|
|
|
II. Die Revision des FA ist zulässig, aber unbegründet. |
|
|
A. Die Revision ist zulässig. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers am 1. September 2010 wurde zwar das zu diesem Zeitpunkt mangels Zustellung des Urteils (§ 104 Abs. 2 FGO) noch nicht abgeschlossene Klageverfahren nach § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen. Gleichwohl war die Einlegung der Revision durch das FA wirksam (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 1990 III ZB 39/89, BGHZ 111, 104). |
|
|
B. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). |
|
|
I. Entgegen der Auffassung des FA wurde das Urteil des FG wirksam erlassen und bekanntgemacht. |
|
|
Denn nach § 249 Abs. 3 ZPO wird die Verkündung der aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht durch die nach dem Schluss dieser Verhandlung eintretende Unterbrechung gehindert. Diese Vorschrift ist entsprechend anwendbar, wenn das Gericht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet und die Entscheidung zuzustellen ist (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 1991 V R 117/85, BFHE 163, 410, BStBl II 1991, 466). Dasselbe gilt, wenn im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens –wie hier am 1. September 2010– keine Fristen mehr liefen und keine Prozesshandlungen zur wirksamen Wahrnehmung der Interessen des Beteiligten mehr erforderlich waren (vgl. BFH-Beschluss vom 21. November 2002 VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485). |
|
|
Insofern unterscheidet sich der Streitfall von dem Sachverhalt, der dem BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 365 zugrunde lag. Dort war die Unterbrechung des Verfahrens vor der mündlichen Verhandlung eingetreten. |
|
|
II. Die Entscheidung des FG, der (damalige) Kläger habe mit der Vermietung der Räume an Senioren und den von den Kassen erstatteten ambulanten Pflegeleistungen (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung) jeweils umsatzsteuerfreie Hauptleistungen erbracht, hält revisionsrechtlicher Prüfung stand. |
|
|
1. Die langfristige Vermietung möblierter Räume ist nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 21/08, BFH/NV 2010, 473). |
|
|
Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG ferner u.a. die mit dem Betrieb der Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen eng verbundenen Umsätze, wenn –wie im Streitfall– im vorangegangenen Kalenderjahr die Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 30. Juli 2008 XI R 61/07, BFHE 222, 134, BStBl II 2009, 68). |
|
|
2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass diese Vorschriften, deren Voraussetzungen unstreitig vorliegen, anwendbar sind. Seine Beurteilung, im Streitfall eine einheitliche Leistung zu verneinen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. |
|
|
a) Das FG hat seiner Entscheidung –wie das FA einräumt– die maßgeblichen Abgrenzungsgrundsätze für die Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, zugrunde gelegt (vgl. dazu z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– vom 11. Juni 2009 Rs. C-572/07 –RLRE Tellmer Property–, Slg. 2009, I-4983, BFH/NV 2009, 1368, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2009, 1260, Rz 17 ff.; BFH-Urteile vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.b, m.w.N; vom 25. Juni 2009 V R 25/07, BFHE 226, 407, BStBl II 2010, 239, unter II.2.b; vom 10. Februar 2010 XI R 49/07, BFHE 228, 456, BStBl 2010, 1109, unter II.3.a). |
|
|
b) Das FG hat davon ausgehend in nicht zu beanstandender Weise entschieden, bei der Überlassung des Wohnraums und den Pflegeleistungen handele es sich jeweils um Hauptleistungen, die gesonderten Zwecken gedient hätten. |
|
|
Hierzu hat es zutreffend u.a. ausgeführt, die Leistungen hätten zwar insofern in einem Zusammenhang gestanden, dass der Kläger beide Leistungen erbracht und diese in einem für die Leistungsempfänger vorteilhaften räumlichen und organisatorischen Zusammenhang angeboten habe. Es könne jedoch dahingestellt bleiben, ob die Senioren faktisch alle vom Kläger angebotenen Leistungen in Anspruch genommen hätten. Rechtlich seien über beide Leistungen –Miete und ambulante Pflege– gesonderte Verträge abgeschlossen worden, die keine Verknüpfungen der Leistungen enthalten hätten. Beide Leistungen hätten wesentlich unterschiedliche Leistungen zum Gegenstand und seien klar voneinander getrennt. Die Mieter seien nicht verpflichtet gewesen, auch die Pflege- oder andere Leistungen des Klägers in Anspruch zu nehmen. Besonders deutlich werde dies an den unterschiedlichen Kündigungsfristen. Ferner sei das Entgelt jeweils ausschließlich auf den jeweiligen Leistungsgegenstand bezogen gewesen und habe in keiner Abhängigkeit oder Verbindung zu dem jeweils anderen Entgelt gestanden. Maßgeblich sei insofern die vertragliche Trennung mit gesonderten Entgeltvereinbarungen. Dies folge auch aus dem Urteil des EuGH –RLRE Tellmer Property– in Slg. 2009, I-4983, BFH/NV 2009, 1368, DStR 2009, 1260, wonach bei Anwendung von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern die Vermietung eines Grundstücks und die Dienstleistung der Reinigung seiner Gemeinschaftsräume als selbständige, voneinander trennbare Umsätze anzusehen seien, so dass die Reinigung nicht steuerfrei sei, was insbesondere darauf beruhe, dass für die Reinigungsleistung eine eigenständige Preisvereinbarung vorgelegen habe. |
|
|
Nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des FG, nach den festgestellten tatsächlichen Verhältnissen sei das Wohnen der Mieter Hauptzweck der Mietleistung und nicht gegenüber den Pflegeleistungen von untergeordneter Bedeutung. |
|
|
c) Aus diesen zutreffenden Ausführungen des FG folgt, dass die Vermietungsleistung und die Pflegeleistungen jeweils als eigenständige, selbständige Leistungen zu betrachten sind und weder im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung standen (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1712, unter II.3.) noch so eng miteinander verbunden waren, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04 –Levob–, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38, Rz 22 bis 25; vom 29. März 2007 Rs. C-111/05 –Aktiebolaget NN–, Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293, Rz 23 bis 26; vom 19. November 2009 Rs. C-461/08 –Don Bosco–, Slg. 2009, I-11079, BFH/NV 2010, 144, Rz 38 bis 41). |
|
|
d) Soweit das FA einwendet, das FG habe im Streitfall zu Unrecht entscheidend auf die vertragliche Trennung der Leistung mit gesonderten Entgeltvereinbarungen abgestellt, steht die vom FG vorgenommene Mitberücksichtigung der Vertragsgestaltung im Einklang mit dem von ihm insoweit herangezogenen EuGH-Urteil –RLRE Tellmer Property–, Slg. 2009, I-4983, BFH/NV 2009, 1368, DStR 2009, 1260. |
|
|
e) Soweit das FA ferner geltend macht, für die dementen Bewohner sei die Koppelung von Unterbringung, Haushaltsführung, Aufsicht, Pflege und medizinischer Versorgung von entscheidender Bedeutung gewesen, diese gleichberechtigt nebeneinander stehenden Bestandteile seien derart miteinander verbunden, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, greift es lediglich die nach den Umständen des Streitfalls und rechtlich nicht zu beanstandende Würdigung des FG an. |
|
|
Revisionsrechtlich beachtliche Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze hat das FA damit nicht vorgebracht (vgl. auch BFH-Urteile vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, unter II.2.c bb; in BFHE 226, 407, BStBl II, 2010, 239, unter II.3.c). |
|