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II. Die Revision ist nach § 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen. Das FG hat zwar die für die Änderung des Bescheids über die gesonderte Feststellung des Großspendenvortrags vom 28. Februar 2006 vorrangige Korrekturvorschrift des § 10b Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 nicht angewandt (dazu 1.). Das Urteil stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar. Entscheidend für den Erfolg des Antrags der Klägerin ist, ob wegen einer Änderung der nach § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 zu berücksichtigenden Beträge der Einkommensteuerbescheid 2004 zu ändern war oder dies allein mangels steuerlicher Auswirkungen unterblieb. Es ist daher inzident zu prüfen, ob für die Änderung des Einkommensteuerbescheids Korrekturvorschriften zur Verfügung standen (dazu 2.). |
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1. Aufgrund der in § 10b Abs. 1 Satz 5 EStG 2002 vorgenommenen Globalverweisung gilt die Vorschrift des § 10d EStG 2002 im Falle des Abzugs von Sonderausgaben für steuerbegünstigte Zwecke entsprechend. Daraus folgt, dass der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Großspendenvortrag gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG 2002 gesondert festzustellen ist. Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 sind solche Feststellungsbescheide u.a. zu ändern, soweit sich die nach § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG 2002 bei der Bestimmung des verbleibenden Verlust- bzw. Großspendenvortrags zu berücksichtigenden Beträge (d.h. Besteuerungsgrundlagen; hier: die bei der Ermittlung des Einkommens nicht berücksichtigten Sonderausgaben für Großspenden) ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu ändern ist. Dies gilt gemäß § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2002 auch dann, wenn die Änderung des Steuerbescheids –hier z.B. bei Überschreiten der Höchstbeträge für den Spendenabzug– mangels steuerlicher Auswirkungen unterbleibt. |
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Von diesen allgemeinen Grundsätzen ausgehend, kann die von der Klägerin begehrte Korrektur des Feststellungsbescheids über den verbleibenden Großspendenvortrag gemäß § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2002 erfolgen, wenn die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 verfahrensrechtlich, d.h. gemäß §§ 164 f., §§ 172 ff. AO, noch geändert werden könnte, oder dies allein mangels steuerlicher Auswirkungen unterbleiben würde (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 22. Januar 2013 IX R 11/12, BFH/NV 2013, 1069, Rz 14; Lindberg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 10d Rz 88 f., m.w.N.). |
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§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) schreibt nunmehr –d.h. ab 1. Januar 2011– eine entsprechende Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausdrücklich vor, die Neuregelung gilt gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG jedoch erstmals für Verluste bzw. –im hiesigen Kontext (vgl. § 10b Abs. 1 Satz 10 EStG)– die Höchstsätze übersteigende Großspenden, wenn die Feststellungserklärung nach dem 13. Dezember 2010 abgegeben wird. Vorliegend datiert der insoweit im Streitfall maßgebliche Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheids indes bereits vom 18. September 2008. |
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2. Die Einkommensteuerfestsetzung für 2004 kann aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden. |
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a) Der Senat kann in die rechtliche Prüfung der Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids für 2004 eintreten, obwohl das Einspruchsverfahren nach den Feststellungen des FG nur bislang in Bezug auf den Antrag auf Änderung des Feststellungsbescheids abgeschlossen ist. Die vorzunehmende Bestandskraftprüfung bezweckt nämlich lediglich die Klärung einer im Rahmen der Korrekturvorschrift des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2002 zu beantwortenden Vorfrage. Weder der angegriffene Einkommensteuerbescheid für 2004 noch der Bescheid über Ablehnung des diesbezüglichen Änderungsantrags muss deshalb zum Prozessgegenstand geworden sein. Denn bei den Einkommensteuerbescheiden handelt es sich nicht um für die Beurteilung des Feststellungsbescheids bindende Grundlagenbescheide i.S. von § 171 Abs. 10 Satz 1 AO (vgl. z.B. Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10d Rz D 142 und D 156). |
