Abzugsfähigkeit der Aufwendungen eines Rechtsanwalts für die Kanzleiräume in der heimischen Wohnung

Beschluss vom 13. Juni 2020, VIII B 166/19

ECLI:DE:BFH:2020:B.130620.VIIIB166.19.0

BFH VIII. Senat

EStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b , EStG VZ 2013 , EStG VZ 2014 , GG Art 3 Abs 1 , FGO § 115 Abs 2 Nr 1

vorgehend FG München, 28. Oktober 2019, Az: 13 K 3042/18

Leitsätze

NV: Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, welcher gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG den vollständigen Abzug der Aufwendungen für einen Kanzleiraum in der heimischen Wohnung als häusliches Arbeitszimmer eröffnet, ist bei Rechtsanwälten nicht isoliert für deren einzelne Tätigkeiten, sondern für sämtliche Tätigkeiten zu bestimmen. Dass das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt darstellt, reicht für einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug nicht aus.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 28.10.2019 – 13 K 3042/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wirft verschiedene Rechtsfragen auf, die aus seiner Sicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) sind. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrunds sind jedoch für keine der aufgeworfenen Rechtsfragen erfüllt.

a) Der Kläger begehrt den vollständigen Abzug seiner Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer als Betriebsausgaben, da es sich um den Kanzleisitz für seine anwaltliche Nebentätigkeit gehandelt habe, er als Syndikusanwalt gesetzlich verpflichtet sei, Kanzleiräume vorzuhalten und eigene Kanzleiräume unterhalten müsse, um die anwaltlichen Verschwiegenheitspflichten zu erfüllen.

b) Der Kläger wirft damit sinngemäß die Frage auf, ob die Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren 2013 und 2014 anzuwendenden Fassung (EStG) bei einem als Rechtsanwalt tätigen Steuerpflichtigen in der Weise auszulegen sei, dass der als häusliches Arbeitszimmer eingerichtete Kanzleisitz den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG bilde. Diese Rechtsfrage ist aber nicht klärungsbedürftig.

aa) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. An der Klärungsbedürftigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt es u.a., wenn sie durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage geboten erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 20.01.2020 – VIII B 121/19, BFH/NV 2020, 506, Rz 3).

bb) Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer einzelnen Tätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls wertend zu entscheiden, ob die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und ob dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt. Dabei ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen. Für Steuerpflichtige, die Rechtsanwälte sind, ist nach der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass auch eine Anwaltskanzlei in der privaten Wohnung von der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG erfasst wird, sofern sie –wie hier– die Merkmale eines häuslichen Arbeitszimmers aufweist. Der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, welcher gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG den vollständigen Abzug der Aufwendungen eröffnet, ist für sämtliche Tätigkeiten des Steuerpflichtigen zu bestimmen und umfasst bei Rechtsanwälten die Tätigkeit als Arbeitnehmer und die selbständige anwaltliche Tätigkeit. Dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt darstellt, reicht für einen unbegrenzten Betriebsausgabenabzug nicht aus (vgl. zum Ganzen BFH-Urteile vom 13.04.2010 – VIII R 27/08, BFH/NV 2010, 2038, Rz 33, 34; vom 14.12.2004 – XI R 13/04, BFHE 208, 239, BStBl II 2005, 344, unter II.A.1.b; s.a. BFH-Urteil vom 25.04.2017 – VIII R 52/13, BFHE 258, 53, BStBl II 2017, 949, Rz 37 bis 39, zur freiberuflichen Nebentätigkeit eines angestellten Steuerberaters).

cc) Der Kläger arbeitet angesichts der für Rechtsanwälte in der Rechtsprechung des BFH bereits entwickelten Grundsätze nicht in der notwendigen Weise heraus, dass die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage noch klärungsbedürftig ist. Seine Hinweise auf die gesetzlichen Vorgaben für Syndikusanwälte in § 46c Abs. 2 und Abs. 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung und die Bezugnahme auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht sind keine Gesichtspunkte, die zu einer Überprüfung der bestehenden Grundsätze Anlass geben. Gleiches gilt für die vom Kläger zitierte Passage aus „der Gesetzesbegründung“. Diese betrifft nur Steuerpflichtige, die –anders als der Kläger– als Rechtsanwälte tätig sind, ihre Kanzleiräume in der Wohnung vorhalten und bei denen die Kanzleiräume den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit darstellen.

c) Der Kläger wirft ferner die Frage auf, ob der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG enthaltene Höchstbetrag von 1.250 € den Anforderungen an eine verfassungsgemäße (realitätsgerechte) Typisierung in den Streitjahren noch genügt. Seit dessen Einführung im Jahr 1996 hätten sich die Mietpreise im Großraum München verdoppelt, sodass der nahezu unverändert gebliebene Höchstbetrag in den Streitjahren zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) führe. Dieser Vortrag erfüllt nicht die Anforderungen an die ordnungsgemäße Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) statuiert § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 EStG mit der darin enthaltenen Höchstbetragsregelung eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip, die nicht gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstößt (BVerfG-Urteil vom 07.12.1999 – 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, unter B.II.2.c; BVerfG-Beschluss vom 06.07.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, Rz 47, sowie Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27.07.2015 – GrS 1/14, BFHE 251, 408, BStBl II 2016, 265, Rz 78, zum vollständigen Ausschluss der Aufwendungen gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG). Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer dürfen danach vom Gesetzgeber generell nur bis zu einer grob pauschalierenden Höchstgrenze als abzugsfähig behandelt werden. Die frühere Höchstgrenze von 2.400 DM in den Fällen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG war nach der Rechtsprechung des BVerfG vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt (BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, unter B.II.2.c; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268, Rz 47).

bb) Wirft ein Beschwerdeführer –wie der Kläger im Streitfall– mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Fragen als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, so erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung eine substantiierte, an den Vorgaben des GG und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Beschluss vom 13.11.2019 – VIII B 42/19, BFH/NV 2020, 234, Rz 5). Hat der BFH in einer früheren Entscheidung begründet, warum er eine Norm nicht für verfassungswidrig hält, muss in der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt werden, warum eine erneute Klärung der Frage geboten ist (BFH-Beschluss vom 06.03.2019 – VIII B 94/18, BFH/NV 2019, 935, Rz 4).

cc) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger verweist zwar darauf, dass der Höchstbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 EStG in den Streitjahren zu einer nicht mehr realitätsgerechten Beschränkung des typischerweise anfallenden Aufwands führe, da sich das Mietpreisniveau seit Einführung des Höchstbetrags von 2.400 DM im Jahr 1996 verdoppelt habe und der in den Streitjahren geltende Höchstbetrag von 1.250 € nahezu unverändert geblieben sei. Er hätte sich zur Darlegung eines verfassungswidrigen Zustands aufgrund unterbliebener Anhebungen des Höchstbetrags in der Beschwerdebegründung aber mit der vorhandenen Rechtsprechung des BVerfG näher auseinandersetzen und die vorhandenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Bemessung eines realitätsgerechten typisierenden Höchstbetrags aufzeigen müssen. Der Kläger hätte insbesondere darlegen müssen, von welchen typischen (Miet- und Grundstücks-)Aufwendungen und Bemessungsfaktoren für das Arbeitszimmer (Größe; Verhältnis zur Gesamtfläche) der Gesetzgeber bei Schaffung des Höchstbetrags ausgegangen ist.

2. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer Darlegung des Tatbestands und einer weiteren Begründung ab.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.