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II. Zur Rechtslage nach nationalem Recht |
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1. Maßgebliche Vorschriften des nationalen Rechts |
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a) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG). |
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b) Der Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG). |
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c) Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Ebenfalls ist der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 UStG). Die Berichtigungen nach den Sätzen 1 und 2 sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 7 UStG). Dies gilt nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG sinngemäß, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist. |
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d) Der Große Senat des BFH entscheidet, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will (§ 11 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Eine Vorlage an den Großen Senat ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, dass er an seiner Rechtsauffassung festhält (§ 11 Abs. 3 Satz 1 FGO). |
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2. Rechtliche Würdigung nach nationalem Recht |
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Der Senat beabsichtigt, die Vorentscheidung aufzuheben und den streitigen Vorsteuerabzug aus der Vorauszahlung für das Blockheizkraftwerk zu versagen. |
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a) Der Kläger ist als Unternehmer anzusehen und damit grundsätzlich gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt. |
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aa) Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben, und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt (vgl. BFH-Urteile vom 22. Februar 2001 V R 77/96, BFHE 194, 498, BStBl II 2003, 426, Leitsatz 1; vom 8. März 2001 V R 24/98, BFHE 194, 522, BStBl II 2003, 430, Leitsatz 1; vom 27. Januar 2011 V R 21/09, BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, Rz 34, m.w.N.). |
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(1) Auch die Anzahlung auf einen Kaufpreis stellt eine solche Investition dar (vgl. dazu BFH-Urteile vom 17. Mai 2001 V R 38/00, BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434, Leitsatz 1; in BFHE 233, 77, BStBl II 2011, 524, Rz 34, m.w.N.). |
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(2) Der Betrieb eines Blockheizkraftwerks führt zu einer unternehmerischen Tätigkeit, wenn sie auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen durch regelmäßige Einspeisung von Strom in das allgemeine Stromnetz abzielt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2012 XI R 3/10, BFHE 239, 377, BStBl II 2014, 809, Rz 16, m.w.N.). Gleiches gilt für die nachhaltige Vermietung (Verpachtung) eines körperlichen Gegenstands (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. Dezember 1996 V R 23/93, BFHE 182, 388, BStBl II 1997, 368, unter II.1., Rz 31; vom 2. Juli 2008 XI R 60/06, BFHE 222, 112, BStBl II 2009, 167, unter II.1., Rz 16; jeweils m.w.N.). |
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bb) Danach ist der Kläger als Unternehmer anzusehen. Er hatte zum Zeitpunkt der Zahlung an A die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht, eine unternehmerische Tätigkeit aufzunehmen. Davon ist auch der V. Senat des BFH in einem Parallelverfahren ausgegangen (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 2015 V R 51/13, BFH/NV 2015, 708, Rz 17). |
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b) Der Kläger kann nach Ansicht des Senats den Vorsteuerabzug aus der Vorauszahlung für die künftige Lieferung eines Blockheizkraftwerks nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG aber deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil die künftige Lieferung des Blockheizkraftwerks zum Zeitpunkt der Zahlung im August 2010 unsicher war. |
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Denn wenn der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung unsicher ist, scheidet ein Recht auf Vorsteuerabzug aus (vgl. EuGH-Urteil FIRIN, EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 39). Dies trifft auf den Streitfall bei objektiver Betrachtung zu. Denn nach den vom FG festgestellten objektiven Umständen hatte A von vornherein nicht die Absicht, (auch) das vom Kläger in Rechnung gestellte Blockheizkraftwerk zu liefern (vgl. Rz 36 f. der Vorentscheidung; s. auch FG Münster, Urteil vom 3. April 2014 5 K 383/12 U, EFG 2014, 877, Rz 59 f.; Sächsisches FG, Urteil in EFG 2015, 1652, Rz 17 f.). |
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III. Zur Anrufung des EuGH |
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Es ist aus den nachfolgenden Gründen fraglich, ob die Versagung des Vorsteuerabzugs in einem Fall wie diesem gegen Unionsrecht verstößt. |
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1. Maßgebliche Vorschriften des Unionsrechts |
