BFH-Urteil vom 11.7.1979 (VII R 64/76) BStBl. 1980 II S. 33

BFH-Urteil vom 11.7.1979 (VII R 64/76) BStBl. 1980 II S. 33

1. Zur zollwertrechtlichen Behandlung von Waren, die eine Tochtergesellschaft von ihrer ausländischen Muttergesellschaft zu deren Einkaufspreisen bezieht.

2. Der VII. Senat schließt sich unter Aufgabe seiner Auffassung in dem Urteil vom 21. Oktober 1959 VII 31/59 U (BFHE 70, 60, BStBl III 1960, 23) der Meinung des I. Senats in seinem Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 116/74 (BFHE 121, 5, BStBl II 1977, 257) an, daß ein Haftungsanspruch auch dann vor dem Steueranspruch verjähren kann, wenn er auf § 109 AO beruht.

ZWVO Art. 1, 2, 9; AO §§ 103, 109, 146a.

Sachverhalt

Die inländische Firma F Büromaschinen GmbH in X (FX) führte in den Jahren 1970 und 1971 Tresore, Registrierkassen, Rechenmaschinen und Schreibmaschinen aus Dänemark und Norwegen in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die bei der Abfertigung vorgelegten Lieferrechnungen für die von der Firma J Norwegen stammenden Tresore waren auf die Firma F in Y/Dänemark (FY) ausgestellt. Die bei der Einfuhr der Registrierkassen, Rechen- und Schreibmaschinen vorgelegten Rechnungen waren von FY an FX ausgestellt. Die FY besaß 95 % des Stammkapitals der FX. Die Geschäftsleitung für die Tochterfirma in X wurde von Y aus durchgeführt. Die Firma J ist Hauptaktionär der Firma FY. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war ab August 1969 gleichzeitig Leiter des Verkaufsbüros der Firma J, leitender Direktor bei der Firma FY und nach Gründung der Firma F in X auch deren Geschäftsführer.

Wegen der Namensgleichheit der FY mit der FX leitete das Zollamt (ZA) zollwertrechtliche Untersuchungen wegen eines möglicherweise bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses ein. Da an die Firma FX gerichtete Anfragen nur unvollständig beantwortet wurden, schaltete das ZA das zuständige Kommissariat ein, das jedoch keine eigenen Ermittlungen anstellte, weil im Oktober 1971 ein Ermittlungsverfahren des Zollfahnungsamtes gegen die FX eingeleitet worden war. Auf Betreiben der Zollfahndung und auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht am 1. Oktober 1971 in dem Ermittlungsverfahren gegen die Firma FX, Direktor K, und im Ermittlungsverfahren gegen Direktor K, Firma FX, wegen Verdachts der Zollhinterziehung einen Beschluß auf Durchsuchung der Geschäfts- und Nebenräume und einen weiteren Beschluß zur Beschlagnahme der sich bei dem Steuerberater E befindlichen Geschäftsunterlagen. Im November und Dezember 1971 wurde der Kläger von einem Beamten des Zollfahndungsamtes viermal wegen des Verdachts der Unterfakturierung bei der Einfuhr von Büromaschinen und Inventar vernommen. Der Kläger sagte u. a. aus, die bei den Verzollungen vorgelegten Rechnungen der FY hätten in der Regel die Lieferpreise der Firma J an diese Firma ausgewiesen. Die Maschinen seien grundsätzlich von FY an FX ohne irgendeinen Gewinn weitergegeben worden. Er – der Kläger – sei der Auffassung gewesen, daß die Kosten für den sog. technischen Beistand nichts mit der Bewertung der eingeführten Waren zu tun hätten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA -) kam zu dem Ergebnis, daß die eingeführten Waren nicht auf der Grundlage der vorgelegten Rechnungen verzollt werden könnten. Da im November 1973 gegen die FX ein Löschungsverfahren beim Amtsgericht lief, nahm das HZA den Kläger mit später ergänztem Haftungsbescheid vom 11. Dezember 1973 über 19.169,19 DM Eingangsabgaben in Anspruch. Dabei wurden der Zollwertbemessung die ab 1. April 1971 gültigen Verkaufspreise der eingeführten Waren an unabhängige deutsche Abnehmer, wie sie sich aus den Preislisten der Firma FX unter Berücksichtigung eines Abzugs von 50 % im Hinblick auf etwaige Preissteigerungen und die Eingangsabgaben ergaben, zugrunde gelegt. Für Einfuhren ab 1. April 1971 berücksichtigte das HZA eine Ermäßigung von 30 % auf den Listenpreis. Soweit keine Verkaufspreise bekannt waren, schätzte das HZA den Verkaufspreis gem. § 217 der Reichsabgabenordnung (AO), indem es den zur Verzollung angemeldeten Preisen einen Kalkulationszuschlag von 200 % hinzurechnete.

