|
II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). |
|
|
1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin in den Streitjahren durch die auf privatrechtlicher Grundlage erfolgte entgeltliche Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten und die Verpflegung ihrer Mitarbeiter in ihren Rehabilitationskliniken i.S. von § 2 Abs. 3 UStG unternehmerisch tätig war (vgl. dazu z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 3. März 2011 V R 23/10, BFHE 233, 274, BStBl II 2012, 74, Rz 20 ff.; vom 14. März 2012 XI R 8/10, BFH/NV 2012, 1667, Rz 26 ff.; jeweils m.w.N.) und umsatzsteuerbare Leistungen erbracht hat. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit. |
|
|
2. Wie das FG ferner zutreffend entschieden hat, erstreckt sich die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG weder auf die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten noch auf die Mitarbeiterverpflegung. |
|
|
a) Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 15 Buchst. b Satz 1 UStG u.a. die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung an die Versicherten. Das gilt nicht für die Abgabe von Brillen und Brillenteilen einschließlich der Reparaturarbeiten durch Selbstabgabestellen der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung (§ 4 Nr. 15 Buchst. b Satz 2 UStG). |
|
|
aa) Diese Steuerbefreiung beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) –nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)–. Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, die "Vorschrift entspricht Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe g der 6. Richtlinie" (BTDrucks 8/1779, S. 34). |
|
|
bb) Steuerfrei sind nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG (nur) die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen. |
|
|
Von dieser Steuerbefreiung sind Dienstleistungen und Lieferungen ausgeschlossen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind (Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG) und im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden (Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG). Diese Bestimmungen wurden in Art. 134 MwStSystRL im Wesentlichen gleichlautend fortgeführt. |
|
|
b) Bei richtlinienkonformer Auslegung von § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG, die entgegen dem Revisionsvorbringen nicht nur möglich, sondern auch geboten ist (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 2. Juli 2014 XI R 4/13, BFH/NV 2014, 1913, Rz 30, m.w.N.), sind die streitbefangenen Umsätze nicht steuerfrei. |
|
|
aa) Die Klägerin gehört zwar als gesetzliche Trägerin der Sozialversicherung, mithin als öffentliche Einrichtung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL, zu den in § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG bezeichneten Unternehmern. |
|
|
bb) Nach § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG sind jedoch –abgesehen von den ohnehin in § 4 Nr. 15 Buchst. b Satz 2 UStG normierten Ausnahmen– nicht alle Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungsträger an ihre Versicherten steuerfrei (vgl. Schuhmann in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 15 Rz 4.3; Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 15 Rz 14; a.A. Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, § 4 Nr. 15 UStG Rz 28; Bunjes/Heidner, UStG, 14. Aufl., § 4 Nr. 15 Rz 3; Kulmsee in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 4 Nr. 15 Rz 28; Weymüller/Spilker, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 15 Rz 49). |
|
|
Bei den Leistungen an die Versicherten –Umsätze an andere Personen sind nicht befreit– kommt es zwar nicht darauf an, ob die Leistung aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung bewirkt wird (vgl. Hünnekens in Küffner/Stöcker/Zugmaier, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 15 Rz 28). Steuerfrei sind im Lichte des Unionsrechts jedoch nur Dienstleistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit oder damit eng verbundene Leistungen (vgl. dazu Weymüller/Spilker, a.a.O., § 4 Nr. 15 Rz 38.1). Das ist bei den streitbefangenen Leistungen selbst dann nicht der Fall, wenn –was die Klägerin geltend macht– die untergebrachten und verpflegten Begleitpersonen sowie die verpflegten Mitarbeiter gesetzlich rentenversichert gewesen wären. Denn die in Rede stehenden Leistungen wurden außerhalb eines bestehenden Sozialversicherungsverhältnisses erbracht. |
|
|
cc) Die betreffenden Leistungen sind für die Tätigkeiten in den Rehabilitationskliniken auch nicht unerlässlich (zur "Unerlässlichkeit" i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG vgl. z.B. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– Kinderopvang Enschede vom 9. Februar 2006 C-415/04, EU:C:2006:95, BFH/NV Beilage 2006, 256, Rz 27 f., 30; Horizon College vom 14. Juni 2007 C-434/05, EU:C:2007:343, BFH/NV Beilage 2007, 389, Rz 39 f.; ferner BFH-Urteil vom 16. Oktober 2013 XI R 34/11, BFHE 243, 435, BFH/NV 2014, 460, Rz 46). |
|
|
