|
|
|
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie war daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Klage auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu Recht abgewiesen. |
|
|
1. Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne die Steuer erhöhende Besteuerungsgrundlagen unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen unbillig wäre. |
|
|
Die nach § 163 AO zu treffende Billigkeitsentscheidung ist eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§ 102, § 121 FGO). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297; vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201; vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865; vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269; vom 14. März 2012XI R 28/09, BFH/NV 2012, 1493, jeweils m.w.N.). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur in den Fällen der sog. Ermessensreduzierung auf Null ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1493). |
|
|
2. Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794; in BFH/NV 2011, 865, m.w.N.). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 12. September 2007 X B 18/03, BFH/NV 2008, 102, m.w.N.). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1493, m.w.N.). |
|
|
3. Rechtsfehlerfrei hat das FG erkannt, dass das FA die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden sachlichen Unbilligkeit zutreffend verneint hat. |
|
|
a) Die Klägerin hat unter dem Gesichtspunkt einer Rechnungsberichtigung keinen Anspruch darauf, den aus den Rechnungen vom 4. Juni 2007 geltend gemachten Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt … EUR aus sachlichen Billigkeitsgründen statt im Veranlagungszeitraum 2007 rückwirkend in den Besteuerungszeiträumen 1999 bis 2005 vornehmen zu können. |
|
|
aa) Sie trägt hierzu zwar vor, diese Möglichkeit habe sich erst aufgrund des EuGH-Urteils –Pannon Gép– (Slg. 2010, I-7467, UR 2010, 693) ergeben und es sei ihr daher im Zeitpunkt der Antragstellung nicht zumutbar gewesen, ihre Rechtsauffassung im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zu verfolgen. |
|
|
bb) Sie kann den Vorsteuerabzug aber unter dem Gesichtspunkt einer rückwirkenden Rechnungsberichtigung bereits deshalb nicht –auch nicht im Wege einer Billigkeitsmaßnahme– in den Streitjahren 1999 bis 2005 geltend machen, weil die in diesen Jahren laufend ausgestellten Rechnungen keine falschen oder unvollständigen Angaben enthalten, die einer Berichtigung zugänglich wären. |
|
|
Der Sachverhalt unterscheidet sich insoweit von dem in dem EuGH-Urteil –Pannon Gép– (Slg. 2010, I-7467, UR 2010, 693), in dem die zunächst ausgestellten Rechnungen unrichtige Daten des Abschlusses der Dienstleistungen aufwiesen. Der EuGH hat dazu entschieden, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung oder Praxis entgegenstehe, "nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (…), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen". |
|
|
cc) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass sie gegenüber der X-AG eine einheitliche Leistung erbracht und von dieser eine ebensolche empfangen habe, und dass die in den Streitjahren von der X-AG ausgestellten Rechnungen über jährlich insgesamt … DM zuzüglich Umsatzsteuer sich auf die Redaktions- und Gestaltungsleistungeni.S. des § 3 Ziff. 6 der Vereinbarung bezogen haben und somit Teilrechnungen bzgl. der Gesamtleistungen der X-AG darstellen, können die am 4. Juni 2007 ausgestellten Rechnungen nicht als (ggf. rückwirkende) Berichtigungen hinsichtlich der für die Redaktions- und Gestaltungsleistungen ausgestellten Rechnungen anerkannt werden. |
|
|
Nach dem Vortrag der Klägerin beziehen sich die Teilabrechnungen ausschließlich auf die in der Vereinbarung benannten Redaktions- und Gestaltungsleistungen der X-AG und stellen das dort angegebene Entgelt "in Rechnung". Mit ihnen wird somit zutreffend über einen Teilaspekt der von der X-AG erbrachten Hauptleistung abgerechnet. Da die Rechnungen als solche weder falsch noch lückenhaft sind, besteht kein Anlass, sie zu berichtigen. Ebenso wenig sind die Rechnungen vom 4. Juni 2007 als Berichtigungen der zuvor erstellten Rechnungen anzusehen. Weder verweisen sie auf die bereits erteilten Rechnungen, noch ergibt sich aus ihnen in anderer Weise, dass sie diese berichtigen sollen. Vielmehr handelt es sich um weitere, das eingeräumte Vertriebsrecht betreffende Teilrechnungen. Über eine einheitliche Leistung muss nicht in einer Gesamtrechnung abgerechnet werden, vielmehr können auch mehrere Teilrechnungen erstellt werden, mit denen über die Gesamtleistung insgesamt abgerechnet wird. |
|
|
dd) Mangels einer Rechnungsberichtigung bedarf es keiner Erörterung, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine solche umsatzsteuerrechtlich rückwirkend zu berücksichtigen ist (vgl. dazu auch EuGH-Urteil vom 8. Mai 2013 C-271/12 –Petroma Transports SA–, Mehrwertsteuerrecht –MwStR– 2013, 272, UR 2013, 591, und Slapio, MwStR 2013, 333). |
|
|
b) Desgleichen hat die Klägerin keinen Anspruch darauf, die geltend gemachte Vorsteuer in Höhe von insgesamt … EUR deshalb aus sachlichen Billigkeitsgründen rückwirkend in den Besteuerungszeiträumen 1999 bis 2005 abzuziehen, weil sie die Umsatzsteuer in diesen Jahren an die X-AG –im Wege der Verrechnung mit den von ihr an die X-AG erbrachten Leistungen– entrichtet hat. |
|
|
