Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH)

Beschluss vom 21. Mai 2021, II S 5/21 (PKH)

ECLI:DE:BFH:2021:B.210521.IIS5.21.0

BFH II. Senat

FGO § 52a , FGO § 55 , FGO § 62 Abs 4 , FGO § 116 Abs 1 , FGO § 116 Abs 2 , FGO § 142 Abs 1 , ZPO § 114 Abs 1 S 1

vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 04. März 2020, Az: 2 K 1695/18

Leitsätze

1. NV: Die Rechtsbehelfsbelehrung in einem FG-Urteil für die Erhebung einer Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision muss keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung auf elektronischem Weg enthalten.

2. NV: Weist die Rechtsbehelfsbelehrung in einem FG-Urteil für die Erhebung einer Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision auf die Möglichkeit der Einlegung auf elektronischem Weg hin, genügt die Angabe, dass für den elektronischen Weg § 52a FGO gilt.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger und Antragsteller (Antragsteller) beantragt mit Schreiben vom 11.03.2021, das am selben Tag beim Bundesfinanzhof (BFH) einging, Prozesskostenhilfe (PKH) für eine beabsichtigte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Nichtzulassungsbeschwerde) gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts (FG) vom 04.03.2020 – … . Die Revision wurde in dem Urteil nicht zugelassen. Das Urteil enthält eine Rechtsmittelbelehrung, dass die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten werden kann und die Beschwerde beim BFH, Postfach 86 02 40, 81629 München, Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, Telefax-Anschluss 089/9231-201 innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder auf elektronischem Weg einzulegen ist. In der Rechtsmittelbelehrung wird ausgeführt, dass die Beschwerde das angefochtene Urteil bezeichnen und der Beschwerdeschrift eine Ausfertigung oder Abschrift desselben beigefügt werden soll. Schließlich weist die Rechtsmittelbelehrung darauf hin, dass für den elektronischen Weg § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO) und die Elektronische-Rechtsverkehr-Verordnung vom 24.11.2017 –ERVV– (BGBl I, 3803) mit späteren Änderungen gelten.
  2. Das Urteil wurde dem Antragsteller ausweislich der Zustellungsurkunde am 13.03.2020 zugestellt.
  3. Der Antragsteller vertritt die Auffassung, die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Jahres sei nach § 55 Abs. 2 FGO fristgerecht. Die Rechtsmittelbelehrung sei unrichtig, da die Darstellung der Einlegung des Rechtsmittels über den sicheren Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Nr. 1 FGO fehlerhaft sei. Hierbei liege der Fehler „im Zusammenspiel der Rechtsmittelbelehrung des FG und des BFH“. In der Rechtsmittelbelehrung des FG sei die Anschrift des BFH für den Postweg sowie eine Telefaxnummer für die Schriftform über Telefax eindeutig angegeben. Für den elektronischen Weg existierten hingegen keine weiteren Erläuterungen; es werde hier einzig auf die geltenden Rechtsgrundlagen verwiesen. Für den elektronischen Weg müsse eine gültige Adresse eigenständig herausgefunden werden. Die Angaben für die Nutzung der DE-Mail beim BFH seien weder eindeutig noch ausreichend.
  4. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde vom Antragsteller eingereicht.
  5. Der Antragsteller beantragt, ihm PKH für eine beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist zulässig, aber unbegründet.
  2. 1. Der vom Antragsteller selbst gestellte Antrag ist zulässig. Insbesondere besteht für die Antragstellung –ungeachtet der Regelung des § 62 Abs. 4 FGO– kein Vertretungszwang (BFH-Beschluss vom 23.06.2020 – IV S 3/19 (PKH), BFH/NV 2020, 1090, Rz 8).
  3. 2. Der Antrag auf PKH ist indes unbegründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
  4. a) PKH erhält auf entsprechenden Antrag ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung –ZPO–). Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für dessen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (BFH-Beschluss in BFH/NV 2020, 1090, Rz 10, m.w.N.).
  5. b) Wird PKH für die Durchführung eines Rechtsmittelverfahrens beantragt und wird –wie im Streitfall– nicht zugleich innerhalb der Rechtsmittelfrist durch eine vor dem BFH postulationsfähige Person oder Gesellschaft Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, kann die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn damit zu rechnen ist, dass dem Antragsteller wegen unverschuldeter Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Antragsteller innerhalb der Rechtsmittelfrist alle erforderlichen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung über seinen Antrag schafft (ständige Rechtsprechung, BFH-Beschluss vom 15.04.2014 – V S 5/14 (PKH), BFH/NV 2014, 1381, Rz 6).
