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II. Die Revision des FA ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat im Ergebnis zutreffend die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG verneint. |
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1. Die GmbH hat nach der zutreffenden Auffassung der Vorinstanz mit der verbilligten Überlassung einschließlich Reinigung der Arbeitskleidung gegenüber ihren Arbeitnehmern entgeltliche Leistungen erbracht. Der Leistungstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist weit auszulegen. Erforderlich ist lediglich eine beliebige Vorteilsgewährung, die zu einem Verbrauch führen kann; der Vorteil muss dabei einem identifizierbaren Leistungsempfänger eingeräumt werden (Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften –EuGH– vom 29. Februar 1996 Rs. C-215/94 –Mohr–, Slg. 1996, I-959, Randnr. 20 ff.; vom 18. Dezember 1997 Rs. C-384/95 –Landboden–, Slg. 1997, I-7387, Randnr. 23; Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 11. April 2002 V R 65/00, BFHE 198, 233, BStBl II 2002, 782; vom 19. Februar 2004 V R 10/03, BFHE 205, 495, BStBl II 2004, 675; vom 6. Mai 2004 V R 40/02, BFHE 205, 535, BStBl II 2004, 854). Im Streitfall haben die Arbeitnehmer durch die Überlassung und Reinigung der Arbeitskittel und -jacken einen verbrauchsfähigen Vorteil erlangt. Sie mussten während der Arbeitszeit keine eigene Bekleidung verwenden, so dass sich für sie ein verminderter Aufwand für Neubeschaffungen und Reinigung ergab. Auf die mit dieser Leistung durch die GmbH verfolgte Zielsetzung kommt es für den Leistungstatbestand nicht an. Auf Grund des Einbehalts vom Arbeitslohn handelte es sich auch um eine entgeltliche Leistung. Es liegt keine nur symbolische Vergütung vor, der umsatzsteuerlich kein Entgeltcharakter zukommt; ob das Entgelt dem objektiven Wert der Leistung entspricht, ist unerheblich (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 20. Januar 2005 Rs. C-412/03 –Hotel Scandic Gasabäck–, Slg. 2005, I-743, BFH/NV 2005, Beilage 2, 90, Randnr. 26). |
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2. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1999 unterliegen "Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder deren Angehörige auf Grund des Dienstverhältnisses ausführt", der Mindestbemessungsgrundlage, wenn die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG das durch den Arbeitnehmer entrichtete Entgelt übersteigt. Im Streitfall überstiegen die an das Serviceunternehmen für die Miete und Reinigung der Arbeitsbekleidung geleisteten Zahlungen als Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG 1993 (ab 1. April 1999: § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG 1999) den Einbehalt vom Arbeitslohn. Die Mindestbemessungsgrundlage ist dennoch im Streitfall nicht anwendbar, da keine Leistung "auf Grund des Dienstverhältnisses" i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG vorliegt. |
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a) Die Vorschrift wurde mit Inkrafttreten des UStG 1980 als von der Richtlinie 77/388/EWG abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 dieser Richtlinie eingeführt. Wie der erkennende Senat des BFH in seinem zu § 10 Abs. 5 UStG 1980 ergangenen Vorlagebeschluss vom 13. Dezember 1995 XI R 8/86 (BFHE 179, 457) an den EuGH ausführte, hatte die Bundesregierung in dem von ihr eingebrachten Entwurf eines UStG vom 15. März 1978, durch den das Umsatzsteuerrecht an die Richtlinie 77/388/EWG angepasst werden sollte, im Rahmen der Einzelbegründung zu § 10 Abs. 5 UStG 1980 die Auffassung vertreten, dass die Regelung durch Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gedeckt sei (BTDrucks 8/1779, S. 38). Im Verfahren nach Art. 27 der Richtlinie 77/388/EWG stützte die Bundesregierung § 10 Abs. 5 UStG 1980 auf die Verhütung von Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen. Durch die Regelung seien bei Lieferungen und sonstigen Leistungen als Bemessungsgrundlage die sich aus § 10 Abs. 4 UStG 1980 ergebenden Werte anzusetzen, falls das tatsächlich gezahlte Entgelt niedriger als diese Werte sei. Durch die Einführung dieser Mindestbemessungsgrundlage werde sichergestellt, dass Leistungen ohne angemessenes Entgelt ebenso wie die entsprechenden unentgeltlichen Leistungen besteuert würden und dass ein unbesteuerter Endverbrauch ausgeschlossen werde. Mit Schreiben vom 15. September 1978 unterrichtete die Kommission die Bundesregierung, dass das Verfahren gemäß Art. 27 Abs. 1 bis 4 der Richtlinie 77/388/EWG abgeschlossen worden sei und der Beschluss zur Ermächtigung für die Einführung der Sondermaßnahmen als gefasst gelte (zu den weiteren Einzelheiten vgl. Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 179, 457). |
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b) Bei der Auslegung des Merkmals "auf Grund des Dienstverhältnisses" in § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG gilt Folgendes: |