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b) Hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung für 2004 ist noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Die maßgebliche Vier-Jahres-Frist begann gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nach Einreichung der Einkommensteuererklärung 2004 am 17. Januar 2006 mit Ablauf des Jahres 2006. Sie ist bis zur unanfechtbaren Entscheidung über den Änderungsantrag vom 18. September 2008 gemäß § 171 Abs. 3 AO in ihrem Ablauf gehemmt. |
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c) Allerdings greift vorliegend keine Korrekturvorschrift ein. |
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aa) Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2004 lässt sich nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützen. |
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(1) Die Spenden des X an die Y-GmbH können für sich genommen Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sein. Sie hätten zwar wegen der Ausschöpfung der Höchstbeträge nach § 10b Abs. 1 EStG 2002 nicht mehr zu einer niedrigeren Steuer führen können, was jedoch nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2002 im vorliegenden Zusammenhang unschädlich ist. Es fehlte aber zusätzlich –wie das FG, wenn auch in Bezug auf die Änderung des Feststellungsbescheids, zutreffend ausgeführt hat– im maßgeblichen Zeitpunkt der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung am 9. Januar 2008 (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1983 VI R 8/82, BFHE 140, 18, BStBl II 1984, 256; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 13. Aufl., § 173 Rz 57) an den Zuwendungsbestätigungen gemäß § 50 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 2002. Dabei handelt es sich um materiell-rechtliche Voraussetzungen des Spendenabzugs (ständige Rechtsprechung, vgl. nur Senatsurteile vom 17. Februar 1993 X R 119/90, BFH/NV 1994, 154, unter 3.a, und vom 19. Juli 2011 X R 32/10, BFH/NV 2012, 179, unter II.2.a; Kulosa in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 10b EStG Rz 80; jeweils m.w.N.). Diese wurden nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des FG jeweils erst am 27. August 2008 erstellt und dem FA am 18. September 2008 vorgelegt. |
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Auf die –vom FA ohnehin in Abrede gestellte– hypothetische Erwägung der Klägerin, das FA hätte den von ihr begehrten geänderten Großspenden-Feststellungsbescheid auch ohne Vorlage der Zuwendungsbestätigungen erlassen, kann es deshalb nicht ankommen. |
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(2) Auch handelt es sich bei den Zuwendungsbestätigungen nicht um nachträglich bekannt gewordene "Beweismittel". Sie waren im genannten Zeitpunkt noch nicht existent, sondern wurden erst nachträglich erstellt (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. Februar 2003 VIII R 98/01, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2003, 949, unter 2.c; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 40). |
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bb) Der Einkommensteuerbescheid für 2004 konnte auch nicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden. Es fehlt am "rückwirkenden Ereignis". |
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Das FG hat zu Recht, wenn auch unmittelbar auf den Feststellungsbescheid bezogen, § 175 Abs. 2 Satz 2 AO angewendet. Nach dieser Vorschrift gilt die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung (hier: der Zuwendungsbestätigungen vom 27. August 2008) kraft Gesetzes nicht als "rückwirkendes Ereignis" i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. |
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(1) Das EuGH-Urteil Meilicke II (EU:C:2011:438) stand der Anwendung von § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht entgegen. |
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Die Entscheidung des EuGH betrifft die durch § 175 Abs. 2 Satz 2 AO i.V.m. Art. 97 § 9 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) rückwirkende und ohne Einräumung einer Übergangsfrist geschaffene Sperre für die Berücksichtigung von Bescheinigungen. Im Streitfall aber tritt keine Rückwirkung ein. Ungeachtet der Frage, wann die Spenden geleistet wurden, war am 28. Oktober 2004, dem in Art. 97 § 9 Abs. 3 Satz 1 EGAO genannten Stichtag, die Einkommensteuer 2004 noch gar nicht entstanden. |