Der gegen den auf § 109 AO gestützten Haftungsbescheid eingelegte Einspruch und die nach Zurückweisung des Einspruchs erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ging davon aus, daß die Firmen FX, FY und J im Sinne des Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 803/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über den Zollwert der Waren – ZWVO – (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 148/6 vom 28. Juni 1968) geschäftlich miteinander verbunden seien und daß deshalb die bei der Einfuhr vorgelegten Rechnungspreise nur unter den Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 Buchst. b) und c) ZWVO zugrunde gelegt werden könnten. Es führte aus, die Handelsstufe eines abhängigen Käufers könne nur anerkannt werden, wenn er tatsächlich eine bestimmte Handelsfunktion, z. B. die eines Großhändlers, ausübe und wenn diese Handelsstufe auch bei Unabhängigen vorkomme. Erst wenn dies festgestellt werde, erhebe sich die zweite Frage, ob der abhängige Käufer gleiche Preise erziele wie ein unabhängiger auf derselben Handelsstufe. Nach dem Akteninhalt und dem mündlichen Vortrag des Klägers sei davon auszugehen, daß die Firma FX keine Großhandelsfunktion ausgeübt habe. Die vom HZA vorgelegten Unterlagen zeigten, daß die Firma FX an Endabnehmer geliefert habe. Das habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen bestätigt. Die vom Kläger vorgelegten Rechnungen beträfen die Firma FY. Kaufgeschäfte zwischen FX an weiterverkaufende Handelsunternehmen, die nicht Endabnehmer seien, seien nicht ersichtlich. Die FX habe danach nur als Verkaufsbüro der Muttergesellschaft fungiert und nicht die Handelsstufe eines Großhändlers eingenommen. Bei der Ermittlung des Zollwerts komme es danach auf die Preise an, die beim Verkauf an Endabnehmer zugrunde gelegt worden seinen. Die Zu- und Abschläge, die das HZA zu den Listenpreisen gemacht habe, seien im Rahmen der Schätzung nach § 217 AO vertretbar. Das gelte auch für den 200 %igen Kalkulationszuschlag in den Fällen, in denen das HZA Verkaufspreise nicht habe ermitteln können.

Das Verschulden des Klägers liege darin, daß er sich nicht ausreichend um die zollwertrechtliche Seite der Einfuhrgeschäfte gekümmert habe.

Das Finanzgericht (FG) hielt die Haftungsschuld nicht für verjährt. Die Beschlagnahme der Geschäftsunterlagen durch die Zollfahndung und die sich anschließende eingehende Vernehmung des Klägers stellten, wie es ausführte, besonders qualifizierte Maßnahmen der Verwaltung im Rahmen einer Betriebsprüfung gem. § 146a Abs. 3 AO dar. Darauf, daß die Prüfung in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgt sei, komme es nicht entscheidend an, weil – auch dem Steuerpflichtigen erkennbar – steuererhebliche Sachverhalte geprüft worden seien. Die strafrechtliche Beurteilung setze im übrigen die Prüfung des Steueranspruchs voraus.

Mit der Betriebsprüfung im Sinne von § 146a Abs. 3 AO sei auch eine Ablaufhemmung bezüglich des Haftungsanspruchs gem. § 109 AO eingetreten. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift sei bei der Ablaufhemmung in erster Linie an die Ansprüche gegen den Steuerpflichtigen gedacht. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verjährten aber Haftungsansprüche nach § 109 AO nicht vor dem Steueranspruch. Wegen des engen Zusammenhangs zwischen Haftungsanspruch und ursprünglichem Steueranspruch könne der Haftende solange in Anspruch genommen werden, als der dem Haftungsanspruch zugrunde liegende Steueranspruch verfolgbar sei.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 146a Abs. 3, 109 AO, ferner der ZWVO und im Zusammenhang damit des § 217 AO. Er trägt vor:

§ 146a Abs. 3 AO sei deshalb verletzt, weil die am 1. Januar 1966 in Kraft getretene Betriebsprüfungsordnung (Steuer) nicht beachtet worden sei. Die zur Zollfestsetzung und -prüfung berufene Dienststelle habe überhaupt nichts veranlaßt. Die im Streitfalle ergriffenen Maßnahmen seien nicht vom Kommissariat, sondern von der Zollfahndung ergriffen worden. Es seien strafrechtliche Interessen verfolgt worden, die Beamten seien als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft tätig gewesen.

