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II. 1. Die Verbindung der Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 FGO. |
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2. Die Zuständigkeit des beschließenden Senats für die Beschwerdeverfahren wegen Einkommensteuer (XI B 129/13) sowie Gewerbesteuermessbetrag, Feststellung des verbleibenden Gewerbeverlusts und Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags (XI B 130/13) ergibt sich aus Nr. I.1. und I.6. der Ergänzenden Regelungen des Geschäftsverteilungsplans des Bundesfinanzhofs (BFH). |
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3. Die Beschwerden sind begründet; sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sachen an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO). |
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Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung rechtlichen Gehörs liegt vor. Das FG hat die Klagen zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Eine unzutreffende Klageabweisung durch Prozessurteil ist ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. März 2000 II B 48/99, BFH/NV 2000, 1112; vom 18. August 2011 V B 44/10, BFH/NV 2011, 2084) und verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. April 2009 X B 43/08, BFH/NV 2009, 1443; vom 5. Februar 2014 XI B 73/13, BFH/NV 2014, 872; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler –HHSp–, § 115 FGO Rz 234; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 104; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 80 "Auslegung der Klageschrift"). |
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a) Nach § 65 Abs. 1 FGO muss die Klageschrift u.a. den Beklagten bezeichnen. Richtet sich die Klage nicht gegen die nach § 63 FGO zu verklagende Behörde, führt dies nicht dazu, dass das FG die beklagte Behörde durch die passivlegitimierte zu ersetzen hat, sondern zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, m.w.N.). Wird der in der Klageschrift benannte Beklagte nach Einreichung der Klage ausgewechselt, liegt eine (subjektive) Klageänderung i.S. des § 67 FGO vor, die nur statthaft ist, wenn sowohl das ursprüngliche als auch das geänderte Klagebegehren alle Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt (z.B. BFH-Urteil vom 22. Januar 2004 III R 26/02, BFH/NV 2004, 792). Daraus folgt, dass bei fristgebundenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen eine subjektive Klageänderung nur innerhalb der Klagefrist zulässig ist (z.B. BFH-Urteile vom 26. Februar 1980 VII R 60/78, BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; vom 23. März 2005 III R 20/03, BFHE 209, 29, BStBl II 2006, 432). |
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b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, auf die sich das FG gestützt hat, kommt bei einer Klageschrift, in der ein Beklagter ausdrücklich und unmissverständlich benannt worden ist, eine berichtigende Auslegung nicht in Betracht, weil es an der Auslegungsbedürftigkeit einer Erklärung fehle, wenn sie nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; BFH-Beschlüsse vom 30. Januar 1997 I B 69/96, BFH/NV 1997, 588; vom 11. März 1999 V B 154/98, BFH/NV 1999, 1226; vom 27. August 2007 IV B 98/06, BFH/NV 2007, 2322; s.a. BFH-Urteil vom 16. April 1985 VII K 17/84, BFH/NV 1985, 119; dazu kritisch Brandis in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 65 FGO Rz 10; Schallmoser in HHSp, § 65 FGO Rz 60). |
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c) Lässt sich hingegen einer Klageschrift nicht eindeutig entnehmen, gegen welche Finanzbehörde sich die Klage richtet, ist die Klageschrift auszulegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331; vom 15. Mai 1990 VII R 7/88, BFHE 161, 395, BStBl II 1990, 1007, juris – Rz 5 f.; vom 26. Februar 1991 IX R 95/88, BFHE 163, 562, BStBl II 1991, 572), wobei als Auslegungshilfe der Gesichtspunkt dienen kann, dass die Klage im Zweifel nicht gegen den falschen, sondern gegen den nach dem Inhalt der Klage richtigen Beklagten gerichtet sein soll (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 1982 1 C 62/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1983, 172; BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 792). Die Bezeichnung der Partei allein ist für die Parteistellung nicht ausschlaggebend; vielmehr kommt es darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (vgl. BFH-Urteile vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178; vom 9. November 1994 XI R 10/94, BFH/NV 1995, 859). Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. November 2007 I B 104/07, BFH/NV 2008, 799; vom 29. Juli 2009 VI B 44/09, BFH/NV 2009, 1822). Es ist der wirkliche Wille zu erforschen, und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Die Vorschrift des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nämlich auch bei der Auslegung von Prozesshandlungen zu beachten (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23. Oktober 1989 GrS 2/87, BFHE 159, 4, BStBl II 1990, 327, unter C.II.4.). |
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d) Eine Änderung des Rubrums einer Klageschrift ist möglich, sofern für Gericht und Gegner von Anfang an klar erkennbar ist, wer durch die unrichtige Parteibezeichnung als Partei angesprochen werden sollte (BFH-Beschluss vom 16. August 2001 V B 51/01, BFHE 196, 16, BStBl II 2001, 767, m.w.N.). |