  6. aa) Wird die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil eines FG nach § 116 Abs. 1 FGO durch Beschwerde angefochten, so ist die Beschwerde nach § 116 Abs. 2 FGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim BFH einzulegen. Vor dem BFH müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem BFH eingeleitet wird (§ 62 Abs. 4 Sätze 1 und 2 FGO). Als Bevollmächtigte sind nur die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO bezeichneten Personen und Gesellschaften zugelassen (§ 62 Abs. 4 Satz 3 FGO).
  7. bb) Hat der Antragsteller die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb der einmonatigen Rechtsmittelfrist nicht durch eine vor dem BFH vertretungsberechtigten Person eingelegt, so verspricht die beabsichtigte Rechtsverfolgung nur dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) zu gewähren ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22.03.2012 – XI B 1/12, BFH/NV 2012, 1170, Rz 12). Dies setzt voraus, dass der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Rechtsmittelfrist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sein PKH-Gesuch vorlegt (vgl. BFH-Beschluss vom 18.01.2011 – X S 7/10 (PKH), BFH/NV 2011, 630, unter II.2.b).
  8. c) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Der Antragsteller hat seinen PKH-Antrag erst am 11.03.2021 und daher deutlich außerhalb eines Monats nach Zustellung des FG-Urteils am 13.03.2020 beim BFH eingereicht.
  9. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat sich die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde –und in der Folge des PKH-Gesuchs im Rahmen der Beantragung von PKH für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde durch den Antragsteller selbst (vgl. unter II.2.b bb)– nicht deshalb nach § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO auf bis zu einem Jahr nach Bekanntgabe des FG-Urteils verlängert, weil die Rechtsmittelbelehrung des FG fehlerhaft war.
  10. aa) Nach § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur, wenn der Beteiligte ordnungsgemäß u.a. über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtbehelfs gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 FGO grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe i.S. des § 54 Abs. 1 FGO zulässig. Der Begriff Rechtsbehelf umfasst auch gerichtliche Rechtsbehelfe, darunter die prozessualen Mittel zur Rechtsverwirklichung im Wege gerichtlicher Verfahren einschließlich Antrag, Klage und Rechtsmittel (BFH-Urteil vom 01.08.2012 – II R 28/11, BFHE 238, 319, BStBl II 2013, 131, Rz 11, m.w.N.).
  11. bb) Die Rechtsmittelbelehrung im FG-Urteil vom 04.03.2020 war vollständig und richtig.
  12. (1) Hinsichtlich der Rechtsbehelfsbelehrung für die Einlegung eines Einspruchs nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) hat der BFH wiederholt entschieden, dass sie dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes –GG–; Art. 19 Abs. 4 GG) Rechnung tragen muss, aber auch so einfach und klar wie möglich sein soll. Unrichtig ist eine Belehrung daher erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch –bei objektiver Betrachtung– die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch dann noch vollständig und richtig, wenn sie im Hinblick auf die Form der Einlegung des Rechtsbehelfs nur den Wortlaut des Gesetzes –im Fall der Einlegung des Einspruchs also den des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO– wiederholt, und zwar auch in Bezug auf die Einlegung des Rechtsbehelfs per E-Mail (BFH-Urteil vom 20.11.2013 – X R 2/12, BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, Rz 13 ff., m.w.N.). Das Finanzamt muss keinen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der hergebrachten Schriftform) geben (BFH-Urteil in BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, Rz 16).