§ 109 AO setze voraus, daß die Abgabenforderung gegenüber dem Pflichtigen festgestellt worden sei. Das sei im angefochtenen Urteil nicht geschehen. Die Feststellung des FG, daß gegen die FX ein Bescheid nicht habe ergehen können, weil gegen sie bereits ein Löschungsverfahren am Amtsgericht gelaufen habe, genüge dafür nicht. Das FG hätte feststellen müssen, von welchem Zeitpunkt an ein Bescheid nicht mehr möglich gewesen sei.

Ungenügend seien auch die Feststellungen des FG zur Schuldfrage.

Zur Verletzung der ZWVO trägt der Kläger vor, die GmbH habe möglicherweise nicht die Stellung eines Großhändlers gehabt. Daraus habe das FG geschlossen, daß der Verzollung der Preis zugrunde gelegt werden müsse, den ein Endabnehmer zahle. Das verstoße gegen die Denkgesetze. Auch der Einzelhändler, mit dem sich das Urteil nicht befasse, kaufe zu anderen Preisen als der Endabnehmer. Das FG hätte prüfen müssen, ob die GmbH die auch bei Unabhängigen vorkommende Stellung eines Einzelhändlers gehabt habe. Die Abgabepreise aus Y seien Großhandelspreise gewesen. Das FG verkenne den Begriff des Großhandelspreises, wenn es meine, dies sei der Preis, den der Großhändler beim Einkauf bezahlen müsse.

Dieser Gedankenfehler führe zugleich zu einem Verstoß gegen § 217 AO. Die Schätzung beruhe nicht auf logisch ermittelten Grundlagen, sondern sei willkürlich und unsachlich. Das gelte insbesondere für den sogenannten Kalkulationsaufschlag. Die Einkaufspreise, die ein Ladengeschäft des Bürohandels für derartige Maschinen zu bezahlen habe, hätten festgestellt werden müssen. Die Ungenauigkeiten zur Frage der Handelsstufe zeigten im übrigen deutlich, daß die nachträglich angewandten Rechtskonstruktionen nicht von solcher Art seien, daß sie einem sorgfältigen Geschäftsführer von vornherein hätten in den Sinn kommen müssen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG, die Einspruchsentscheidung vom 7. April 1975 und den Steuerhaftungsbescheid vom 21. Februar 1974 aufzuheben.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Zollwert ist der normale Preis, der für die eingeführte Ware bei einem Verkauf unter den Bedingungen des freien Wettbewerbs zwischen unabhängigen Käufern und Verkäufern im maßgebenden Zeitpunkt erzielt werden kann (Art. 1 Abs. 1 ZWVO). Ein Kaufvertrag entspricht u. a. dann nicht dieser Norm, wenn der vereinbarte Preis beeinflußt ist durch besondere vertragliche Beziehungen, die zwischen dem Verkäufer und dem geschäftlich mit diesem in besonderer Weise verbundenen Käufer bestehen (Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 ZWVO). Der im konkreten Einfuhrfalle gezahlte oder zu zahlende Preis, also der Rechnungspreis, kann als Zollwert anerkannt werden, wenn er Preisen entspricht, die wie der Normalpreis zustande gekommen sind. Erforderlichenfalls ist der Rechnungspreis zur Ermittlung des Normalpreises zu berichtigen (Art. 9 Abs. 1 Buchst. c Abs. 2 ZWVO).

Im Streitfall waren die Firmen J, FY und FX unbestritten geschäftlich miteinander verbunden. Die kapitalmäßige Verbundenheit der Muttergesellschaft FY und der Tochtergesellschaft FX und die personelle Identität in der Person des Geschäftsführers beider Firmen schließen, wie der Senat mit Urteil vom 13. Juli 1960 VII 99/59 U (BFHE 71, 503, BStBl III 1960, 436) entschieden hat, das Vorliegen eines der Zollwertnorm entsprechenden Kaufgeschäfts aber nicht aus. Bei Geschäften dieser Art ist daher wie bei beliebigen Vertragspartnern zu prüfen, ob der vereinbarte Preis durch die bestehende geschäftliche Verbundenheit beeinflußt worden ist.

