|
|
|
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG war zu Unrecht der Ansicht, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten der Kläger geändert werden, weil diesen kein grobes Verschulden vorzuwerfen sei. |
|
|
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. |
|
|
1. Allein streitig ist das Vorliegen eines groben Verschuldens. |
|
|
a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, und vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545). |
|
|
Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346, und in BFH/NV 2009, 545). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, und in BFH/NV 2009, 545). |
|
|
Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige –auch wenn ihm steuerrechtliche Kenntnisse fehlen– dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (z.B. BFH-Urteile vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545, sowie in BFH/NV 2012, 545, zur Angabe von Pflichtbeiträgen Selbständiger zur gesetzlichen Rentenversicherung als Vorsorgeaufwendungen). |
|
|
b) Nach der Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 20. März 2013 VI R 5/11, BFHE 240, 504, sowie VI R 9/12, BFHE 240, 507) handelt der Steuerpflichtige auch dann regelmäßig grob fahrlässig i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn er die dem elektronischen ElsterFormular beigefügten Erläuterungen zur Einkommensteuererklärung unbeachtet lässt, soweit solche Erläuterungen für einen steuerlichen Laien ausreichend verständlich, klar und eindeutig sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFHE 241, 226, zum groben Verschulden eines Beraters in Zusammenhang mit der Erstellung einer elektronischen Steuererklärung). |
|
|
2. Ob der Beteiligte im jeweiligen Einzelfall grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die dazu getroffenen Feststellungen und daraus folgenden Würdigungen des FG können –abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen– von der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 545, m.w.N.). |
|
|
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann das Urteil des FG keinen Bestand haben. |
|
|
Entgegen der Annahme des FG trifft den Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden seiner Zahlungen an die Notarversorgungskasse. Im Streitjahr 2006 hat das Erklärungsformular des Elsterprogramms in Zeile 62 ausdrücklich die Frage nach den als Sonderausgaben abziehbaren Beiträgen zu berufständischen Versorgungseinrichtungen gestellt. Diese Frage hat der Kläger unbeantwortet gelassen. Beantwortet ein Steuerpflichtiger aber eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf bestimmte Vorgänge bezogene Fragen nicht, kann er sich nach ständiger Rechtsprechung nicht auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum berufen (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 441, m.w.N.). |
|
|
Entgegen der Auffassung des FG lässt der Umstand, dass der Kläger seine Steuererklärung mit Hilfe des Elsterprogramms gefertigt hat und dieses keinen vollständigen Ausdruck des Steuererklärungsformulars liefert, sondern letztlich nur die Werte und Kennziffern aufführt, zu denen der Steuerpflichtige Eintragungen vorgenommen hat, das grobe Verschulden des Klägers nicht entfallen. Denn dies mag zwar einen Nachteil der elektronischen Steuererklärung darstellen, betrifft aber nicht den Grund für die Annahme der groben Fahrlässigkeit, nämlich die fehlende An- und Eingabe im ElsterFormular selbst (BFH-Urteil in BFHE 240, 504). Zudem besteht die Möglichkeit, sich den amtlichen Erklärungsvordruck auf dem Bildschirm anzeigen zu lassen. |
|
|
Der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen ist nicht anders auszulegen als bei schriftlich gefertigten Erklärungen. Es gibt hier kein Sonderrecht (BFH-Urteile in BFHE 240, 504; in BFHE 240, 507, und in BFHE 241, 226). Bei Anwendung des Verschuldensmaßstabs des FG wäre im Übrigen ein grobes Verschulden bei unterlassenen Eintragungen im Erklärungsvordruck des ElsterProgramms kaum denkbar; Änderungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wären –entgegen der gesetzgeberischen Intention– die Regel. |
|
|
Im Streitfall trifft den Kläger zudem ein grobes Verschulden bei der Prüfung der Steuererklärung. Der Vergleich der festgesetzten Steuer mit der Probeberechnung des ElsterProgramms ist nicht geeignet, unterlassene Eintragungen im Programm aufzudecken, da diese zwangsläufig in die Probeberechnung nicht eingehen können. Bei einer Prüfung des Steuerbescheids hätte dem Kläger angesichts der Höhe seiner Beiträge zum Versorgungswerk (diese haben 18.457 EUR betragen; im Bescheid sind jedoch nur insgesamt 16.294 EUR Versicherungsbeiträge aufgeführt) auffallen müssen, dass ein erheblicher Betrag nicht in die Steuerberechnung eingegangen ist. Das FA hat im Revisionsverfahren vorgetragen, die abziehbaren Vorsorgeaufwendungen im Jahr 2005 seien nach der Rechtslage des Jahres 2005 berechnet worden. Trifft dies zu –entsprechende Feststellungen des FG fehlen– ist das Verschulden des Klägers bei der Prüfung seines Steuerbescheids für 2006 offensichtlich. Jeder Steuerpflichtige würde sich die Frage stellen, weshalb sich 2005 die abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtslage des Jahres 2005 berechnen, die Vorsorgeaufwendungen des Jahres 2006 jedoch –da für ihn vorteilhaft– nach der Rechtslage im Jahr 2004. Doch selbst wenn die Sonderausgaben im Jahr 2005 nicht nach der Rechtslage des Jahres 2005 berechnet worden sind, hätte die Tatsache, dass für das Streitjahr 2006 die abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtslage des Jahres 2004 wegen des günstigeren Ergebnisses berechnet worden sind, den Kläger wenigstens zu Nachfragen beim FA veranlassen müssen. Das Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes und die damit verbundene bessere Abziehbarkeit der Vorsorgeaufwendungen ab dem 1. Januar 2005 muss dem Kläger angesichts der umfassenden Berichterstattung in den Medien bekannt gewesen sein. |
|
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. |
|