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Unabhängig davon hat das FG zutreffend erkannt, dass der Anwendungsbereich des Unionsrechts nicht eröffnet ist. Weder ergibt sich aus den Feststellungen des FG noch hat die Klägerin einen Gesichtspunkt dafür vorgetragen, dass der Streitfall einen wie auch immer gearteten Unionsrechtsbezug aufweist. Dies betrifft nicht nur den durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EUGrdRCh eingegrenzten Anwendungsbereich der Art. 20, 21 EUGrdRCh (vgl. BFH-Urteil vom 11. Februar 2015 I R 3/14, BFHE 249, 448, BStBl II 2015, 816, unter B.I.1.c dd), sondern lässt insbesondere den Hinweis der Klägerin auf das EuGH-Urteil Åkerberg Fransson (EU:C:2013:105) ins Leere laufen. In diesem –im Ausgangspunkt das (steuer-)strafrechtliche Doppelbestrafungsverbot ("ne bis in idem") betreffenden– Fall hatte der EuGH zwar den für die Eröffnung seiner Jurisdiktion erforderlichen Unionsrechtsbezug für gegeben erachtet, weil dem dortigen Kläger die Hinterziehung von unionsrechtlich harmonisierter Mehrwertsteuer zur Last gelegt worden war (vgl. EuGH-Urteil Åkerberg Fransson, EU:C:2013:105, Rz 12, 24 ff.). Im Streitfall ist aber ausschließlich über die rechtsfehlerfreie Anwendung von Vorschriften des nicht harmonisierten Einkommensteuer- bzw. Steuerverfahrensrechts zu befinden. Folglich ist hier –anders als im Fall Åkerberg Fransson– auch kein wenigstens mittelbarer Bezug zu einer der "unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen" (EuGH-Urteil Åkerberg Fransson, EU:C:2013:105, Rz 19) erkennbar. |
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Der EuGH hat im Urteil Åkerberg Fransson ausdrücklich bekräftigt, dass seine Rechtsprechungszuständigkeit nicht begründet ist, wenn eine rechtliche Situation nicht vom Unionsrecht erfasst wird (innerstaatlicher Sachverhalt) und auch die Bestimmungen der EUGrdRCh als solche keine Zuständigkeitserweiterung begründen können (EuGH-Urteil Åkerberg Fransson, EU:C:2013:105, Rz 22). Daran anknüpfend hat das BVerfG in seinem Urteil zur Antiterrordatei vom 24. April 2013 1 BvR 1215/07 (BVerfGE 133, 277, BGBl I 2013, 1270, unter C.) klargestellt, das EuGH-Urteil Åkerberg Fransson dürfe nicht in der Weise verstanden und angewendet werden, dass für eine Bindung der Mitgliedstaaten durch die in der Grundrechtecharta niedergelegten Grundrechte der Europäischen Union (EU) "jeder sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses" ausreiche. Dies gilt in besonderem Maße für das die Unionsrechtsordnung in vielfältiger Weise berührende, nicht harmonisierte, nationale Steuerrecht. |
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(2) Soweit die Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer "umgekehrten Inländerdiskriminierung" eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG rügt, erschließt sich schon nicht, woraus in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung eine Schlechterstellung (Ungleichbehandlung) der Klägerin im Verhältnis zu anderen Unionsbürgern resultieren könnte (vgl. dazu –grundlegend– Böwing-Schmalenbrock, Verbösernde Gleichheit und Inländerdiskriminierung im Steuerrecht, Diss. 2010, S. 102 ff.). Insbesondere erfordert der Sonderausgabenabzug nach § 10b Abs. 1 EStG nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats auch bei Spenden an ausländische Empfänger eine Zuwendungsbestätigung, von der inhaltlich aus unionsrechtlichen Gründen lediglich nicht verlangt wird, dass sie dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck gemäß § 50 EStDV entspricht (Senatsurteil vom 21. Januar 2015 X R 7/13, BFHE 248, 543, BStBl II 2015, 588, unter II.2.c). Im Streitfall scheitert die von der Klägerin begehrte Bescheidänderung indes nicht am Inhalt der Zuwendungsbestätigungen vom 27. August 2008, sondern daran, dass diese nicht lediglich nachträglich "bekannt" geworden sind, sondern nachträglich "erstellt" wurden. |
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3. Sonstige Änderungsvorschriften in Bezug auf den streitigen Bescheid, soweit sie neben § 10b Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG 2002 noch Anwendung finden können, stehen, wie das FG zutreffend erkannt hat, nicht zur Verfügung. |
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4. Die von der Klägerin angeregte Richtervorlage (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) kommt nicht in Betracht, weil der Senat § 175 Abs. 2 Satz 2 AO –ebenso wie der VIII. Senat des BFH, der die Vorschrift bereits in seinem Urteil vom 12. Mai 2015 VIII R 14/13 (BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806, unter II.5.b) weiterhin uneingeschränkt angewendet hat– nicht für verfassungswidrig hält. Das in Art. 267 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelte Vorabentscheidungsverfahren kommt ebenfalls nicht in Betracht. Es betrifft nur die Vorlage unionsrechtlicher Fragestellungen an den EuGH. Der dafür erforderliche Unionsrechtsbezug ist hier jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht festzustellen. |
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. |
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Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung. |
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