Das FG hat bei der Prüfung dieser Frage darauf abgestellt, daß die Firma FX nicht die Funktion einer Großhandelsfirma wahrgenommen, sondern als Verkaufsbüro der Muttergesellschaft FY fungiert habe. Es hat daraus die zollwertrechtliche Schlußfolgerung gezogen, daß der Zollwertbemessung die Preise zugrunde gelegt werden müßten, die beim Verkauf der eingeführten Waren an die inländischen Abnehmer erzielt worden sind. Dieser rechtliche Ausgangspunkt ist unrichtig. Auf die auch im Rahmen des Art. 1 ZWVO bedeutsame Frage, welche Handelsstufe der Einführer einnimmt (vgl. Schwarz/Wockenfoth/Rahn, Zollgesetz vom 14. Juni 1961, ZWVO Art. 1 Rdnr. 71 und 70), kann erst eingegangen werden, wenn zuvor entschieden ist, ob die FX trotz der bestehenden Verbundenheit mit ihrer Mutterfirma als Eigenhändlerin anzusehen ist. Mit der Verneinung der Großhandelsfunktion ist diese Frage aber nicht beantwortet.

Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht zur Entscheidung der Frage aus, ob die FX als Eigenhändlerin angesehen werden kann. Diese Funktion kann je nach der rechtsgeschäftlichen Ausgestaltung und den wahrgenommenen Funktionen im Absatzwege einer abhängigen, juristisch selbständigen Tochterfirma selbst dann zuerkannt werden, wenn man, wie das FG es tut, davon ausgeht, daß sie nur ein Verkaufsbüro der Muttergesellschaft ist. Das gilt, wie der erkennende Senat mit Urteil vom 26. April 1961 VII 79/59 U (BFHE 73, 171, BStBl III 1961, 329) entschieden hat, selbst dann, wenn eine nicht selbständige inländische Zweigniederlassung Waren von der ausländischen Hauptniederlassung bezieht und insoweit ebenfalls als Verkaufsbüro bezeichnet werden könnte. Dieser Begriff hat deshalb nicht die ihm vom FG zugemessene Bedeutung und bedarf wertzollrechtlich der Ausfüllung. Auch die Tatsache, daß die FY den größten Teil der Waren ohne Gewinnaufschlag geliefert und daß die FX bei der Einfuhr an diese Firma gerichtete Lieferrechnungen vorgelegt hat, besagt nicht zwingend, daß es sich hierbei um Preise handelt, die, abweichend vom Normalpreis, durch die bestehende Verbundenheit beeinflußt worden sind. Diesen Umständen kann, ebenso wie der vom FG nicht aufgeklärten Frage, ob zwischen der FY und der FX formell Kaufgeschäfte abgeschlossen worden sind, bei der Prüfung der Frage, ob die FX Eigenhändlerin war und die angemeldeten Rechnungspreise (evtl. nach vorangegangener Berichtigung) als Normalpreis anerkannt werden können, nur indizielle Bedeutung zukommen. Das FG wird daher prüfen müssen, ob die streitigen Waren aufgrund von Eigenhandelsgeschäften eingeführt worden sind. Dabei kommt es, wie der Senat mit Urteilen vom 6. Mai 1959 VII 47/56, vom 27. Mai 1959 VII 100/57 in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1960 S. 48 und 50 (ZfZ 1960, 48 und 50) und VII 99/59 U entschieden hat, weniger auf die einzelnen äußeren Merkmale der geschäftlichen Beziehungen und die Ausdrucksweise an als auf das Gesamtbild der tatsächlichen und wirtschaftlichen Gestaltung des Einfuhrgeschäfts.

Sollte das FG dabei zu dem Ergebnis kommen, daß Eigenhandelsgeschäfte vorliegen, so wird es entscheiden müssen, welche Handelsstufe für die Klägerin in Betracht kommt – möglicherweise auch die eines Einzelhändlers, worauf die Klägerin hingewiesen hat – und ob, soweit auf dieser Handelsstufe Vergleichspreise festgestellt werden können, diese von den angemeldeten Rechnungspreisen abweichen. Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß die Waren nicht aufgrund von Eigenhandelsgeschäften eingeführt worden sind, so könnten die von der FX angemeldeten Rechnungspreise nicht der Bewertung zugrunde gelegt werden. Bei der Feststellung des Zollwerts ist dann vielmehr von dem Rechnungspreis des wahren Käufers auszugehen, wenn dieser Preis als üblicher Wettbewerbspreis gelten kann. Von diesem Preis sind die Kostenfaktoren, die nicht zum Normalpreis gehören (u. a. Eingangsabgaben und inländische Beförderungskosten), abzuziehen. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen sind diese Verkaufspreise unter Heranziehung der am 1. April 1977 gültigen Verkaufspreise der FX unter Berücksichtigung eines Abzugs von 50 % bzw. 30 % festgesetzt bzw., soweit keine Verkaufspreise bekannt waren, unter Anwendung eines Kalkulationszuschlags von 200 % auf die angemeldeten Rechnungspreise festgestellt worden. Diese Feststellung des Zollwerts könnte nur dann anerkannt werden, wenn die möglicherweise von den Listenpreisen abweichenden tatsächlichen Verkaufspreise nicht mehr festgestellt werden können.

