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II. Die Beschwerde ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids bestehen. Eines besonderen berechtigten Interesses bedarf es –entgegen der Auffassung des FA– im Streitfall nicht. |
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1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen. |
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Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. September 2014 XI S 14/14, BFH/NV 2015, 158, Rz 33; vom 20. Januar 2015 XI B 112/14, BFH/NV 2015, 537, Rz 15; jeweils m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2015, 158, Rz 33; in BFH/NV 2015, 537, Rz 15; jeweils m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. April 2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973, Rz 12; vom 11. Juli 2013 XI B 41/13, BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; in BFH/NV 2015, 537, Rz 15; jeweils m.w.N.). |
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2. Gemessen daran bestehen nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschlüsse in DStR 2016, 239; vom 27. Januar 2016 V B 87/15, DStR 2016, 470) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden, die auf § 27 Abs. 19 UStG gestützt sind. Der Senat verweist zur weiteren Begründung auf seine Ausführungen im BFH-Beschluss in BFHE 252, 181, BStBl II 2016, 192, an denen er festhält. Der vom FA hervorgehobene Umstand, dass das Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2016, 338 rechtskräftig geworden ist, ändert nichts daran, dass die sich stellenden Rechtsfragen höchstrichterlich ungeklärt sind und in Rechtsprechung und Literatur zur Vereinbarkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG mit Verfassungsrecht und Unionsrecht unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. |
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3. Entgegen der Auffassung des FA ist auch kein besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich. |
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a) Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschlüsse vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BFHE 140, 396, BStBl II 1984, 454; vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 9. März 2012 VII B 171/11, BFHE 236, 206, BStBl II 2012, 418; vom 15. April 2014 II B 71/13, BFH/NV 2015, 7) bei ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes ein besonderes berechtigtes Interesse an der AdV erforderlich. Der erkennende Senat ist dieser Rechtsprechung bisher gefolgt (bejahend aus früherer Zeit z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 7. Juli 2004 XI B 231/02, BFH/NV 2005, 178). |
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Ob an dieser Rechtsprechung weiter festzuhalten ist, wird von mehreren Senaten des BFH offen gelassen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. August 2007 IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270; vom 25. August 2009 VI B 69/09, BFHE 226, 85, BStBl II 2009, 826; vom 9. Mai 2012 I B 18/12, BFH/NV 2012, 1489; s. zur abnehmenden Bedeutung staatlicher Haushaltsinteressen auch BFH-Beschluss vom 21. Mai 2010 IV B 88/09, BFH/NV 2010, 1613, Rz 17). |
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b) Ob die unter a) angeführte Rechtsprechung des BFH mit dem Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zuletzt ausdrücklich offen gelassen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 24. Oktober 2011 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11, Neue Juristische Wochenschrift 2012, 372; vom 6. Mai 2013 1 BvR 821/13, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2013, 639, Rz 7). |
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c) Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung darüber, ob an dieser Rechtsprechung weiter festzuhalten ist. Das FG hat nämlich zu Recht betont, dass außerdem ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG mit Unionsrecht bestehen. Jedenfalls dann, wenn es um die Vereinbarkeit einzelner Steuerrechtsnormen mit Unionsrecht geht (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschluss vom 25. November 2014 VII B 65/14, BFHE 247, 182, BStBl II 2015, 207, Rz 23 ff.), ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kein besonderes Aussetzungsinteresse erforderlich; es wird von den Umsatzsteuersenaten des BFH noch nicht einmal geprüft (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 1994 V S 11/93, BFH/NV 1995, 368; vom 30. November 2000 V B 187/00, BFH/NV 2001, 657; vom 19. Dezember 2012 V S 30/12, BFH/NV 2013, 779; vom 12. Dezember 2013 XI B 88/13, BFH/NV 2014, 550; zur Ertragsteuer s. ausdrücklich BFH-Beschlüsse vom 24. März 1998 I B 100/97, BFHE 185, 467, BFH/NV 1998, 1172, unter II.3., Rz 10; vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523, unter II.1.b, Rz 7). Auf ein besonderes Aussetzungsinteresse kommt es deshalb auch vorliegend nicht an (vgl. Rauch, HFR 2016, 394). |
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. |
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