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a) Steuertatbestand (Art. 62 Abs. 1 MwStSystRL) und Steueranspruch (Art. 62 Abs. 2 MwStSystRL) treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird (Art. 63 MwStSystRL). |
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Werden Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag (Art. 65 MwStSystRL). |
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b) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht (Art. 167 MwStSystRL). |
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c) Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war (Art. 184 MwStSystRL). Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten (Art. 185 Abs. 1 MwStSystRL). |
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Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten für die Anwendung der Art. 184 und 185 MwStSystRL fest (Art. 186 MwStSystRL). |
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d) Der EuGH entscheidet im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union –AEUV–). Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV). |
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2. Zur ersten Vorlagefrage |
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Unionsrechtlich klärungsbedürftig ist, ob –wie der Senat meint– das Merkmal der Unsicherheit des Eintritts des Steuertatbestands objektiv zu verstehen oder –was der Auffassung des V. Senats des BFH in seinem Urteil in BFH/NV 2015, 708, Leitsatz und Rz 14 entspricht– aus der "objektivierten" Sicht des Anzahlenden zu beurteilen ist. |
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a) Der Senat versteht das EuGH-Urteil FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240) so, dass sich die Ausführungen zum Wissen bzw. Wissenmüssen (Rz 40 ff., insbesondere Rz 42, 44 und 46) allein auf die –hier nicht gegebenen– Fälle von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder etwaigem Missbrauch beziehen. Nur dann ist nach Auffassung des Senats darauf abzustellen, dass der Anzahlende, was die betreffenden Steuerbehörden anhand objektiver Gesichtspunkte nachzuweisen haben, wusste oder hätte wissen müssen, dass die an seinen Lieferanten geleistete Anzahlung in Wirklichkeit nicht die in der vom Lieferanten ausgestellten Rechnung genannte Lieferung von Waren zum Gegenstand hat (vgl. EuGH-Urteil FIRIN, EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 46). Diese Fälle von betrügerischem Verhalten bilden aber nur eine der Fallgruppen, in denen der Eintritt des Steuertatbestands zum Zeitpunkt der Anzahlung "unsicher" ist (vgl. EuGH-Urteil FIRIN, EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 39, Satz 2 "insbesondere"). |
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b) Aus dem EuGH-Urteil FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240) folgt, dass es –wie sich aus Rz 39 Satz 1 dieses Urteils i.V.m. den dort in Bezug genommenen Ausführungen der Generalanwältin Kokott (Schlussanträge in der Rechtssache FIRIN vom 19. Dezember 2013 C-107/13, EU:C:2013:872, Rz 24 [ff.]) ergibt– für die Frage, "ob der Eintritt des Steuertatbestandes zum Zeitpunkt der Anzahlung unsicher ist", darauf ankommt, ob "die Lieferung der Gegenstände, für die … eine Anzahlung geleistet [wurde] … nicht bewirkt werden wird" (EuGH-Urteil FIRIN, EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 52, Satz 1) bzw. "zu erwarten [ist], dass nach dem normalen Verlauf die steuerpflichtige Leistung auch erbracht werden wird" (Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache FIRIN, EU:C:2013:872, Rz 26, Satz 5). Dies ist nach Ansicht des Senats objektiv zu verstehen und nicht aus der Sicht des Anzahlenden zu beurteilen. Danach ist in Fällen, in denen –wie im Ausgangsverfahren– bei objektiver Betrachtung von Anfang an feststand, dass nach dem normalen Verlauf der Dinge die Gegenstände nicht geliefert werden würden, ein Vorsteuerabzug –was auf sämtliche ausgebliebenen Lieferungen von Blockheizkraftwerken der A gleichermaßen zutrifft– nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 UStG nicht gegeben. |
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c) Dafür spricht, dass bei Anzahlungen der Steueranspruch des Fiskus (Art. 62 Abs. 2 MwStSystRL) gegenüber dem Anzahlungsempfänger zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag entsteht (Art. 65 MwStSystRL). Das Entstehen dieses Steueranspruchs des Fiskus gegen den Anzahlungsempfänger kann nach Auffassung des Senats aber grundsätzlich nicht vom Wissen bzw. Wissenmüssen des Anzahlenden abhängig sein. Da das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 167 MwStSystRL entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht, dürfte eine unterschiedliche Behandlung hinsichtlich des Eintritts des Steuertatbestands einerseits und des Rechts zum Vorsteuerabzug andererseits in Anzahlungsfällen nicht in Betracht kommen. |
