Betriebsausgaben-Abzugsverbot für Geschenke bei Kostenerstattung durch Dritte

Beschluss vom 14. Juli 2020, XI B 1/20

ECLI:DE:BFH:2020:B.140720.XIB1.20.0

BFH XI. Senat

EStG § 4 Abs 1 , EStG § 4 Abs 3 S 2 , EStG § 4 Abs 4 , EStG § 4 Abs 5 S 1 Nr 1 , EStG § 5 , FGO § 115 Abs 2 Nr 1 , FGO § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 , EStG VZ 2010 , EStG VZ 2011 , EStG VZ 2012

vorgehend Hessisches Finanzgericht , 21. August 2019, Az: 4 K 2370/17

Leitsätze

1. NV: § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG ist bei bilanzierenden Steuerpflichtigen nicht anzuwenden.

2. NV: Der Geschenkbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist geklärt; er entspricht dem Begriff der bürgerlich-rechtlichen Schenkung.

3. NV: Das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist auch dann anzuwenden, wenn ein Dritter dem Schenker die Kosten des Geschenks erstattet.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 21.08.2019 – 4 K 2370/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, ist eine 100 %-Tochtergesellschaft der in … ansässigen … AG (A-AG) und Teil der A-Gruppe, die … Produkte verschiedener Marken anbietet. Die Klägerin ist exklusiv für den Vertrieb, das Marketing und den Kundendienst der Marken der A-Gruppe im Inland und in … zuständig. Sie verkaufte in den Jahren 2010 bis 2012 (Streitjahre) die Waren im eigenen Namen, aber auf Rechnung anderer, ebenfalls zur A-Gruppe gehörenden Kommittenten. Hierfür erhielt sie eine umsatzabhängige Provision. Als Eigengeschäft betrieb sie den Reparaturservice für diese Produkte.
  2. Ferner war die Klägerin für die Verkaufspromotion und die Werbung für die Produkte der A-Gruppe im Vertriebsgebiet der Klägerin auf Basis der Instruktionen und Anweisungen der Hersteller der Produkte und auf Rechnung der Kommittenten zuständig. Die Kommittenten waren verpflichtet, der Klägerin alle für bedingungsgemäß durchgeführten Marketing- und Verkaufsfördermaßnahmen entstandenen Auslagen auf Kostenbasis sowie die internen Kosten der Klägerin auf Vollkostenbasis zu erstatten.
  3. Für Verkaufsfördermaßnahmen an geladene Gäste aus dem Vertriebsgebiet der Klägerin fielen in den Streitjahren Kosten (u.a. für Reisen, Unterbringung, Rahmenprogramm, Bewirtung und Warengeschenke im Wert von mehr als 35 €) an, die die Klägerin –zusammen mit anderen Aufwendungen– auf den Aufwandskonten 7XXXX („…“), 7XXXX („…“) und 7XXXX („…“) verbuchte. In den Gewinn- und Verlustrechnungen der Streitjahre wurden die Kosten als Aufwendungen und die Erstattungen der Kommittenten als Einnahmen ausgewiesen.
  4. In ihren Körperschaftsteuererklärungen für die Streitjahre ging die Klägerin davon aus, dass die Kosten steuerlich abzugsfähig seien. In den Umsatzsteuererklärungen für 2010 bis 2012, die vorliegend nicht Streitgegenstand sind, zog sie die Vorsteuer aus den bezogenen Eingangsleistungen ab. Bei den nach § 37b des Einkommensteuergesetzes (EStG) angemeldeten Steuern berücksichtigte die Klägerin die Aufwendungen für die Verkaufsmaßnahmen zunächst nur teilweise.
