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II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. |
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1. Unbegründet ist die auf die Einzelrichterentscheidung bezogene Verfahrensrüge nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO i.V.m. § 119 Nr. 1 FGO. Der Einzelrichter war gesetzlicher Richter. |
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Zur Wirksamkeit eines Beschlusses nach § 6 FGO genügt die formlose Bekanntgabe (Beschlüsse des Bundesfinanzhof –BFH– vom 10. August 1994 II R 29/94, BFHE 175, 16, BStBl II 1994, 862; vom 10. September 1996 IV R 51/94, BFH/NV 1997, 242, und vom 14. Juni 2006 V B 193/05, BFH/NV 2006, 1854). Diese ist erfolgt. Zum einen kommt für das dem Bevollmächtigten am 25. Mai 2009 erfolgreich übermittelte Telefax nach Aktenlage mangels anderer zu übermittelnder Schriftstücke lediglich dieser Beschluss in Betracht. Zum anderen ergab sich die Übertragung auf den Einzelrichter aus der Ladung, deren Zugang durch Empfangsbekenntnis nachgewiesen ist. |
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2. Begründet sind die weiteren Verfahrensrügen; die Entscheidung verstößt gegen den klaren Inhalt der Akten und gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 76 FGO. Auf diesen Verfahrensmängeln i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO kann die Entscheidung beruhen. |
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Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Zum Gesamtergebnis des Verfahrens gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung einen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (vgl. Senatsurteil vom 30. Juli 2003 X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, m.w.N.). |
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Nach § 76 Abs. 1 Satz 1, 5 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen und ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Allerdings haben nach § 76 Abs. 1 Satz 2, 3 FGO die Beteiligten bei der Sachaufklärung mitzuwirken. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, reduziert sich die Ermittlungspflicht des FG. Stellen Beteiligte, die in der mündlichen Verhandlung rechtskundig vertreten sind, keine auf eine weitere Sachaufklärung gerichteten Anträge, kommt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nur in Betracht, wenn sich dem FG eine weitere Sachaufklärung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 25. März 2010 X B 176/08, BFH/NV 2010, 1455, m.w.N.). |
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a) Das FG hat es zu Unrecht unterlassen, dem Inhalt und dem Verbleib des Schreibens vom 4. Januar 2003 nachzugehen. |
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Zwar befindet sich das im Beschwerdeverfahren im Wege neuen –unzulässigen– Sachvortrages vorgelegte Schreiben vom 4. Januar 2003 nicht in den Akten, die dem FG vorgelegen haben. Jedoch enthalten die Einkommensteuer-Akten einen Hinweis auf ein solches Schreiben und dessen Inhalt. Mit Schreiben vom 13. April 2008, eingegangen beim FA am 30. April 2008 (Bl. 43 der Einkommensteuer-Akten) hatte der Kläger persönlich ausgeführt, es treffe nicht zu, dass er sich innerhalb eines Jahres ("ab Einreichung meines Einspruchs vom 31.10.2002") nicht beim FA gemeldet hätte. Er verweise auf sein Schreiben vom 4. Januar 2003 als Antwort auf ein Schreiben des FA vom Vortage, auf ein Gespräch an Amtsstelle vom 24. März 2003 sowie auf seine Schreiben vom 27. März 2003 und vom 16. August 2003. Die Ausführungen "innerhalb eines Jahres" bezogen sich erkennbar darauf, dass das FA in einem Schreiben vom 27. März 2008 den Klägern mitgeteilt hatte, entscheidend sei, dass er sich innerhalb eines Jahres nicht mehr beim FA gemeldet habe. |
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Aufgrund dieses Anhaltspunktes hätte das FG durch entsprechende Aufklärungsverfügung und ggf. Beiziehung der betreffenden Akten der Frage nachgehen müssen, ob die in dem Schreiben vom 13. April 2008 genannten Schreiben aus dem Jahre 2003 bei dem FA eingegangen waren, welchen Inhalt sie hatten und ob hieraus Erkenntnisse über den streitigen Zugang des Einspruchs zu gewinnen waren. Das Schreiben vom 13. April 2008 enthielt zwar keine genaue Beschreibung des Inhalts der darin zitierten Schreiben. Da aber das FG seine Entscheidung wesentlich auf das Verhalten der Kläger im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens gestützt hat, hatte es Existenz und Inhalt dieser Schreiben zu überprüfen. |
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Die Nachforschung nach diesen Schreiben musste sich dem FG aufdrängen, so dass die Kläger ihr diesbezügliches Rügerecht durch rügelose Verhandlung nicht verloren haben. |
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Die Entscheidung kann i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO auf diesem Aufklärungsmangel beruhen. Sollte sich herausstellen, dass der Kläger zwischen dem Erlass des Bescheides vom 30. September 2002 und der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung vom 25. Juni 2003 auf einen (fristgerechten) Einspruch hingewiesen hat, anschließend jedoch nicht mehr, so erscheint die weitere Einlassung der Kläger, sie hätten später jahrelang nicht mehr auf den Einspruch hingewiesen, da sie hinsichtlich der Bedeutung der Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts geirrt hätten, möglicherweise in einem anderen Licht. |
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b) Das gilt insbesondere angesichts des Umstandes, dass das FG den Vortrag der Kläger, sie seien auf Grund einer Fehlinformation ihres Steuerberatungsbüros von der Bestandskraft der Bescheide ausgegangen, nicht in die Gesamtwürdigung des Sachverhalts einbezogen hat. |
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Das FG hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, ein Irrtum der Kläger über die Bestandskraft der Bescheide sei schon deshalb nicht vorstellbar, weil die Kläger steuerlich beraten gewesen seien. Den Vortrag der Kläger, gerade der steuerliche Berater oder ein Mitarbeiter des Büros habe eine entsprechende fehlerhafte Auskunft erteilt, hat es dagegen weder näher geprüft noch in seine Abwägung einbezogen. |
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Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die behaupteten Fehlinformationen bei den Klägern zu einem Irrtum geführt haben, mit der nicht angefochtenen Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts habe sich der Einspruch gegen den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid erledigt. Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, dass nicht der unter dem Vorbehalt stehende Bescheid, sondern der Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts verfahrensrechtlich "das Wesentliche" sei und angefochten werden müsse. Dies beruht vermutlich auf dem Umstand, dass bis zur Aufhebung des Nachprüfungsvorbehalts eine Änderung auf Antrag jederzeit möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass es die von den Klägern behauptete Falschinformation seitens des Steuerbüros oder ein auf einer entsprechenden unklaren Information beruhendes Missverständnis auf seiten der Kläger gegeben hat. Das FG hätte diese Möglichkeit daher in Betracht ziehen müssen. |
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3. Ob die Überlegungen der Kläger zu einer aus dem Sphärengedanken folgenden Umkehr der Beweislast hinsichtlich des Zugangs des Einspruchsschreibens zu einer Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO führen könnten, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung mehr. |
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4. Der Senat hebt gemäß § 116 Abs. 6 FGO das angefochtene Urteil auf und verweist den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. |
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