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e) Da im finanzgerichtlichen Verfahren die Klage sowohl beim FG als auch bei der Behörde eingereicht werden kann, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat (§ 47 Abs. 2 FGO), sind bei der Auslegung einer beim FG eingereichten Klageschrift nicht nur die dem FG als Adressaten, sondern auch die im Zeitpunkt des Klageeingangs der Behörde bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 2011 III R 74/10, BFH/NV 2011, 1705). Die Auslegung der Klageschrift darf deshalb nicht davon abhängen, wann die zu ihrer Auslegung heranzuziehenden Umstände dem FG als möglichem Adressaten der Klageschrift bekanntgeworden sind (BFH-Urteile vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296, BStBl II 1989, 846; vom 16. Juni 1994 IV R 97/93, BFH/NV 1995, 279). Diese weniger formstrenge Betrachtung trägt dem aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes abzuleitenden Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung Rechnung (vgl. BFH-Urteile vom 8. Januar 1991 VII R 61/88, BFH/NV 1991, 795; vom 11. Dezember 1992 VI R 162/88, BFHE 169, 507, BStBl II 1993, 306; in BFH/NV 2011, 1705, Rz 10). |
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f) Ausgehend davon ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klagen unzulässig sind, weil Beklagter eindeutig und unmissverständlich das FA X II sei. |
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aa) Dem FG ist dabei zunächst zuzugeben, dass die isolierte Betrachtung der Formulierung in den Klageschriften "gegen FA X II" für die Auslegung des FG spricht. Allerdings wäre bei einer derart isolierten Betrachtung niemals ein Fall der berichtigungsfähigen Falschbezeichnung eines Beklagten denkbar. Deshalb muss die Klageschrift als Ganzes in den Blick genommen werden. Das FG hat bei seiner Auslegung der Klageschriften nicht berücksichtigt, dass es im Streitfall um die zutreffende Bezeichnung eines Finanzamts von mehreren Finanzämtern einer Großstadt ging, deren Bezeichnung sich lediglich durch die Beifügung einer römischen Ziffer ("II" bzw. "IV") unterschied und dass in derartigen Fällen eine (versehentliche) Falschbezeichnung besonders naheliegend ist. Zudem hatte der Kläger in allen Verfahren die angefochtenen Verwaltungsakte und Einspruchsentscheidungen eindeutig bezeichnet. |
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Im Verfahren 10 K 2124/11 ergab sich die Auslegungsbedürftigkeit der Klageschrift außerdem daraus, dass der angefochtene Bescheid von einem –nicht existierenden– "FA X" (ohne Zusatz) stammen soll. Auch dies zeigt, dass (auch) diese Klageschrift nicht unmissverständlich, sondern unklar und widersprüchlich abgefasst war. |
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bb) Dass die Angaben des Klägers in den Klageschriften, obwohl er dort seine Steuernummer nicht genannt hat, die Auslegung zuließ, dass das FA X IV Beklagter sein soll, wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass sich das FA X IV in allen Verfahren mit Schreiben vom 21. September 2011 selbst als Beklagten angesehen und bezeichnet hat, obwohl nicht ihm, sondern dem FA X II die Klage zugestellt worden ist. Ebenso ist es im Schreiben vom 7. Oktober 2011 verfahren. Selbst noch im Schreiben vom 25. November 2011 hat sich das FA X IV als Beklagten bezeichnet und angesehen. |
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Das FA X II musste dagegen vom FG unter dem 28. November 2011 gesondert aufgefordert werden, auf die Klagen zu erwidern, weil es sich selbst –trotz Zustellung der Klagen an das FA X II– nicht als Beklagten angesehen hat. |
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Im finanzgerichtlichen Verfahren unterliegt die Bestimmung des richtigen Klägers oder Beklagten zwar nicht der Disposition der Beteiligten (BFH-Beschluss vom 15. März 2002 VII B 120/01, BFH/NV 2002, 943; BFH-Urteil in BFHE 209, 29, BStBl II 2006, 432). Jedoch zeigt das Verhalten der beiden Finanzämter, dass im Streitfall nicht davon gesprochen werden kann, dass –wie das FG meint– Beklagter "unmissverständlich" das FA X II hätte sein sollen. |
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cc) Der Senat weicht mit dieser Auslegung nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 130, 12, BStBl II 1980, 331 und dem BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 588 ab; denn im Streitfall bestehen entscheidungserhebliche Unterschiede in der Art der Falschbezeichnung, die dazu führen, dass hier –anders als dort– die Bezeichnung des Beklagten nicht unmissverständlich war, was sich schon daran zeigt, dass das FA X IV vom FG quasi aus den Verfahren gewiesen werden musste, obwohl es nach seiner Auslegung der Klageschriften annahm, Beklagter zu sein. |
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4. Es erscheint sachgerecht, gemäß § 116 Abs. 6 FGO die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Rechtsstreite zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, da bei unzutreffender Abweisung einer Klage als unzulässig von einer Revisionsentscheidung regelmäßig keine weitere rechtliche Klärung zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Januar 2010 II B 107/09, BFH/NV 2010, 938; vom 22. März 2012 XI B 1/12, BFH/NV 2012, 1170, Rz 19). |
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5. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung. |
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6. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. |
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