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II. Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
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1. Das angefochtene Urteil ist, soweit es die Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Kalendermonate Januar und Februar 2010 betrifft, bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. |
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Das FG hat über den Bescheid vom 5. Mai 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 10. August 2010, mit denen die vom Kläger beantragte Änderung u.a. der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Januar und Februar 2010 abgelehnt wurde, entschieden. Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 18. Juli 2013 den Umsatzsteuerbescheid für 2010 erlassen, der nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2011 IV R 3/10, BFHE 235, 346, BStBl II 2012, 14, Rz 11). Die Umsatzsteuer-Jahresfestsetzung nimmt materiell-rechtlich den Inhalt der Steuerfestsetzungen für die Voranmeldungszeiträume in sich auf; die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide verlieren ihre Wirksamkeit (vgl. Senatsurteil vom 24. April 2013 XI R 25/10, BFHE 241, 451, BFH/NV 2013, 1517, Rz 32). Danach befasst sich die Vorentscheidung mit der beantragten Änderung nicht mehr existierender Bescheide mit der Folge, dass auch das Urteil des FG insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFHE 232, 463, BStBl II 2011, 540; vom 10. Oktober 2012 VIII R 44/10, BFH/NV 2013, 359, jeweils m.w.N.). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind hierdurch jedoch nicht weggefallen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 28. Juni 2012 III R 86/09, BFHE 238, 68, BFH/NV 2012, 1863). |
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2. Im Übrigen hat das FG zwar zu Recht entschieden, dass die vom Kläger ausgeführten Betreuungsleistungen nicht in den Anwendungsbereich der in § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG vorgesehenen Steuerbefreiung fallen. Entgegen der Vorentscheidung kann sich der Kläger jedoch mit Erfolg auf die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG bzw. ab 2007 in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL vorgesehene Steuerbefreiung berufen; diesbezüglich sind noch weitere Feststellungen zu treffen. |
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a) Die vom Kläger in den Streitjahren ausgeführten Betreuungsleistungen sind nicht nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG von der Steuer befreit. |
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aa) Nach dieser Vorschrift sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei: "… 18. die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, wenn
a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugute kommen und c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben." |
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bb) Der Kläger erfüllte nicht die in der Person des leistenden Unternehmers erforderlichen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. |
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b) Allerdings können die Leistungen des Klägers nach Unionsrecht steuerfrei sein. Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG bzw. nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten u.a. "die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen … durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen". |
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Diese Richtlinienbestimmungen waren in den Streitjahren lediglich dadurch "umgesetzt" worden, dass das UStG die bereits bei Inkrafttreten der Richtlinie 77/388/EWG vorhandenen, teilweise bereits im UStG 1951 enthaltenen Steuerbefreiungstatbestände im Wesentlichen unverändert weitergeführt hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; in BFHE 224, 183, BFH/NV 2009, 869; vom 8. Juni 2011 XI R 22/09, BFHE 234, 448, BFH/NV 2011, 1804). |
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aa) Der Kläger kann sich in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH–, vgl. z.B. Urteil vom 10. September 2002 C-141/00 –Kügler–, Slg. 2002, I-6833, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2002, 1146, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2002, 513, Rz 51). |
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Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zählen die Tätigkeiten, die steuerfrei sind, hinreichend genau und unbedingt auf (vgl. EuGH-Urteil –Kügler– in Slg. 2002, I-6833, HFR 2002, 1146, UR 2002, 513, Rz 53). |
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bb) Bei den Betreuungsleistungen i.S. der §§ 1896 ff. BGB, wie sie der Kläger in den Streitjahren erbracht hat, handelt es sich um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG sowie Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, wie der BFH bereits entschieden hat (vgl. Urteile in BFHE 224, 183, BFH/NV 2009, 869, und vom 25. April 2013 V R 7/11, BFHE 241, 475, BFH/NV 2013, 1521). Hierauf nimmt der erkennende Senat Bezug. |
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cc) Der Kläger ist auch eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG und Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. |
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Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der erkennende Senat insoweit auf das BFH-Urteil in BFHE 241, 475 BFH/NV 2013, 1521, Rz 22 ff. Bezug. |
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dd) Es liegen auch keine sonstigen Gründe vor, die einer Berufung des Klägers auf das Unionsrecht entgegenstehen. Die Leistungen des Klägers sind keine solchen, die i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 134 MwStSystRL als für die soziale Sicherheit "nicht unerlässlich" anzusehen sind oder die im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden. |
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c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen, sein Urteil ist daher aufzuheben. |
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. |
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Das FG hat –ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht– im Hinblick auf eine mögliche Steuerschuld nach § 14c Abs. 1 UStG nicht festgestellt, ob der Kläger in seinen Rechnungen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hat (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673; vom 24. April 2013 XI R 9/11, BFH/NV 2013, 1457). |
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Auch steht nicht fest, ob der Kläger Vergütungen i.S. von § 1908i i.V.m. § 1835 Abs. 3 BGB erhalten hat. Als Aufwendungen gelten danach auch solche Dienste, die zum Gewerbe oder zum Beruf des Betreuers gehören. Leistungen, die nach diesen Vorschriften vergütet werden, sind nicht nach dem Unionsrecht steuerfrei, sondern nur solche, deren Schwerpunkt in der Betreuung der kranken oder behinderten Person liegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 475, BFH/NV 2013, 1521, Rz 38). |
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Die Sache geht deshalb zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG zurück. |
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