Denn die Klägerin könnte –etwas anderes ist weder festgestellt noch vorgebracht– auch ohne Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten bzw. die Mitarbeiterverpflegung ihre medizinischen Leistungen zur Rehabilitation auf demselben Niveau und mit der gleichen Qualität erbringen. Gegen die Unerlässlichkeit der streitbefangenen Leistungen spricht zudem, dass diese nur gegen (zusätzliches) Entgelt aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung erbracht wurden, obwohl sie –wie die Klägerin behauptet– notwendig und Bestandteil der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gewesen seien. |
|
|
dd) Außerdem waren die streitbefangenen Leistungen im Wesentlichen dazu bestimmt, der Klägerin i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 134 Buchst. b MwStSystRL zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden Unternehmern durchgeführt worden sind. Denn die Klägerin hat sie nach den Feststellungen des FG dazu genutzt, ihre Beiträge und den Zuschussbedarf aus öffentlichen Mitteln zu senken. |
|
|
(1) Diese Einnahmen waren entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht "zusätzlich". Denn sie wurden neben den Einnahmen aus den Pflegesätzen erwirtschaftet. Das Verschaffen zusätzlicher Einnahmen setzt weder voraus, dass diese der Einrichtung zur freien Verfügung verblieben noch steht dem entgegen, die entsprechenden Mittel zur Finanzierung der Dienstleistungen der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit oder damit eng verbundene Leistungen zu verwenden. |
|
|
(2) Die von der Klägerin erbrachten Unterbringungs- und Verpflegungsleistungen für Begleitpersonen von medizinisch nicht notwendig zu begleitenden Patienten sowie die Mitarbeiterverpflegung standen zudem in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen, die von der Mehrwertsteuer unterliegenden Hotels und Gaststätten bewirkt werden. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht handelt es sich insoweit der Art nach nicht um andere Leistungen. |
|
|
(3) Soweit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. o MwStSystRL Leistungen bei Veranstaltungen der begünstigten Einrichtungen steuerfrei sind, wenn die Veranstaltungen dazu bestimmt sind, den Einrichtungen eine finanzielle Unterstützung zu bringen und ausschließlich zu ihrem Nutzen durchgeführt werden, liegt dieser Fall entgegen der Meinung der Klägerin hier nicht vor. Im Übrigen ist sowohl bei der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. o MwStSystRL als auch bei dem die Steuerbefreiung dem Gemeinwohl dienender Umsätze ausschließenden Art. 134 Buchst. b MwStSystRL gleichermaßen die jeweilige Wettbewerbssituation maßgebend. |
|
|
3. Die streitbefangenen Leistungen sind, wie das FG gleichfalls zu Recht erkannt hat, ebenso wenig nach § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG a.F. steuerfrei. |
|
|
a) Nach § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG a.F. waren u.a. die mit dem Betrieb der Krankenhäuser eng verbundenen Umsätze steuerfrei, wenn sie –wie hier– von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betrieben wurden. |
|
|
b) Der EuGH hat zu Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL), auf dem § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG a.F. unionsrechtlich beruhte, entschieden, dass Dienstleistungen, die wie die Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten dazu dienen, den Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten zu verbessern, in der Regel nicht steuerfrei sind, soweit diese Leistungen nicht zur Erreichung der mit der Krankenhausbehandlung verfolgten therapeutischen Ziele unerlässlich sind (vgl. dazu EuGH-Urteil Ygeia vom 1. Dezember 2005 C-394/04, EU:C:2005:734, BFH/NV Beilage 2006, 127, Leitsatz; ferner BFH-Urteile vom 7. Oktober 2010 V R 12/10, BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303, Rz 27; vom 24. September 2014 V R 19/11, BFHE 247, 369, BFH/NV 2015, 284, Rz 23; jeweils m.w.N.). |
|
|
c) Danach sind Unterbringung und Verpflegung von Begleitpersonen der Patienten nicht nach § 4 Nr. 16 Buchst. a UStG a.F. steuerfrei. Diese Leistungen waren zur Erreichung der mit der Behandlung in den Rehabilitationskliniken der Klägerin verfolgten therapeutischen Ziele nicht unerlässlich, denn sie waren nach den i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindenden und im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitigen Feststellungen des FG medizinisch nicht notwendig. |
|
|
d) Gleiches gilt für die Mitarbeiterverpflegung. Auch insoweit liegen keine zur Erreichung der mit der Behandlung in den Rehabilitationskliniken der Klägerin verfolgten therapeutischen Ziele unerlässliche Leistungen vor. |
|
|
Hinsichtlich der Mitarbeiterverpflegung folgt aus der zur Steuerfreiheit der durch Studentenwerke, denen die soziale Betreuung und Förderung der Studenten obliegt, erbrachten Verpflegungsleistungen an Bedienstete ergangenen Entscheidung des BFH mit Urteil vom 28. September 2006 V R 57/05 (BFHE 215, 351, BStBl II 2007, 846, unter II.2.a, Rz 20) im Übrigen nichts anderes. Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, weil die Klägerin keine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist, die mit solchen Aufgaben betraut ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303, Rz 30). |
|
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. |
|