aa) Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind (Eingangsleistungen), als Vorsteuerbetrag abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach § 14 UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Die Vorsteuerbeträge können erst in dem Besteuerungszeitraum abgezogen werden, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG insgesamt vorliegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 206, 463, BStBl II 2004, 861, und vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, jeweils m.w.N.). |
|
|
bb) Auch nach dem EuGH-Urteil –Terra Baubedarf– (Slg. 2004, I-5583, BFH/NV Beilage 2004, 229) ist für den Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern Art. 18 Abs. 2 Unterabs. 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben ist, in dem die beiden nach dieser Bestimmung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich dass die Lieferung der Gegenstände oder die Dienstleistung bewirkt wurde und dass der Steuerpflichtige die Rechnung oder das Dokument besitzt, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann. |
|
|
Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt aus Rz 35 dieses Urteils sowie aus dem unionsrechtlichen Grundsatz der Belastungsneutralität der Mehrwertsteuer nicht "die zeitliche Korrespondenz von Abführung der Vorsteuer an den leistenden Unternehmer und Vorsteuerabzug des empfangenden Unternehmers". Dies ergibt sich eindeutig aus einer Gesamtschau der vom EuGH für seine Auffassung in den Rz 34 bis 37 des Urteils gegebenen Begründung und aus der Verwendung des Wortes "grundsätzlich" in Rz 35 des Urteils. |
|
|
cc) Daraus ergibt sich, dass die Klägerin den streitigen Vorsteuerabzug in den Streitjahren 1999 bis 2005, in denen ihr die dazugehörigen Rechnungen noch nicht vorlagen, nicht (auch nicht rückwirkend) geltend machen kann; ob sie die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dem Leistungserbringer –hier im Wege der Verrechnung mit eigenen Leistungen– bezahlt hat, ist nach dem Gesetz unerheblich. |
|
|
Die für die Klägerin ungünstige Rechtsfolge, dass die Vorsteuer erst in dem Veranlagungszeitraum abgezogen werden kann, in dem ihr auch die Rechnung vorliegt, beruht auf einer bewussten Anordnung des Gesetzgebers, die nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme unterlaufen werden darf. Aus Abschn. 202 Abs. 7 UStR und aus dem ferner von der Klägerin genannten BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 992 ergibt sich nichts anderes. |
|
|
c) Zu keinem anderen Ergebnis führt der Hinweis der Klägerin auf die erhobenen Nachzahlungszinsen, die ihrer Ansicht nach in materieller Hinsicht "Zuschläge zur Steuer" darstellen. Denn der geltend gemachte Zinsnachteil ergibt sich aus der Technik der Umsatzsteuererhebung einerseits und der nationalen Regelung der sog. Vollverzinsung in § 233a AO andererseits. |
|
|
aa) Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 UStG ist der Besteuerungszeitraum das Kalenderjahr; gemäß § 16 Abs. 1 Satz 3 UStG ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 UStG auszugehen. Danach waren aufgrund der im Jahre 2007 erteilten Rechnungen die Umsatzsteuerbescheide der Klägerin für die Jahre 1999 bis 2005 abzuändern und die in diesen Jahren geschuldete Umsatzsteuer entsprechend der von ihr an die X-AG erbrachten Leistungen zu erhöhen. Wird die Umsatzsteuerfestsetzung –wie im Streitfall– geändert, ist der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer maßgebend für die Zinsberechnung (§ 233a Abs. 5 Sätze 1 und 2 AO). Die sich daraus ergebenden Nachzahlungszinsen belasten die Klägerin im Streitfall mit einem Betrag in Höhe von insgesamt … EUR. |
|
|
Eine Festsetzung vergleichbarer Nachzahlungszinsen zugunsten der Klägerin wegen des unterlassenen Abzugs der korrespondierenden Vorsteuern in den Jahren 1999 bis 2005 scheidet demgegenüber mangels zu verzinsender Steuerforderungen aus. Zwar ergibt sich hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen vom 4. Juni 2007 aus § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG, dass von der nach § 16 Abs. 1 UStG berechneten Steuer die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen sind. Diese Vorsteuerbeträge sind aber erst in dem Besteuerungszeitraum abziehbar, in dem die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG insgesamt vorliegen, d.h. in dem der Steuerpflichtige auch über eine entsprechende Rechnung verfügt. Mangels verfügbarer Rechnungen war die geltend gemachte Vorsteuer somit nicht in den Streitjahren 1999 bis 2005 abziehbar. |
|
|
bb) § 233a AO bezweckt, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern den einzelnen Steuerpflichtigen gegenüber zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass (bzw. der Änderung) eines Steuerbescheids typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Beschluss vom 10. März 2006 V B 82/05, BFH/NV 2006, 1433, m.w.N.). Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer vorerst –wegen unzutreffender Steuerfestsetzung– "freigestellt" war (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 60/04, BFH/NV 2006, 1434). |
|
|
Der ungleiche Lauf der Verzinsung entspricht nach ständiger Rechtsprechung der Gesetzeskonzeption, die dem § 233a AO zugrunde liegt. Deren Korrektur unter dem Gesichtspunkt einer sachlichen Härte kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht. |
|
|
d) Im Übrigen hätte die Klägerin eine abweichende Festsetzung der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO im Klageverfahren gegen die Bescheide vom 13. September 2007, mit denen die Umsatzsteuer und Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer 1999 bis 2005 jeweils festgesetzt wurden, geltend machen können und müssen. |
|
|
4. Unionsrechtlichen Klärungsbedarf, der ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH rechtfertigen könnte, sieht der Senat –im Gegensatz zur Klägerin– im Streitfall nicht. |
|