XI B 136/13 – Zum Vorsteuerabzug aus der Sanierung eines asbesthaltigen Daches eines Stallgebäudes zur Errichtung einer Photovoltaikanlage

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 12.3.2014, XI B 136/13

Zum Vorsteuerabzug aus der Sanierung eines asbesthaltigen Daches eines Stallgebäudes zur Errichtung einer Photovoltaikanlage

Tatbestand

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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unterhielt im Streitjahr 2010 einen landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterlagen.
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Im Zeitraum von April bis August 2010 errichtete der Kläger auf der Südseite der Dachfläche eines für den landwirtschaftlichen Betrieb genutzten Stallgebäudes eine Photovoltaikanlage (PV-Anlage), mit der er ab Oktober 2010 durch Veräußerung des erzeugten Stroms an einen Netzbetreiber umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausführte. Vor Montage der PV-Anlage wurde –was Voraussetzung für die Baugenehmigung zur Errichtung der PV-Anlage war– die asbesthaltige, nicht sanierungsbedürftige Wellplattenbedachung auf der Südseite des Daches abgenommen und gegen eine Blechbedachung ausgetauscht.
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Mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Mai 2010 machte der Kläger die Vorsteuer aus der Dachsanierung der Südseite des Daches in Höhe von … EUR geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) ließ die vom Kläger geltend gemachte Vorsteuer nicht zum Abzug zu und setzte mit Bescheid vom 1. Oktober 2010 die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Mai 2010 in Höhe von … EUR fest.
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Hiergegen erhob der Kläger mit Zustimmung des FA Sprungklage.
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Nach Klageerhebung erließ das FA am 13. April 2012 den Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2010, ohne darin die streitige Vorsteuer aus der Dachsanierung zum Abzug zuzulassen. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2012 –der entsprechend § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens wurde– änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung für 2010 und erkannte nunmehr die streitige Vorsteuer aus der Dachsanierung anteilig in Höhe von … EUR an.
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Die nach § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO ohne Vorverfahren zulässige Klage, mit der der Kläger über den vom FA in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) zugesagten weiteren Vorsteuerabzug aus der Dachsanierung in Höhe von … EUR hinaus sein Begehren weiter verfolgte und die Anerkennung weiterer Vorsteuerbeträge in Höhe von … EUR beantragte, hatte keinen Erfolg.
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Das FG führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, dass ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang der Dachsanierung mit dem gesamten Stallgebäude vorliege, das im Rahmen des landwirtschaftlichen Betriebs auch zur Ausführung von Umsätzen verwendet werde, für die aufgrund der Durchschnittssatzbesteuerung der Vorsteuerabzug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen sei. Ein vollständiger Vorsteuerabzug komme mithin nicht in Betracht; die Vorsteuerbeträge seien entsprechend § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen.
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Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde.

