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BFH-Urteil vom 13.1.1988 (II R 243/85) BStBl. 1988 II S. 571

BFH-Urteil vom 13.1.1988 (II R 243/85) BStBl. 1988 II S. 571

Eine für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Entwicklungsländern gebildete steuerfreie Rücklage ist auch dann bei der Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebes abzuziehen, wenn die Beteiligung als Schachtelbeteiligung nicht zum gewerblichen Betrieb gehört (Abweichung von BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221).

EntwHStG § 7 Abs. 3; BewG § 102 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1986, 108)

Sachverhalt

 

Die Klägerin, eine AG, war am 1. Januar 1974 an verschiedenen Kapitalgesellschaften in Entwicklungsländern beteiligt. Wegen dieser Beteiligungen nahm sie gemäß § 1 des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes (EntwHStG) i.d.F. vom 15. März 1968 in ihrer Steuerbilanz einen Bewertungsabschlag vor und bildete eine steuerfreie Rücklage. Die Beteiligungen selbst setzte sie bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) bzw. aufgrund des § 102 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht an.

Bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1974 setzte das beklagte Finanzamt (FA) die steuerfreie Rücklage sowie den Bewertungsabschlag vom Rohbetriebsvermögen ab und stellte den Einheitswert unter Vorbehalt der Nachprüfung entsprechend fest.

Während einer Betriebsprüfung stellte sich das FA auf den Standpunkt, weder der Bewertungsabschlag noch die steuerfreie Rücklage seien bei der Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens abzugsfähig und erhöhte den Einheitswert für den gewerblichen Betrieb entsprechend, wobei der Bescheid weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Zu der Änderung sah sich das FA durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79 (BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221) veranlaßt.

Die Klägerin hat gegen den geänderten Steuerbescheid Sprungklage erhoben und beantragt, den Einheitswert auf den 1. Januar 1974 um den Betrag der steuerfreien Rücklage herabzusetzen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die steuerfreie Rücklage aufgrund des § 7 Abs. 3 EntwHStG abzugsfähig sei. Dem Abzug stehe nicht § 103 BewG entgegen, wie dies der IV. Senat des BFH angenommen habe.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben (vgl. die Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 1986, 108).

Entscheidungsgründe

 

Die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die von der Klägerin wegen verschiedener Beteiligungen an Kapitalgesellschaften in Entwicklungsländern gebildete steuerfreie Rücklage zum Abzug gemäß § 7 Abs. 3 EntwHStG zugelassen. Dem steht nicht entgegen, daß die Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften aufgrund von DBA oder aufgrund des § 102 Abs. 2 BewG nicht zum gewerblichen Betrieb gehörten.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 3 EntwHStG ist die steuerfreie Rücklage in der gleichen Höhe abzuziehen, wie sie in der Steuerbilanz für den letzten Bilanzstichtag vor dem für die Ermittlung des Einheitswertes des gewerblichen Betriebs maßgebenden Bewertungsstichtag ausgewiesen worden ist. Irgendeine Einschränkung dahingehend, die Abzugsfähigkeit der steuerfreien Rücklage solle davon abhängig sein, daß die Kapitalanlagen in Entwicklungsländern im Einheitswert des gewerblichen Betriebs zu erfassen sind, läßt sich der Vorschrift nicht entnehmen.

Für die Auslegung des § 7 Abs. 3 EntwHStG nach seinem eindeutigen Wortlaut spricht im übrigen auch § 1 Abs. 1 Satz 2 EntwHStG. Die in dieser Vorschrift vorgesehene erhöhte steuerfreie Rücklage betrifft die Fälle, in denen bestimmte Kapitalanlagen in einem Entwicklungsland aufgrund eines DBA ertragsteuerrechtlich der deutschen Besteuerung entzogen worden sind. Gleichwohl wird eine steuerfreie Rücklage gebildet. Hieraus ist zu folgern, daß diese steuerfreie Rücklage auch bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abzugsfähig sein soll. Andernfalls hätte der Gesetzgeber § 7 Abs. 3 EntwHStG einschränken müssen. Denn der Zusammenhang des § 1 Abs. 1 Satz 2 EntwHStG mit dem § 7 Abs. 3 EntwHStG spricht dafür, daß die steuerfreie Rücklage ohne Rücksicht darauf bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abzugsfähig sein soll, ob die jeweilige Kapitalanlage in einem Entwicklungsland vermögensteuerlich dem Entwicklungsland zur Besteuerung zugewiesen worden ist oder nicht.

Für die Kapitalanlagen in einem Entwicklungsland in Form von Schachtelbeteiligungen, die nicht unter die Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 EntwHStG fallen, kann nichts anderes gelten. Es muß vielmehr angenommen werden, daß die durch die steuerfreie Rücklage gewährte Steuervergünstigung dem Steuerpflichtigen auch in diesem Falle ungeschmälert bei der inländischen Besteuerung zugute kommen soll. Hiervon sind seinerzeit offensichtlich auch die obersten Landesfinanzbehörden ausgegangen, als sie sich zur Vermögensteuerpauschalierung aufgrund des früheren § 9 Abs. 4 des Vermögensteuergesetzes (VStG) bei Bestehen einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft äußerten (vgl. Steuererlasse in Karteiform – StEK -, Vermögensteuergesetz, § 9 Nr. 11).

Unter diesen Umständen kommt auch keine Einschränkung des Abzugs der steuerfreien Rücklage aufgrund § 103 Abs. 1 BewG in Betracht. Zwar hat der III. Senat den Abzug von Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer unter § 102 BewG (früher § 60 BewG) fallenden Schachtelbeteiligung stehen, verneint (vgl. sein Urteil vom 28. Januar 1972 III R 4/71, BFHE 104, 569, BStBl II 1972, 416). Diese Rechtsprechung läßt sich aber nicht auf die steuerfreie Rücklage nach dem EntwHStG übertragen; denn diese ist keine Schuld i.S. des § 103 BewG. Ob eine steuerfreie Rücklage auch dann abzugsfähig ist, wenn Kapitalanlagen, die Anlaß für die Bildung der steuerfreien Rücklagen waren, nicht der inländischen Besteuerung unterliegen, ist vielmehr allein aufgrund der Vorschrift zu entscheiden, die den Abzug der steuerfreien Rücklage bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens regelt. Aus § 103 Abs. 1 BewG kann in dieser Hinsicht nichts hergeleitet werden. Der erkennende Senat vermag deshalb der abweichenden Auffassung des IV. Senats in seinem Urteil in BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221 nicht zu folgen. Der IV. Senat hat dieser Abweichung zugestimmt.