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d) Sollte dagegen das Merkmal der "Unsicherheit des Eintritts des Steuertatbestands" auf der Grundlage der Erkenntnismöglichkeiten des Anzahlenden zu beurteilen sein (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 708, Leitsatz und Rz 14), wäre ein gutgläubiger Empfänger einer Vorausrechnung, der –wie der Kläger im Ausgangsverfahren– weder wusste noch hätte wissen können, in einen Betrug einbezogen zu sein, zum Vorsteuerabzug aus der Anzahlung berechtigt. Ob dieser bereits im Festsetzungsverfahren oder erst in einem nachfolgenden Billigkeitsverfahren gewährt werden muss, ist Gegenstand der Frage 2 im Verfahren C-374/16 (Vorlagebeschluss vom 6. April 2016 XI R 20/14, BFHE 254, 152, Deutsches Steuerrecht 2016, 1532, Rz 56 ff.). |
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e) Der V. Senat des BFH hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er einer Abweichung von seinem Urteil in BFH/NV 2015, 708, wonach es für die Beurteilung der Frage, ob der Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung ausscheidet, weil der Eintritt des Steuertatbestands im Zeitpunkt der Anzahlung unsicher ist, auf die objektivierte Sicht des Anzahlenden ankommt, nicht zustimmt. |
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3. Zur zweiten Vorlagefrage |
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Im Streitfall stellt sich ferner die Frage, ob das EuGH-Urteil FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Leitsatz und Rz 58) dahingehend zu verstehen ist, dass –wie der Senat meint– nach dem Unionsrecht eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs, den der Anzahlende aus seiner auf eine Lieferung von Gegenständen ausgestellten Anzahlungsrechnung vorgenommen hat, nicht die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung voraussetzt, wenn diese Lieferung letztlich nicht bewirkt wird und der Lieferer zur Entrichtung dieser Steuer verpflichtet bleiben sollte. |
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a) Nach dem so verstandenen EuGH-Urteil FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240) wäre der Vorsteuerabzug im Ausgangsfall, falls ihn der Kläger –entgegen der zuvor dargelegten Auffassung des Senats– (zunächst) beanspruchen könnte, jedenfalls nach § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2 UStG, die dementsprechend unionsrechtskonform ausgelegt werden müssten und könnten (zur Pflicht des nationalen Gerichts, die volle Wirksamkeit des Unionsrechts sicherzustellen, vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 10. Dezember 2014 2 BvR 1549/07, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, 335, Rz 30, m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH) zu berichtigen. In diesem Fall könnte die Rechtsprechung des V. Senats des BFH in den Urteilen vom 2. September 2010 V R 34/09 (BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991, Leitsatz 1 und Rz 21), vom 15. September 2011 V R 36/09 (BFHE 235, 507, BStBl II 2012, 365, Leitsatz und Rz 23) sowie in BFH/NV 2015, 708 (Rz 16), wonach es erst mit der Rückgewähr der Anzahlung zur Minderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG und zur Berichtigung des Vorsteuerabzugs kommt, nach Ergehen des EuGH-Urteils FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240) vorbehaltlich der Antwort auf Frage 3 nicht mehr aufrecht erhalten werden. |
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b) Gegen eine Verknüpfung von Rückzahlung und Vorsteuerkorrek-tur spricht, dass –wie der EuGH im Urteil FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 53) ausgeführt hat– die Schlussfolgerung, nach der die Steuerverwaltung verlangen kann, dass der Steuerpflichtige die abgezogene Mehrwertsteuer berichtigt, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, dass die vom Lieferer geschuldete Mehrwertsteuer selbst nicht berichtigt werden wird. |
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c) Zudem ergibt sich hinsichtlich der Mehrwertsteuer, die aufgrund des Nichtvorliegens eines steuerpflichtigen Umsatzes zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde, aus der MwStSystRL, dass die beiden beteiligten Wirtschaftsteilnehmer nicht notwendigerweise gleichbehandelt werden (müssen). Zum einen schuldet der Aussteller einer Rechnung die darin ausgewiesene Mehrwertsteuer gemäß Art. 203 MwStSystRL (§ 14c UStG) auch, wenn –was auf den Ausgangsfall zutrifft– kein steuerpflichtiger Umsatz vorliegt, weil die Lieferung letztlich nicht bewirkt wird. Zum anderen ist die Ausübung des Rechts des Rechnungsempfängers auf Vorsteuerabzug nach Art. 63 i.V.m. Art. 167 MwStSystRL auf die Steuern beschränkt, die auf einen mehrwertsteuerpflichtigen Umsatz entfallen (vgl. EuGH-Urteil FIRIN, EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 54, m.w.N.). Da die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen ist, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist oder wenn er die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt, bleibt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewahrt (vgl. EuGH-Urteil FIRIN, EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240, Rz 55). Dies gewährleistet, dass sich auch in Fällen wie in diesem Steuer und Vorsteuer im Ergebnis entsprechend Art. 167 MwStSystRL ausgleichen. Zu einer dauerhaften Besserstellung des Fiskus kommt es mithin nicht. |