  5. Im Rahmen einer Außenprüfung vertraten die Prüfer u.a. die Auffassung, dass es sich bei den Aufwendungen für die Verkaufsfördermaßnahmen teilweise um gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG nicht abzugsfähige Aufwendungen für Geschenke und Bewirtungen handele, so dass aus denselben Gründen der Vorsteuerabzug zu vermindern und die Pauschalsteuer nach § 37b EStG zu erhöhen sei. Die Erstattung der streitigen Aufwendungen stehe der Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 EStG nicht entgegen. Eine Nettobilanzierung der streitigen Aufwendungen und des Erstattungsanspruchs habe nicht zu erfolgen.
  6. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) folgte der Auffassung der Prüfer in den Körperschaftsteuer-Änderungsbescheiden für 2010 bis 2012 vom 07.02.2017. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 04.12.2017).
  7. Das Hessische Finanzgericht wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2020, 771 veröffentlichten Urteil vom 21.08.2019 – 4 K 2370/17 ab. Es entschied, die Kosten für die streitgegenständlichen Verkaufsaktivitäten seien eigene Aufwendungen der Klägerin, für die das FA zu Recht den Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 und Abs. 7 EStG versagt habe. Für 30 % der Bewirtungsaufwendungen folge dies bereits aus § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Für die weiteren 70 % der Bewirtungsaufwendungen folge das Abzugsverbot aus § 4 Abs. 7 EStG, da die Bewirtungsaufwendungen nicht auf gesonderten Konten für nicht abziehbare Betriebsausgaben verbucht worden seien. Schließlich seien auch die Kosten für Geschenke Betriebsausgaben der Klägerin, die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig seien. Es lägen insbesondere keine durchlaufenden Posten vor. Der Geschenkbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG entspreche demjenigen der bürgerlich-rechtlichen Schenkung (§ 516 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–). Die Klägerin sei die Schenkerin. Das FA habe auch zutreffend die Mehraufwendungen für Umsatzsteuer und die Pauschalsteuer nach § 37b EStG in die nichtabzugsfähigen Geschenkaufwendungen einbezogen. Die Minderung des Steuerbilanzgewinns dürfe den Gewinn ebenfalls nicht mindern. Die Einnahmen seitens der Kommittenten (einschließlich der gewinnerhöhenden Aktivierung des Erstattungsanspruchs für die Übernahme der nach § 37b EStG geschuldeten Steuern) seien trotz Nichtabzugsfähigkeit der erstatteten Aufwendungen steuerpflichtig.
  8. Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, in Bezug auf die folgenden beiden Rechtsfragen sei die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen:
    1. „Verlangt der Begriff der Aufwendungen – und damit der Begriff der ‚Betriebsausgaben‘ – in § 4 Abs. 4 EStG, dass das Vermögen gemindert wird?“
    2. „Ist das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG auch dann beim zivilrechtlichen Schenker im Sinne des § 516 BGB anzuwenden, wenn er die Aufwendungen für die Geschenke zwar im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung tätigt und somit nicht der zivilrechtliche Schenker, sondern ein anderer Steuerpflichtiger die Schenkung wirtschaftlich trägt?“

