beschwerdebegründung hinsichtlich der Angabe des Beweisthemas und des zu erwartenden Inhalts der übergangenen Zeugenaussage zu stellen sind, herabgesetzt, wenn das FG –wie hier– im Urteil ausdrücklich begründet hat, weshalb es von der Erhebung einzelner Beweise abgesehen hat (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13. August 2002 VII B 267/01, BFH/NV 2003, 63). Auch hat der Kläger die unterbliebene Vernehmung des Zeugen J in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gerügt. |
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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das FG durfte die beantragte Zeugenvernehmung weder wegen fehlender Substantiierung des Beweisantrags noch aufgrund einer Wahrunterstellung der unter Beweis gestellten Tatsachen unterlassen. |
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a) Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des FG, wonach der Tatrichter unsubstantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen muss (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 63). In rechtlicher Hinsicht maßgebend ist insoweit die Vorschrift des § 373 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 82 FGO, wonach der Zeugenbeweis durch die Benennung der Zeugen und die Bezeichnung der Tatsachen, über welche die Vernehmung der Zeugen stattfinden soll, angetreten wird. Damit korrespondierend fordert § 377 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dass die Zeugenladung den „Gegenstand der Vernehmung“ enthalten muss. |
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Das Bundesverfassungsgericht hat die fachgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Substantiierung dahingehend zusammengefasst –und mit diesem Inhalt gebilligt–, dass eine Beweisaufnahme unter diesem Gesichtspunkt nur abgelehnt werden darf, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann, oder wenn sich der Beweisantrag als rechtsmissbräuchlich darstellt, weil die in ihm aufgestellte Behauptung auf das Geratewohl gemacht, gleichsam „ins Blaue“ aufgestellt und damit „aus der Luft gegriffen“ ist (Beschluss vom 14. April 2003 1 BvR 1998/02, Neue Juristische Wochenschrift 2003, 2976, unter II.2.a). |
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Vor diesem Hintergrund hat die höchstrichterliche Rechtsprechung Beweisanträge vor allem dann als unsubstantiiert angesehen, wenn |
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sie so unbestimmt waren, dass erst die Beweiserhebung zur Aufdeckung der entscheidungserheblichen Tatsachen führen könnte (Ausforschungs- oder Beweisermittlungsbeweis; vgl. BFH-Beschluss vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827, unter II.2.b), |
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in ihnen lediglich ein Rechtsbegriff oder das Ergebnis einer Tatsachenwürdigung angegeben wurde (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 63; in BFH/NV 2008, 827, unter II.2.b, und vom 12. Dezember 2007 I B 134/07, BFH/NV 2008, 736, unter II.2.b), |
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der Beteiligte Einwendungen gegen die Feststellungen eines Strafurteils erhebt, weil in diesen Fällen erhöhte Substantiierungsanforderungen gelten (BFH-Urteil vom 21. Juni 1988 VII R 135/85, BFHE 153, 393, BStBl II 1988, 841, unter II.3.), |
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Tatsachenangaben vollständig fehlten (BFH-Entscheidungen vom 14. Dezember 1990 III R 92/88, BFHE 163, 190, BStBl II 1991, 305, unter 3., und vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, unter II.3.b), kein konkreter Zeuge benannt war (BFH-Urteil vom 27. Februar 1992 IV R 131/90, BFH/NV 1992, 664, unter 3.b aa) oder der Beweisantrag trotz eines detaillierten Sachvortrags der Gegenseite lediglich pauschale Behauptungen enthielt (BFH-Beschluss vom 17. März 2003 VII B 269/02, BFH/NV 2003, 825). |
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b) Der im Streitfall vom Kläger gestellte und vom FG übergangene Antrag auf Vernehmung des Zeugen J ist demgegenüber anders gelagert. Offenbar hat das FG die Behauptung eines bestimmten Zeitpunkts und Kilometerstands für den unter Beweis gestellten Tachotausch vermisst. Dadurch verliert die im Beweisantrag aufgestellte Tatsachenbehauptung indes nicht ihre Erheblichkeit. Denn angesichts des Umstands, dass das FA –dem das FG letztlich gefolgt ist– aus der unplausiblen Abfolge der Kilometerstände auf eine Manipulation der Tachometer durch den Kläger geschlossen hat und daraus wiederum die Befugnis abgeleitet hat, die für das erste Jahr der Nutzung des Fahrzeugs 3 ermittelte Jahreslaufleistung von 70.000 km auch für alle Folgejahre zugrunde zu legen, würde der Nachweis eines Tachoaustausches –gleich zu welchem Zeitpunkt und mit welchem Kilometerstand während des betrieblichen Einsatzes dieses Fahrzeugs– die logische Kette, die der Argumentation des FA zugrunde liegt, unterbrechen. |
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Der Senat hat bereits mit Beschluss vom 10. März 2005 X B 66/04 (BFH/NV 2005, 1339, unter II.1.c bb) entschieden, dass ein Beweisantrag nicht deshalb unsubstantiiert ist, weil der benannte Zeuge im Zweifel nicht in der Lage sein dürfte, eine exakte Schilderung –im dortigen Fall über den Umfang des kostenlosen Ausschanks eines Gastwirts– abzugeben, sofern nicht ausgeschlossen ist, dass aufgrund der Zeugenaussage bestimmte Modifikationen an den bisher zugrunde gelegten Schätzungsparametern vorzunehmen sind. |