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d) Aus den Ausführungen des EuGH in Rz 56 des Urteils FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240), wonach "solange … die Anzahlung vom Lieferer nicht zurückgezahlt worden ist, die Bemessungsgrundlage der von ihm aufgrund der Vereinnahmung dieser Anzahlung geschuldeten Steuer nicht nach Art. 65 in Verbindung mit Art. 90 und Art. 193 der Richtlinie 2006/112 vermindert werden", ergibt sich aus der Sicht des Senats –was zu klären sein wird– nichts anderes. Der EuGH nimmt insoweit Bezug auf die Berichtigung der Steuerbemessungsgrundlage im Fall von Rückvergütungen. Dies betrifft einen anderen Fall. |
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e) Die zweite Vorlagefrage ist auch entscheidungserheblich. |
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Zwar ist das FG davon ausgegangen, im Streitfall komme unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils FIRIN (EU:C:2014:151, UR 2014, 705, MwStR 2014, 240) eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG erst für den Besteuerungszeitraum 2011 in Betracht, weil frühestens dann festgestanden habe, dass eine Lieferung der Blockheizkraftwerke nicht erfolgen werde. Es ist aber –entsprechend dem Revisionsvorbringen des FA– zweifelhaft, ob diese Auffassung des FG und seine insoweit vorgenommene Würdigung revisionsrechtlich Bestand haben kann. Vielmehr dürfte entgegen der Ansicht des FG bereits im Dezember des Streitjahrs 2010 festgestanden haben, dass eine Lieferung der Blockheizkraftwerke nicht erfolgen werde. Denn am 3. Dezember 2010 teilte die A mit, dass sämtliche Vertriebsaktivitäten eingestellt worden seien, insbesondere vorerst keine Bestellungen mehr angenommen und keine Container mehr ausgeliefert würden. Zudem wurde der Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A zu eröffnen, noch am 30. Dezember 2010 gestellt. |
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f) Der V. Senat des BFH hat auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen Rechtsprechung in den Urteilen in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991 (Leitsatz 1 und Rz 21), in BFHE 235, 507, BStBl II 2012, 365 (Leitsatz und Rz 23) und in BFH/NV 2015, 708 (Rz 16) festhält. |
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4. Zur dritten Vorlagefrage |
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Falls die vorstehende Frage zu bejahen ist, ist ferner klärungsbedürftig, wie weit die Befugnisse eines Mitgliedstaats gemäß Art. 186 MwStSystRL reichen. |
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a) Dazu wird die Auffassung vertreten, dass der nationale Gesetzgeber in § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG von seiner ihm nach Art. 186 MwStSystRL eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht habe, indem er für den Fall, dass sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert habe, bestimmt habe, dass nicht nur der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt habe, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen habe, sondern "ebenfalls" der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden sei, zu berichtigen sei. Damit habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass Umsatzsteuerschuld und Vorsteuerabzug im Berichtigungsfall zeit- und bedingungsgleich zu berichtigen seien. |
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b) Selbst wenn § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG (i.V.m. § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG) die Bedeutung zukäme, dass der Gesetzgeber in Anzahlungsfällen die Vorsteuerberichtigung von der Rückzahlung abhängig gemacht hätte –wogegen spricht, dass der BFH früher eine andere Auffassung vertreten hat (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 1995 V R 57/94, BFHE 179, 453, BStBl II 1996, 206) und die Rechtsprechungsänderung aus unionsrechtlichen Gründen erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 321, BStBl II 2011, 991, Rz 17 und 21 f.)–, hält es der Senat aber für fraglich, ob der Mitgliedstaat nach Art. 186 MwStSystRL berechtigt ist, die Vorsteuerkorrektur von der Bedingung der Rückzahlung abhängig zu machen, wenn die Lieferung letztlich nicht bewirkt wird. |
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5. Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 3 AEUV. Unter den hier vorliegenden Voraussetzungen des Art. 267 Abs. 3 AEUV (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 6. September 2016 1 BvR 1305/13, juris, Rz 7, 8, m.w.N.) sind die nationalen Gerichte von Amts wegen gehalten, den Gerichtshof anzurufen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. September 2016 1 BvR 1305/13, juris, Rz 6, m.w.N.). Insofern besteht nach Auffassung der Senats ein Vorrang gegenüber einer –im Streitfall ebenfalls in Betracht kommenden– Anrufung des Großen Senats des BFH gemäß § 11 Abs. 2 und 3 FGO. Das gilt jedenfalls dann, wenn es um die (authentische) Interpretation einer –unterschiedlich verstandenen– Rechtsprechung des EuGH geht, wie dies hier der Fall ist. |
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IV. Das Revisionsverfahren wird bis zu einer Entscheidung des EuGH ausgesetzt (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO). |
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