BFH-Beschluß vom 19.6.1980 (VIII B 26/79) BStBl. 1981 II S. 57

BFH-Beschluß vom 19.6.1980 (VIII B 26/79) BStBl. 1981 II S. 57

Ein Ordnungsgeld kann gegen einen Zeugen nicht verhängt werden, wenn dieser aus zwingenden Gründen dem Vernehmungstermin ferngeblieben ist.

FGO § 82; ZPO §§ 380, 381.

Sachverhalt

 

Nachdem das Finanzgericht (FG) in der Streitsache G ./. den Beklagten (Finanzamt H) einen auf den 11. Dezember 1978 auf Antrag des Vertreters des Klägers und einen auf den 20. Dezember 1978 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung auf Antrag des als Zeugen zu hörenden Beschwerdeführers aufgehoben hatte, beraumte es nach Abstimmung mit dem Beschwerdeführer und einem weiteren Zeugen den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24. Januar 1979 an. Mit Schreiben vom 17. Januar 1979 teilte der Beschwerdeführer dem FG mit, daß er am 24. Januar 1979 einen Termin beim Amtsgericht M in eigener Sache wahrnehmen müsse und deshalb an dem vom FG festgesetzten Termin nicht teilnehmen könne. Hierauf antwortete der Vorsitzende des mit der Streitsache befaßten Senats, daß eine Verlegung des Termins nicht in Betracht komme. Der Beschwerdeführer solle sich um die Verlegung des Termins in M bemühen oder einen Vertreter hinschicken. Hierauf antwortete der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22. Januar 1979, daß er die Nachricht von dem Termin in M erst am 17. Januar 1979 erhalten habe und daß das Amtsgericht die Verlegung des Termins wegen der Vielzahl der geladenen Zeugen abgelehnt habe. In einer Besprechung am 23. Januar 1979 erörterte der Senat des FG das Schreiben des Beschwerdeführers und gelangte zu der Ansicht, daß die vom Beschwerdeführer angeführten Gründe nicht ausreichten, um sein Fernbleiben vom Termin zu rechtfertigen. Hiervon konnte der Beschwerdeführer nicht mehr benachrichtigt werden, weil er bereits nach M abgereist war.

Der Termin fand ohne Teilnahme des Beschwerdeführers statt, auf dessen Aussage allerdings verzichtet wurde. Durch Beschluß vom 24. Januar 1979 hat das FG gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld von 300 DM festgesetzt und den Beschluß wie folgt begründet: Der Beschwerdeführer habe sich in einem Konflikt zwischen der Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Zeugenpflicht und der Wahrnehmung eigener Belange befunden und diesen Konflikt leichtfertig, zu seinen eigenen Gunsten entschieden. Sein Verhalten habe die Gefahr verursacht, daß der Verhandlungstermin mit erheblichem Aufwand hätte wiederholt werden müssen. Seine Teilnahme am Beweistermin in M sei nicht unbedingt erforderlich gewesen, denn seine Anwesenheit sei nicht gefordert, sondern nur gestattet worden. Wegen des frühen Stadiums des Ermittlungsverfahrens gegen ihn sei seine Anwesenheit zur Wahrung seines Rechts auf Verteidigung nicht notwendig gewesen, zumal er durch einen Verteidiger vertreten worden sei. Er hätte nicht nach M fahren dürfen, bevor der Senat über seinen Verlegungsantrag entschieden habe. Rechtliches Gehör sei ihm durch den Schriftwechsel gewährt worden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde mit der folgenden Begründung: Die Wahrnehmung eines Termins zur Vernehmung von sechs Zeugen in einer gegen den Beschwerdeführer gerichteten Ermittlungssache müsse Vorrang haben vor seiner Zeugenpflicht. Daß sich das gegen ihn gerichtete Verfahren erst im Stadium staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen befand, besage nichts, weil er darauf habe bedacht sein müssen, daß keine öffentliche Anklage erhoben und kein Hauptverfahren eröffnet würden. Auch hätte die Vertretung durch den Verteidiger zur Wahrnehmung der eigenen Rechte nicht ausgereicht. Dieser habe die Akten nicht einsehen können. Das Beweisthema sei nicht bekannt gewesen. Vor Festsetzung des Ordnungsgeldes sei ihm auch kein rechtliches Gehör gewährt worden.

Der Beschwerdeführer beantragt, den Beschluß über die Festsetzung des Ordnungsgeldes aufzuheben.

Entscheidungsgründe

 

Auf die Beschwerde wird der Beschluß über die Festsetzung des Ordnungsgeldes gemäß § 82 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 381 der Zivilprozeßordnung aufgehoben. Den Darlegungen des FG, den Akten des FG und den Darlegungen des Beschwerdeführers ist zu entnehmen, daß sich der Beschwerdeführer in einem Interessenwiderstreit befand, der für den Beschwerdeführer nicht lösbar war. Er konnte nur an dem Termin beim FG oder an dem Termin beim Amtsgericht M teilnehmen. Dem FG ist darin beizustimmen, daß die Teilnahme des Beschwerdeführers an dem Termin in M nicht zwangsläufig war, wenn allein die Rechtslage in Betracht gezogen wird. Denn es war ihm lediglich gestattet, an dem Termin teilzunehmen, er war aber nicht gezwungen, an dem Termin teilzunehmen. Andererseits darf jedoch nicht außer Betracht bleiben, daß erhebliche Interessen des Beschwerdeführers auf dem Spiel standen, denn es handelte sich um die Vorbereitung eines Strafprozesses gegen ihn. Der Ansicht des FG, die Angelegenheit sei nicht von entscheidender Wichtigkeit gewesen, weil sich das Verfahren erst im vorbereitenden Stadium bei der Staatsanwaltschaft befunden habe, kann nicht zugestimmt werden. In derartigen Fällen ist es von maßgeblicher Bedeutung, bereits im Anfangsstadium für eine die eigenen Interessen wahrende Tatsachenermittlung zu sorgen, weil einmal getroffene Feststellungen oft nicht mehr korrigierbar sind. Zwar wäre es dem Beschwerdeführer möglich gewesen, sich durch seinen Verteidiger vertreten zu lassen. Es handelte sich jedoch um Zeugenvernehmungen, durch die tatsächliche Vorgänge geklärt werden sollten, die den Beschwerdeführer persönlich betrafen. Über sie wußte nur der Beschwerdeführer selbst Bescheid und nicht sein Verteidiger.

Der Beschwerdeführer ist in diese ausweglose Lage nur gelangt, weil keines der beiden Gerichte bereit war, den angesetzten Termin abzusetzen. Nachdem das Amtsgericht M den Beschwerdeführer hatte wissen lassen, daß der von ihm anberaumte Termin aus zwingenden Gründen nicht abgesetzt werden könne und der Beschwerdeführer dies dem FG mitgeteilt hatte, hätte das FG den eigenen Termin absetzen können. Es ist nicht ersichtlich, daß dem zwingende Gründe entgegenstanden, daß insbesondere die erforderliche kurzfristige Terminsaufhebung technisch nicht mehr möglich war. Der Beschwerdeführer ist daher entschuldigt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 8. Januar 1975 I B 61/74, BFHE 114, 404, BStBl II 1975, 305).


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