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie hinreichend dargelegt worden sind, nicht vor.
  2. 1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar ist (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 15.11.2018 – XI B 49/18, BFH/NV 2019, 208, Rz 8; vom 13.03.2019 – XI B 89/18, BFH/NV 2019, 945, Rz 16).
  3. Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen eine hinreichend bestimmte und für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13.03.2019 – XI B 97/18, BFH/NV 2019, 711, Rz 3; vom 29.04.2020 – XI B 113/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Deutsches Steuerrecht 2020, 1115). Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (vgl. BFH-Beschluss vom 12.06.2019 – XI B 71/18, BFH/NV 2019, 1329, Rz 6). 
  4. 2. Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24.07.2017 – XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635, Rz 16; vom 21.03.2018 – XI B 113/17, BFH/NV 2018, 739, Rz 8).
  5. Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24.06.2014 – XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 35; vom 23.07.2019 – XI B 29/19, BFH/NV 2019, 1363, Rz 12). Auch dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24.07.2017 – XI B 25/17, BFH/NV 2017, 1591, Rz 25; vom 02.01.2018 – XI B 81/17, BFH/NV 2018, 457, Rz 16).
  6. Soweit die Fortbildung des Rechts als Zulassungsgrund geltend gemacht wird, gelten die unter II.1. genannten Darlegungsanforderungen entsprechend (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19.12.2016 – XI B 57/16, BFH/NV 2017, 599, Rz 36; vom 26.09.2017 – XI B 65/17, BFH/NV 2018, 240, Rz 23).
  7. 3. Gemessen daran hat die Klägerin die Klärbarkeit der Frage 1 aus zwei Gründen nicht hinreichend dargelegt.
  8. a) Die Beschwerde geht erstens nicht darauf ein, dass durchlaufende Posten bei einem Betriebsvermögensvergleich anzusetzen sind (vgl. BFH-Urteil vom 13.08.1997 – I R 85/96, BFHE 184, 311, BStBl II 1998, 161, unter II.1., Rz 11). Dies beruht darauf, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG bei bilanzierenden Steuerpflichtigen nicht anzuwenden ist; die Gewinnneutralität wird durch den Ansatz gleichhoher Wertzugänge und Wertabgänge sichergestellt (BFH-Urteil vom 04.12.1996 – I R 99/94, BFHE 182, 131, BStBl II 1997, 404, unter II.B.1., Rz 9; s. dazu in Bezug auf die Vorentscheidung auch Frantzmann, EFG 2020, 771, 774; zum Vorliegen eigener Aufwendungen des Steuerpflichtigen bei abgekürztem Zahlungsweg s. BFH-Urteile vom 03.04.1987 – VI R 91/85, BFHE 149, 572, BStBl II 1987, 623, unter a, Rz 27; vom 06.12.2017 – VI R 41/15, BFHE 260, 252, BStBl II 2018, 355, Rz 25; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 23.08.1999 – GrS 2/97, BFHE 189, 160, BStBl II 1999, 782, unter C.IV.1.c aa, Rz 55).
  9. b) Außerdem legt die Beschwerde nicht hinreichend dar, weshalb die Bejahung der Frage 1 zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen würde. Wären die Zahlungen der Klägerin für die Kosten der Verkaufsfördermaßnahmen keine Betriebsausgaben, wären sie schon aus diesem Grund nicht gewinnmindernd abziehbar. Weshalb und wonach die Zahlungen, die die Klägerin für eine von ihr übernommene betriebliche Verpflichtung (Durchführung von Verkaufsfördermaßnahmen) von den Kommittenten erhalten hat, bei dieser Sachlage nicht gewinnerhöhend zu berücksichtigen wären, legt die Beschwerde nicht hinreichend dar.
  10. c) Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsprechung des BFH, wonach die Erstattung nicht abzugsfähiger Betriebsausgaben (trotz ihrer Nichtabzugsfähigkeit) als Betriebseinnahme zu erfassen ist (vgl. BFH-Urteile vom 28.05.1968 – IV R 65/67, BFHE 92, 361, BStBl II 1968, 581; vom 04.12.1991 – I R 26/91, BFHE 167, 32, BStBl II 1992, 686; vom 29.08.1996 – VIII R 24/95, BFHE 182, 307; BFH-Beschluss vom 20.11.2007 – I R 54/05, BFH/NV 2008, 617), nicht auf Fälle mit Kostenaufschlag beschränkt ist.
  11. 4. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage 2 hingegen ist nicht klärungsbedürftig; denn sie ist bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt.
  12. a) Der Geschenkbegriff des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG ist geklärt (vgl. BFH-Beschluss vom 20.02.2019 – XI B 15/18, BFH/NV 2020, 207, Rz 9). Er entspricht nach ständiger Rechtsprechung des BFH dem Begriff der bürgerlich-rechtlichen Schenkung (so ausdrücklich BFH-Urteile vom 23.06.1993 – I R 14/93, BFHE 171, 521, BStBl II 1993, 806; vom 12.10.2010 – I R 99/09, BFH/NV 2011, 650, Rz 11; Bode in Kirchhof, EStG, 19. Aufl., § 4 Rz 197; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1145).
  13. b) Dass ein Dritter dem Schenker die Kosten des Geschenks erstattet, führt zu keiner anderen Sachbehandlung, weil sonst das gesetzliche Abzugsverbot im Ergebnis unterlaufen werden könnte; könnte sich der Steuerpflichtige nicht abziehbare Aufwendungen von einem Geschäftspartner steuerfrei erstatten lassen, so müsste er diese Aufwendungen im Ergebnis nicht aus versteuertem Einkommen bestreiten, was mit dem Zweck des Abzugsverbots nicht vereinbar wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 18.06.2003 – I B 164, 165/02, BFH/NV 2003, 1555, unter III.2., Rz 10). Die Ausführungen der Klägerin enthalten keine neuen Gesichtspunkte, die Anlass gäben, diese Rechtsprechung in Frage zu stellen.
  14. 5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO).
  15. 6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.