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II. Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). |
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Das FG hat die hippotherapeutischen Leistungen der Klägerin zu Unrecht als umsatzsteuerpflichtig behandelt. |
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1. Die Revision der Klägerin ist zulässig. |
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Die Revisionsbegründung genügt entgegen der Auffassung des FA den inhaltlichen Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO. Insbesondere ergibt sich aus der ausführlichen Revisionsbegründung, dass und weshalb die Klägerin die von ihr auch ausdrücklich benannten § 4 Nr. 14, § 4 Nr. 16 UStG für verletzt hält (vgl. hierzu im Einzelnen Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 58). |
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2. Die Revision der Klägerin ist auch begründet. |
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a) Abweichend von der Meinung des FG sind die von der Klägerin ausgeführten hippotherapeutischen Leistungen gemäß § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit, soweit sie ärztlich verordnet waren. |
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Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut (Krankengymnast), Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei. Die Vorschrift setzt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG in nationales Recht um und ist nach dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 22. April 2004 V R 1/98, BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849; vom 12. August 2004 V R 18/02, BFHE 207, 381, BStBl II 2005, 227). Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer "die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden". |
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aa) § 4 Nr. 14 UStG setzt bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG voraus, dass der Unternehmer zum einen eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen erbringt und dass er zum anderen die dafür erforderliche Qualifikation besitzt (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften –EuGH– vom 10. September 2002 Rs. C-141/00, Slg. 2002, I-6833, BFH/NV 2003, Beilage 1, 30; vom 6. November 2003 Rs. C-45/01, Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40; vom 27. April 2006 Rs. C-443/04 und Rs. C-444/04, Slg. 2006, I-3617, BFH/NV 2006, Beilage 3, 299; BFH-Urteile vom 18. August 2005 V R 71/03, BFHE 211, 543, BStBl II 2006, 143; vom 1. Februar 2007 V R 64/05, BFH/NV 2007, 1203). |
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bb) Die Klägerin hat mit der Hippotherapie im Bereich der Humanmedizin Heilbehandlungen in Gestalt einer ärztlichen bzw. arztähnlichen Leistung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG ausgeführt. |
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Heilbehandlungen i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG sind Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Die befreiten Leistungen müssen der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung dienen (EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 48; BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862). Nicht unter die Befreiung fallen etwa von einem Chirurgen durchgeführte Schönheitsoperationen (BFH-Urteil in BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862) oder Massagen, die von einem Physiotherapeuten ohne vorherige ärztliche Anordnung lediglich aus kosmetischen Gründen oder zur Verbesserung des Wohlbefindens ("wellness") durchgeführt werden (BFH-Beschluss vom 28. September 2007 V B 7/06, BFH/NV 2008, 122, m.w.N.). |
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Die im Streitfall durchgeführte Hippotherapie ist eine Heilbehandlung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG. |
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Die Hippotherapie gehört zu den Behandlungsmethoden der Physiotherapie (vgl. Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation –KTL–, Ausgabe 2007, herausgegeben von der Deutschen Rentenversicherung, Seite 63, Stichwort B Physiotherapie, B070 Hippotherapie). Es handelt sich bei ihr um eine spezielle Reittherapie, bei der unter Anleitung die passive Anpassung des Patienten an die Schwingungen des Rückens des im Schritt gehenden Pferdes als physiotherapeutische Behandlungsmethode zur Therapie von bewegungsgestörten Kindern (z.B. bei infantiler Zerebralparese) oder Erwachsenen (nach Unfall oder Schlaganfall, bei Multipler Sklerose) genutzt wird (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. 2002, Stichwort "Reiten, therapeutisches"). Die Hippotherapie ist beihilfefähig (vgl. Urteil des OVG für das Land Nordrhein-Westfalen in NVwZ-RR 2002, 674). Auch nach Auffassung anderer Gerichte stellt die Hippotherapie –in Abgrenzung zum heilpädagogischen Reiten– als besondere Form der Krankengymnastik eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation dar (Verwaltungsgericht –VG– Aachen, Urteil vom 10. Februar 2006 6 K 2480/04, nicht veröffentlicht –n.v.–; VG Bayreuth, Urteil vom 19. Mai 2006 B 5 K 04.1222, n.v.; Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. März 2007 S 23 SO 195/05, n.v.). |