  13. (2) Im Hinblick auf die Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung zur Erhebung der Klage hat der BFH ebenfalls entschieden, dass sie nicht gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO unrichtig erteilt worden ist, weil sie keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Übermittlung der Klage mittels eines elektronischen Dokuments gemäß § 52a FGO enthielt. Denn gemäß § 64 Abs. 1 FGO ist die Klage bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist richtig erteilt, wenn sie den Wortlaut des § 64 Abs. 1 FGO wiedergibt. Einen Verweis auf die Möglichkeit der Übermittlung der Klageschrift mittels elektronischen Dokuments enthält § 64 Abs. 1 FGO nicht (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2015 – IV R 18/13, BFH/NV 2015, 1349, Rz 22, m.w.N.).
  14. (3) Dieselben Grundsätze gelten in Bezug auf die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung in einem FG-Urteil für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde bei dem BFH. § 116 Abs. 2 Satz 2 FGO verlangt hinsichtlich der Form der Einlegung, dass die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil bezeichnen soll. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist schriftlich einzulegen (allgemeine Meinung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15.01.2002 – X B 143/01, BFH/NV 2002, 669, m.w.N.). Das ergibt sich für die Nichtzulassungsbeschwerde –anders als für die Revision (§ 120 Abs. 1 FGO) und für die Beschwerde nach § 128 FGO (§ 129 Abs. 1 FGO)– zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, aber aus dem Umstand, dass es sich um einen bestimmenden Schriftsatz handelt. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch die Anordnung in § 116 Abs. 2 Satz 3 FGO, dass der Beschwerdeschrift eine Ausfertigung oder Abschrift des angefochtenen Urteils beigefügt werden soll (BFH-Beschluss vom 17.08.2010 – X B 190/09, BFH/NV 2010, 2285, Rz 3). Eine Rechtsbehelfsbelehrung für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist richtig i.S. des § 55 Abs. 1 FGO, wenn sie darauf hinweist, dass die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich einzulegen ist, in der Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil bezeichnet werden muss und der Nichtzulassungsbeschwerde eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden soll. Ein Hinweis auf die Möglichkeit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auf elektronischem Weg ist nicht notwendig.
  15. (4) Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, muss sie diese richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 21.06.2007 – III R 70/06, BFH/NV 2007, 2064, unter II.2.a, m.w.N.). Der BFH hat mit Rücksicht auf die im Interesse des Steuerpflichtigen liegende Klarheit der Rechtsbehelfsbelehrung in einem Fall, in dem die Frage des Fristbeginns in Rede stand, entschieden, dass es ausreichend ist, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns unterrichtet. Letzteres setzt nicht voraus, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen ist. Vielmehr genügt eine abstrakte Belehrung anhand des Gesetzestextes über die vorgeschriebene Anfechtungsfrist. Die konkrete Berechnung ist den Beteiligten überlassen; es kann nicht auf sämtliche Modalitäten hingewiesen werden. Es besteht keine Veranlassung, bei Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung, die nicht Pflichtangaben sind, höhere Anforderungen an die Detailliertheit der Rechtsbehelfsbelehrung zu stellen als bei solchen Angaben, die notwendiges Element der Rechtsbehelfsbelehrung sind. Bezüglich einer Frist als Pflichtangabe und ihrer im Einzelfall sehr komplizierten Berechnung reicht es daher aus, den Wortlaut der einschlägigen Bestimmung wiederzugeben. Dies gilt erst recht, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung sind (s. BFH-Urteil in BFHE 243, 158, BStBl II 2014, 236, Rz 22, und BFH-Beschluss vom 28.04.2015 – VI R 65/13, BFH/NV 2015, 1074, Rz 15).
  16. (5) Diese Grundsätze sind auf Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung des FG bezüglich der elektronischen Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu übertragen. Insoweit ist ausreichend, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung –falls sie auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung verweist, was keine Pflichtangabe ist–, die Angabe enthält, dass für den elektronischen Weg § 52a FGO gilt.
  17. (6) Nach diesen Maßstäben genügte es, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung des FG hinsichtlich der Angabe der elektronischen Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde auf § 52a FGO und die ERVV verwiesen wurde. Es waren keine Angaben notwendig, welche Adresse beim BFH für die elektronische Einlegung im konkreten Fall einschlägig ist.
  18. 3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.