Entscheidungsgründe

 
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II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist als unbegründet zurückzuweisen.
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1. Der –vom Kläger mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde allein geltend gemachte– Revisionszulassungsgrund der Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist entweder nicht gegeben oder nicht den Anforderungen i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.
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a) Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, soweit der Kläger eine Abweichung der Vorentscheidung von dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 21. Februar 2013 C-104/12 –Becker– (Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2013, 220, Mehrwertsteuerrecht –MwStR– 2013, 129) rügt.
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aa) Es kann dahinstehen, ob der Kläger insoweit den Zulassungsgrund der Divergenz den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargetan hat (vgl. dazu nachfolgend unter II.1.b aa). Die behauptete Abweichung liegt jedenfalls nicht vor.
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bb) Von einer die einheitliche Rechtsprechung gefährdenden Abweichung i.S. der 2. Alternative des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann nur gesprochen werden, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein anderes Gericht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH–- vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116, unter II.5., m.w.N.). Daran fehlt es hier.
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(1) Der EuGH führte in dem vom Kläger als Divergenzentscheidung bezeichneten Urteil –Becker– in UR 2013, 220, MwStR 2013, 129 aus, dass "der Umstand, dass die Feststellung des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einer Dienstleistung und der gesamten steuerpflichtigen Tätigkeit anhand des objektiven Inhalts dieser Dienstleistung vorgenommen werden muss, nicht [ausschließe], dass auch der ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes berücksichtigt werden kann, da dieser als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts anzusehen ist" (Rz 29).
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(2) Das FG vertritt im Streitfall –entgegen der Ansicht des Klägers– keine hiervon abweichende Rechtsauffassung, soweit es in den Entscheidungsgründen ausführt, dass "für die Bestimmung des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs … in erster Linie der objektive Inhalt der Dachsanierung maßgeblich [ist], nicht aber der ausschließliche Entstehungsgrund der Aufwendungen für die Dachsanierung". Der ausschließliche Entstehungsgrund bilde –so das FG weiter– allenfalls ein Indiz für den objektiven Inhalt der Dachsanierung.
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(3) Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann demnach auch nach der vom FG vertretenen Rechtsansicht –im Einklang mit der nach Ansicht des Klägers divergierenden Rechtsprechung des EuGH –Becker– in UR 2013, 220, MwStR 2013, 129, Rz 29– der ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes hinsichtlich des für den Vorsteuerabzug erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangsleistung und der Tätigkeit des Steuerpflichtigen Berücksichtigung finden. Mithin liegt keine Nichtübereinstimmung verschiedener Gerichte im Grundsätzlichen vor, die zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordern würde.
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b) Soweit der Kläger die geltend gemachte Divergenz darüber hinaus auch darauf stützt, dass das angefochtene Urteil und die vom FG in Bezug genommene Rechtsprechung des BFH "zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung der Gerichte" führe, die Vorentscheidung von der Rechtsprechung des FG Nürnberg abweiche und das FG Rechtsgrundsätze sowie die aktuelle Rechtsprechung des EuGH nicht beachtet habe, was zu einer Divergenz führe, welche die Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere, hat er schon die Voraussetzungen dieses Revisionszulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargetan.
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aa) Zur Darlegung einer Divergenz in diesem Sinne ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Divergenzentscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819; vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199; vom 6. Dezember 2011 XI B 44/11, BFH/NV 2012, 745; vom 5. Juni 2013 XI B 116/12, BFH/NV 2013, 1640, jeweils m.w.N.).
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bb) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Er legt insoweit schon keinen rechtserheblichen abstrakten Rechtssatz im angefochtenen Urteil und in einer angeführten Divergenzentscheidung dar. Der Kläger macht mit seinem Beschwerdevorbringen lediglich eine nach seiner Auffassung unzutreffende Rechtsanwendung geltend, was die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen vermag (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 1. April 2011 XI B 75/10, BFH/NV 2011, 1372; vom 16. August 2013 III B 144/12, BFH/NV 2013, 1816).
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c) Nichts anderes ergibt sich schließlich aus der –zumal außerhalb der Beschwerdebegründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) vorgebrachten– Bezugnahme des Klägers auf das Senatsurteil vom 13. November 2013 XI R 2/11 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2014, 467), wonach der angerufene Senat des BFH seine noch im Beschluss vom 11. Juni 2008 XI B 194/07 (BFH/NV 2008, 1548), den das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt habe, vertretene Rechtsauffassung aufgegeben habe, was aufgrund dieser "nun vorliegenden Divergenzentscheidung … eine Entscheidung des BFH … unerlässlich" mache.
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Auch insoweit hat der Kläger keine rechtserheblichen abstrakten Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in der von ihm angeführten Divergenzentscheidung dargetan.
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d) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zur Sicherung der Rechtseinheit auch dann zuzulassen, wenn die angefochtene Entscheidung des FG in einem solchen Maße fehlerhaft ist, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur wiederhergestellt werden könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. März 2010 X B 118/09, BFH/NV 2010, 1277; vom 10. Januar 2012 XI B 80/11, BFH/NV 2012, 815, Rz 18 f., jeweils m.w.N.).
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Mit seinem Vorbringen rügt der Kläger keinen offensichtlichen Rechtsfehler von erheblichem Gewicht, der die angegriffene Entscheidung als willkürlich oder greifbar gesetzwidrig erscheinen ließe und geeignet wäre, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.
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2. Der Kläger hat mit seinem Beschwerdevorbringen ferner weder den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch den der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) geltend gemacht oder einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gerügt.
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Zudem ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass bei Erhaltungsaufwand wie bei einer Dachreparatur, der dem gesamten Gebäude zuzurechnen ist, sich der Vorsteuerabzug nach der Verwendung des gesamten Gebäudes richtet (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Dezember 2009 V R 13/08, BFH/NV 2010, 960, unter II.2., m.w.N.; Senatsurteile vom 19. Juli 2011 XI R 29/10, BFHE 234, 564, BStBl II 2012, 438, Rz 32; vom 14. März 2012 XI R 26/11, BFH/NV 2012, 1192).
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Neue Gesichtspunkte, weshalb die höchstrichterlich beantwortete Rechtsfrage weiterhin umstritten sei, insbesondere welche neuen und gewichtigen Argumente, die der BFH noch nicht erwogen habe, gegen seine Rechtsauffassung sprächen, so dass gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH erforderlich sei, hat der Kläger im Übrigen weder schlüssig vorgebracht noch sind solche ersichtlich. Sie ergeben sich ebenso wenig aus der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des EuGH –Becker–- in UR 2013, 220, MwStR 2013, 129.
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3. Der Kläger hält im Kern mit seinem Beschwerdevorbringen die Rechtsauffassung des FG sowie die des angerufenen Senats für falsch und stellt die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage. Dies begründet grundsätzlich keinen Revisionszulassungsgrund (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 5. Juni 2008 IX B 249/07, BFH/NV 2008, 1512; vom 22. März 2012 IV B 97/11, BFH/NV 2012, 1159, jeweils m.w.N.).
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4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).

Quelle: bundesfinanzhof.de