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Ob ein Zeuge für ein Geschehen, das derart lange zurück liegt wie im Streitfall, noch hinreichend konkrete Bekundungen über Zeitpunkt und Art der behaupteten Ereignisse wird abgeben können, ist eine Frage der Erhebung und späteren gerichtlichen Würdigung des Beweises. Jedenfalls verlangt § 373 ZPO vom Beweisantragsteller nicht, den gesamten Inhalt der künftigen Zeugenaussage durch detaillierte Angaben in seinem Beweisantrag vorwegzunehmen. Derartige Anforderungen könnte der Beweisantragsteller regelmäßig nur dann erfüllen, wenn er den Zeugen noch vor dessen Benennung intensiv befragen würde; damit liefe er aber gerade Gefahr, dass ihm dieses Verhalten als Versuch der Zeugenbeeinflussung ausgelegt und die Zeugenaussage damit für das Gericht entwertet würde. |
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Hinzu kommt, dass die im Einzelfall geltenden Substantiierungsanforderungen entscheidend auch vom Grad der Erfüllung der Mitwirkungspflichten der Beteiligten abhängig sind (BFH-Beschluss in BFH/NV 2003, 63, unter II.1.). Vorliegend hatte der Kläger seine Mitwirkungspflichten in Bezug auf den Nachweis der Kilometerstände erfüllt, indem er dem Fahndungsprüfer sämtliche einschlägigen Unterlagen übergeben hatte. Dass diese Unterlagen dem FG nicht mehr vorgelegt werden konnten, lag allein im Verantwortungsbereich des FA. Das FG war dadurch zwar nicht gehindert, ersatzweise die vom Fahndungsprüfer erstellten Aufzeichnungen –als lediglich mittelbare Beweismittel– im Rahmen seiner Gesamtwürdigung zu verwerten, musste in einer derartigen prozessualen Ausnahmesituation aber demjenigen, der den Beweismittelverlust nicht zu vertreten hat, in besonderer Weise Gelegenheit geben, einen Gegenbeweis anzutreten, zumal es selbst darauf hingewiesen hatte, dass die Frage der Kilometerstände des Fahrzeugs 3 der „Dreh- und Angelpunkt“ des Verfahrens sei. Dabei ist ergänzend in den Blick zu nehmen, dass das FA die Feststellungslast für steuererhöhende Umstände trägt, auch wenn eine Entscheidung nach den Regeln der Feststellungslast stets nachrangig zum Versuch der eigenen gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung ist (Senatsurteil vom 23. März 2011 X R 44/09, BFHE 233, 297, BStBl II 2011, 884, unter II.2.). |
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c) Das FG durfte auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrunterstellung nicht von der beantragten Beweisaufnahme absehen. |
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Es hat hierzu ausgeführt, selbst wenn ein Tachotausch unterstellt würde und damit die für die Zeit ab August 2006 vom FA herangezogenen Kilometerstände keine geeignete Schätzungsgrundlage bieten würden, hätte der Kläger für das Fahrzeug 3 keine andere Laufleistung nachgewiesen, so dass diese weiterhin geschätzt werden müsste. |
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Dies ist zwar im Ansatz zutreffend. Der Senat kann jedoch dem weiteren Schluss des FG nicht folgen, dass auch in diesem Fall die Schätzung einer jährlichen Laufleistung von 70.000 km bis zum Ende der betrieblichen Nutzung des Fahrzeugs 3 die größte Wahrscheinlichkeit für sich hätte. Denn nachgewiesen wäre bei Wahrunterstellung der Behauptung des Klägers nur die Laufleistung für das erste Jahr der betrieblichen Nutzung (17. Dezember 1992 bis 31. Januar 1994). Angesichts des Umstands, dass sowohl die weiteren Fahrzeuge des Klägers als auch die in vergleichbaren Taxenbetrieben eingesetzten Fahrzeuge im Durchschnitt eine jährliche Fahrleistung von lediglich 50.000 km aufweisen, wäre die Hochrechnung der sich für das erste Einsatzjahr eines neuen Fahrzeugs ergebenden, ausnehmend hohen Laufleistung von 70.000 km auch auf die nächsten sechs Einsatzjahre so ungewöhnlich, dass sie –immer auf der Grundlage einer Wahrunterstellung der vom Kläger angebotenen Zeugenaussage– einer näheren Begründung bedurft hätte. |
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3. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. |
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Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die Anwendung der Vorschrift des § 160 AO nach deren klarem Wortlaut ein vorheriges erfolgloses Benennungsverlangen voraussetzt. Bereits die Entscheidung darüber, ob ein Benennungsverlangen ergehen soll, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (BFH-Beschluss vom 25. August 1986 IV B 76/86, BFHE 149, 381, BStBl II 1987, 481, unter II.1.). Die Akten enthalten indes keinen Hinweis darauf, dass das FA oder FG ein solches Benennungsverlangen an den Kläger gerichtet und das entsprechende Ermessen ausgeübt haben könnte. |
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Im Übrigen hätte das FG den von ihm zur Gewährung eines zusätzlichen Betriebsausgabenabzugs herangezogenen Umstand, dass sich die geschätzten Erlöse nicht mit den vom Kläger aufgezeichneten Betriebsausgaben erzielen ließen, auch zum Anlass nehmen können, die Schätzung des FA nochmals einer Prüfung zu unterziehen, zumal diese für die Jahre 1993 und 1994 zu geringeren als den vom Kläger selbst erklärten Ergebnissen geführt hat. |
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4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab. |
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