Beiladung einer Personengesellschaft zu einem gegen einen gesonderten und einheitlichen Feststellungsbescheid gerichteten Verfahren

Beschluss vom 26. Juni 2021, VIII B 28/21

ECLI:DE:BFH:2021:B.260621.VIIIB28.21.0

BFH VIII. Senat

FGO § 48 Abs 1 Nr 1 , FGO § 60 Abs 3 , FGO § 135 Abs 2 , FGO § 48 Abs 1 Nr 4 , FGO § 48 Abs 1 Nr 5

vorgehend FG Münster, 22. Januar 2021, Az: 10 K 3338/17 F

Leitsätze

NV: Die Einschränkung, dass eine nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder Nr. 5 FGO klagebefugte Person nicht zum Verfahren beizuladen ist, wenn sie vom Ausgang des Rechtsstreits unter keinem denkbaren Gesichtspunkt betroffen sein kann, gilt nicht für die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 14.11.2008 – IV B 136/07, BFH/NV 2009, 597).

Tenor

Die Beschwerde des Klägers zu 1. gegen den Beschluss des Finanzgerichts Münster vom 22.01.2021 – 10 K 3338/17 F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu 1. zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Der Kläger zu 1. und Beschwerdeführer (Kläger) ist als Treugeber über einen von der A-GmbH gehaltenen Kommanditanteil mittelbar an der B-KG beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin der B-KG ist die B-GmbH. Gegenstand des Unternehmens der B-KG ist u.a. der Erwerb und das Halten von Index-Zertifikaten sowie von US-Lebensversicherungspolicen.
  2. Die B-KG und die B-GmbH wurden zwischenzeitlich aufgelöst. Zur Liquidatorin beider Gesellschaften wurde die C-KG bestellt. Die Liquidation beider Gesellschaften ist noch nicht beendet.
  3. Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 30.03.2017, der gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, stellte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) für die B-KG u.a. Kapitalerträge, die nicht dem Steuerabzug unterlagen, in Höhe von … € fest und rechnete diese dem Kläger in Höhe von … € zu. Am 06.06.2017 erließ das FA einen Änderungsbescheid, in dem es u.a. Kapitalerträge, die nicht dem Steuerabzug unterlagen, in Höhe von … € feststellte und diese dem Kläger in Höhe von … € zurechnete. In beiden Bescheiden wurde der Kläger als Gesellschafter der B-KG geführt. Die Treuhandkommanditistin wurde in den Bescheiden nicht als Gesellschafterin aufgeführt.
  4. Mit seiner hiergegen erhobenen Klage wendet sich der Kläger u.a. dagegen, dass er in den angefochtenen Bescheiden als Kommanditist der B-KG geführt wird, obwohl er lediglich mittelbar über die Treuhandkommanditistin an der B-KG beteiligt sei. Er trägt vor, das FA habe es unterlassen, ein zweistufiges Feststellungsverfahren durchzuführen. Hilfsweise macht er die Berücksichtigung zusätzlicher Sonderbetriebsausgaben geltend.
  5. Das Finanzgericht (FG) hat zunächst die C-KG gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen. Auf die Beschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 12.10.2020 – VIII B 32/20 (BFH/NV 2021, 333) die Beiladung aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, das FG habe die B-KG selbst und nicht die C-KG als deren Liquidatorin beiladen müssen.
  6. Mit Beschluss vom 22.01.2021 hat das FG die B-KG gemäß § 60 Abs. 3 FGO zum Verfahren beigeladen. Dagegen wendet sich der Kläger erneut mit der Beschwerde. Er macht u.a. geltend, die B-KG sei unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vom Ausgang des Klageverfahrens betroffen. Der Feststellungsbescheid sei bereits mangels ordnungsgemäßer Adressierung der Feststellungsbeteiligten unwirksam. Eine Beiladung sei jedenfalls im derzeitigen Stadium der Liquidation der B-KG ausgeschlossen.
  7. Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
  8. Der Kläger beantragt, den Beschluss des FG vom 22.01.2021 aufzuheben.
  9. Das FA hat zu der Beschwerde des Klägers nicht Stellung genommen und auch keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Beschwerde ist unbegründet.
  2. 1. Die B-KG war im Streitfall gemäß § 60 Abs. 3 FGO notwendig beizuladen.
  3. a) Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, notwendig beizuladen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind.
  4. b) Danach war die Beiladung der B-KG im Streitfall notwendig.
  5. aa) Die B-KG ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO befugt, Klage gegen den Feststellungsbescheid zu erheben, ist im Streitfall aber nicht selbst als Klägerin am Verfahren beteiligt (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Eine Einschränkung der Klagebefugnis der B-KG und damit der Beiladungspflicht ergibt sich nicht daraus, dass sie, wie der Kläger vorträgt, unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt vom Ausgang des Verfahrens betroffen sein kann. Denn diese Einschränkung gilt nicht für die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 31.01.1992 – VIII B 33/90, BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559, und vom 14.11.2008 – IV B 136/07, BFH/NV 2009, 597). Die in § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO geregelte gesetzliche Prozessstandschaft der Gesellschaft wird im Wesentlichen von prozessökonomischen Erwägungen bestimmt, wie etwa der einheitlichen Behandlung von Streitfragen, dem mit der notwendigen Beiladung verfolgten Ziel der Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen und der Sicherung einer einheitlichen Rechtskraftwirkung (vgl. hierzu: BFH-Beschluss in BFHE 167, 5, BStBl II 1992, 559, unter 2.c der Gründe).
  6. bb) Der notwendigen Beiladung der B-KG steht auch nicht entgegen, dass sie aufgelöst wurde und sich im Stadium der Liquidation befindet. Denn die Liquidation einer Personengesellschaft lässt ihre Klagebefugnis während der Liquidationsphase unberührt (z.B. BFH-Beschluss vom 12.04.2007 – IV B 69/05, BFH/NV 2007, 1923). Von der Beiladung der nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugten Gesellschaft kann erst dann abgesehen werden, wenn die Gesellschaft nach den äußeren Umständen (tatsächliche Einstellung des Betriebs, völlige Vermögenslosigkeit) als faktisch beendet anzusehen ist oder wenn über den Fortbestand der Gesellschaft Ungewissheit besteht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 03.09.2009 – IV R 17/07, BFHE 227, 293, BStBl II 2010, 631; BFH-Beschluss in BFH/NV 2021, 333). Dafür bestehen nach dem vorliegenden Akteninhalt keine Anhaltspunkte.
  7. 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Von einer Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren gegen einen Beiladungsbeschluss ist nur abzusehen, wenn im Sinne des Rechtsmittelantrags entschieden wird (vgl. BFH-Beschluss vom 07.05.2009 – VIII B 11/09, BFH/NV 2009, 1447; vgl. auch Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 143 Rz 10, m.w.N.).