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aa) Maßnahmen, die Steuerhinterziehungen oder -umgehungen verhüten sollen, sind eng auszulegen und dürfen von den Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG nur insoweit abweichen, als dies für die Erreichung dieses Ziels unbedingt erforderlich ist (EuGH-Urteil vom 29. Mai 1997 Rs. C-63/96 –Skripalle–, Slg. 1997, I-2847, Randnr. 24). Im Hinblick auf den Zweck, Steuerumgehungen zu verhüten, unterliegt eine Leistung daher nur dann der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG, wenn sie ohne Entgeltvereinbarung als unentgeltliche Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG in der bis zum 31. März 1999 geltenden Fassung (UStG 1980/1993) steuerbar wäre. Nach dieser Vorschrift sind Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer an seine Arbeitnehmer oder deren Angehörige "auf Grund des Dienstverhältnisses" ausführt, für die die Empfänger der Lieferung oder sonstigen Leistung (Leistungsempfänger) kein besonders berechnetes Entgelt aufwenden, steuerbar. Nach dem Zweck des § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG soll die Besteuerung unentgeltlicher Leistungen nicht durch die Vereinbarung unangemessen niedriger Entgelte unterlaufen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 2007 V R 15/06, BFHE 219, 437). |
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bb) Zur Frage, welche Leistungen "auf Grund des Dienstverhältnisses" unentgeltlich nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG 1980/1993 erbracht werden, hat der EuGH mit Urteil vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95 –Fillibeck– (Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 1998, 61, Randnr. 26 ff.) und im Anschluss hieran der BFH mit Urteil vom 9. Juli 1998 V R 105/92 (BFHE 186, 157, BStBl II 1998, 635) entschieden, dass bei Arbeitnehmern die Beförderung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum privaten Bedarf gehört. Unerheblich ist dabei, dass die Zurücklegung dieser Strecke notwendige Voraussetzung der Arbeitsausübung ist. Eine Leistung auf Grund des Dienstverhältnisses liegt daher dann vor, wenn Leistungen des Arbeitgebers zwar aus betrieblichem Anlass erfolgen, die Leistung jedoch den privaten Bedarf der Arbeitnehmer wie z.B. die Beförderung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte befriedigt. Anders ist es, wenn besondere Umstände wie z.B. das Fehlen geeigneter öffentlicher Verkehrsmittel oder Fahrten zu wechselnden Arbeitsstätten vorliegen und die Beförderung deshalb durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist (BFH-Urteil vom 10. Juni 1999 V R 104/98, BFHE 188, 466, BStBl II 1999, 582). |
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Im Hinblick auf den Grundsatz enger Auslegung und unter Berücksichtigung des von § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG verfolgten Normzwecks kommt es somit auch bei § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG für das Vorliegen einer Leistung "auf Grund des Dienstverhältnisses" darauf an, ob die Leistung einen privaten Bedarf des Arbeitnehmers befriedigt oder ob sie durch die eigenen betrieblichen Erfordernisse des Unternehmens bedingt ist. |
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Daran ändert auch nichts, dass der eigenständige Besteuerungstatbestand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG 1980/1993 mit Wirkung ab dem 1. April 1999 durch die Fiktion einer entgeltlichen Leistung nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 UStG 1999 ersetzt wurde. Danach wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt u.a. gleichgestellt die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen. Im Bereich sonstiger Leistungen diente § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG 1980/1993 ebenso wie § 3 Abs. 9a UStG 1999 der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. hierzu allgemein BTDrucks 14/23, S. 195 f. zum Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002). Hierdurch erfolgte eine Anpassung an die nach der Richtlinie 77/388/EWG bestehende Rechtslage bei unentgeltlichen Arbeitgeberleistungen insbesondere dadurch, dass anstelle des bisherigen Begriffs der "Leistung auf Grund des Dienstverhältnisses" die von der Richtlinie 77/388/EWG verwendete Formulierung (Leistung für den "Bedarf seines Personals") fast wortlautgetreu übernommen wurde. Materiell-rechtliche Änderungen ergaben sich hieraus aber nicht. Dementsprechend sind auch unter der Geltung von § 3 Abs. 9a UStG 1999 die Grundsätze des EuGH-Urteils in Slg. 1997, I-5577, UR 1998, 61 weiterhin zu beachten. |
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3. Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall unterliegen die entgeltlichen Leistungen der GmbH nicht der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG. Es fehlt unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils in Slg. 1997, I-5577, UR 1998, 61 an einer Leistung auf Grund des Dienstverhältnisses. Denn nach den Feststellungen des FG wurden mögliche private Bedürfnisse der Arbeitnehmer durch die betrieblichen Belange verdrängt, da die Arbeitskittel und -jacken als typische Berufskleidung vorrangig aus unternehmerischen Gründen, insbesondere aus Gründen der gebotenen Gesundheitshygiene überlassen wurden. |
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