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Der Senat hält die im Streitfall durchgeführte Hippotherapie insoweit für eine Heilbehandlung, als die Klägerin aufgrund ärztlicher Indikation nach entsprechender ärztlicher Verordnung für die Reha-Kliniken oder für Einzelpatienten tätig geworden ist. |
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Dem steht nicht die Entscheidung des BSG entgegen, wonach die gesetzlichen Krankenkassen nicht zur Übernahme der Kosten der Hippotherapie verpflichtet sind (BSG-Urteil in SozR 3-2500 § 138 Nr. 2). Denn im Gegensatz zu den einschlägigen sozialrechtlichen Bestimmungen, bei denen es um die Frage geht, ob ein Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit einen (Mindest)anspruch auf bestimmte Heilmittel hat, verfolgt § 4 Nr. 14 UStG einen anderen Zweck: Dieser besteht darin, ganz allgemein die Kosten der Heilbehandlung zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen (EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 43; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2004 V R 54/03, BFHE 207, 558, BStBl II 2005, 106). Der EuGH hat darüber hinaus ausdrücklich hervorgehoben, dass der bloße Umstand der fehlenden (vollständigen) Kostenübernahme durch die Träger der Sozialversicherung keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht rechtfertigt (EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-12911, BFH/NV 2004, Beilage 1, 40, Randnr. 75). Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger kein geeignetes Abgrenzungskriterium zum Begriff der Heilbehandlung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG. |
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Auch im Übrigen steht die Entscheidung des BSG der Annahme einer Heilbehandlung im Streitfall nicht entgegen. Das BSG hat zwar Bedenken dahingehend geäußert, ob die Hippotherapie als Heilbehandlung gelten kann. Diese Frage ist aber letztlich unbeantwortet geblieben, weil es wegen der fehlenden Aufnahme der Hippotherapie in die Anlage zu den Heilmittelrichtlinien durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für Heilmittelrichtlinien darauf nicht mehr ankam. |
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cc) Die Angestellten der Klägerin verfügen auch über die in § 4 Nr. 14 UStG geforderte berufliche Qualifikation. |
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Zu Recht hat das FG insoweit zunächst ausgeführt, dass es für die Anwendung der Steuerbefreiung nicht entscheidungserheblich ist, ob die Klägerin selbst oder ihre Angestellten Inhaber der nach § 4 Nr. 14 UStG geforderten beruflichen Qualifikation sind. Denn der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbietet es, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden (BFH-Beschluss in BFHE 207, 558, BStBl II 2005, 106, und BFH-Urteil vom 26. September 2007 V R 54/05, BFH/NV 2008, 170, jeweils m.w.N.). Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG ist die hippotherapeutische Behandlung im Reitzentrum der Klägerin nicht von ihr selbst, sondern von angestellten Physiotherapeutinnen (Krankengymnastinnen) mit hippotherapeutischer Zusatzausbildung durchgeführt worden. |
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Dem steht nicht die Rechtsprechung des BFH entgegen, wonach grundsätzlich von einem Befähigungsnachweis auszugehen ist, wenn die Leistungen des Unternehmers durch Heilbehandlung in der Regel von Sozialversicherungsträgern finanziert werden (BFH-Urteil vom 25. November 2004 V R 44/02, BFHE 208, 80, BStBl II 2005, 190, m.w.N.). Denn diese Einschränkung gilt nur für die Fälle, in denen es sich –abweichend vom Streitfall– nicht um einen "Katalogberuf" i.S. von § 4 Nr. 14 UStG handelt. |
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b) Da die von der Klägerin ausgeführten Leistungen schon unter die in § 4 Nr. 14 UStG genannte Steuerbefreiung fallen, kann unerörtert bleiben, ob diese Leistungen auch die Voraussetzungen der in § 4 Nr. 16 Buchst. c UStG genannten Steuerbefreiung erfüllen (vgl. hierzu zuletzt BFH-Urteil vom 15. März 2007 V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31, und hierzu ergangener Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Dezember 2007 IV A 6-S 7172/07/0001, BStBl I 2008, 23). |
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3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn das FG hat –ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht– noch nicht im Einzelnen geprüft, ob die von der Klägerin geltend gemachte Umsatzsteuerbefreiung ausschließlich medizinisch indizierte Leistungen aus ärztlich verordneter hippotherapeutischer Tätigkeit umfasst, sei es im Wege eines ärztlichen Auftrages der Reha-Kliniken, sei es durch individuelle ärztliche Verordnung. Ferner ist nicht festgestellt, ob die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum Rechnungen mit oder ohne Umsatzsteuerausweis erteilt hat, so dass ggf. § 14 Abs. 3 UStG anzuwenden wäre. Schließlich müsste im Hinblick auf die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG ggf. eine entsprechende Korrektur des Vorsteuerabzugs vorgenommen werden (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Das FG wird dies im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben. |
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