Über die Frage, ob die Inanspruchnahme des Klägers als Haftender gem. §§ 103, 109 AO rechtmäßig ist, d. h. insbesondere darüber, ob er als Geschäftsführer der FX zumindest leicht fahrlässig die ihm in § 103 AO auferlegten Pflichten verletzt hat (vgl. BFH-Entscheidung vom 21. Januar 1972 VI R 187/68, BFHE 104, 294 BStBl II 1972, 364) kann letztlich erst entschieden werden, wenn die die Einfuhrgeschäfte betreffenden geschäftlichen und vertraglichen Beziehungen der FY und der FX geklärt sind. Für den Fall, daß die von der FX angemeldeten Rechnungspreise nicht als Zollwert anerkannt werden können, weil die FX nicht Eigenhändlerin war, wird es darauf ankommen, ob sich das dem Kläger als Geschäftsführer aufdrängen mußte, woran, wenn die Feststellungen des FG nicht zu sich jedermann aufdrängenden Ergebnissen führen sollten, im Hinblick auf die Schwierigkeiten der zollwertrechtlichen Probleme Zweifel bestehen könnten.

Für den Fall, daß das FG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides aufgrund der neuen Sach- und Rechtsprüfung bejahen sollte, wäre der Haftungsanspruch nicht verjährt. Im Gegensatz zu der Auffassung des FG kann diese Rechtsfolge allerdings nicht damit begründet werden, daß der Haftungsanspruch nach § 109 AO nicht vor dem Steueranspruch verjährt. Der erkennende Senat hält an seiner dahingehenden Rechtsprechung im Urteil vom 21. Oktober 1959 VII 31/59 U (BFHE 70, 60, BStBl III 1960, 23) nicht mehr fest. Er teilt vielmehr die Meinung des I. Senats in seinem Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 116/74 (BFHE 121, 5, BStBl II 1977, 257), daß gegen den Steuerschuldner und den Haftungsschuldner grundsätzlich getrennte Verjährungsfristen laufen, daß die Voraussetzungen der Verjährung für jeden der beiden Ansprüche gesondert zu prüfen sind und daß ein Haftungsanspruch auch dann vor dem Steueranspruch verjähren kann, wenn er auf § 109 AO beruht. Auf die Begründung des Urteils I R 116/74 wird Bezug genommen.

Bei der Prüfung der Frage, ob die in den Jahren 1970 und 1971 entstandenen Haftungsansprüche verjährt sind, kann es deshalb nicht allein darauf ankommen, ob und durch welche Maßnahmen die gegen die FX als Steuerschuldnerin laufende einjährige Verjährungsfrist (§ 144 Abs. 1 AO) unterbrochen oder in ihrem Ablauf gehemmt worden ist. Entscheidend ist, ob diese Voraussetzungen auch dem Kläger gegenüber als Haftungsschuldner vorliegen. Im Streitfalle ist der Kläger als Geschäftsführer der FX in den Monaten November und Dezember 1971 mehrmals von einem Beamten des Zollfahndungsamtes Kiel wegen des Verdachts der Unterfakturierung bei der Einfuhr von Büromaschinen vernommen worden, nachdem dieser zuvor die bei der FX beschlagnahmten Buchführungsunterlagen ausgewertet hatte. Der Kläger hat dabei nach den Feststellungen des FG zu den wertzollrechtlichen Fragen ausführlich Stellung genommen. Diese vor Ablauf der Verjährungsfrist durchgeführten Maßnahmen haben den Ablauf der Frist der Steueransprüche gegen die FX gehemmt mit der Folge, daß die Ansprüche, auf die sich die Betriebsprüfung erstreckt, nicht verjähren, bevor die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind (§ 146a Abs. 3 AO). Denn als Betriebsprüfung i. S. dieser Vorschrift kommen, wie der Senat mit Urteil vom 21. Februar 1978 VII R 117/74 (BFHE 124, 416, BStBl II 1978, 360) entschieden hat, auch Maßnahmen von Zollfahndungsbeamten nach § 193 AO in Betracht, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu zerstören, und wenn sie den Steuerpflichtigen bzw. bei juristischen Personen deren gesetzlichen Vertretern erkennbar waren. Das trifft im Streitfalle zu.

Die ablaufhemmende Wirkung einer Betriebsprüfung tritt aber bei juristischen Personen nicht nur gegenüber diesen als geprüften Unternehmen und Steuerschuldnern ein, sondern auch gegenüber ihren gesetzlichen Vertretern, wenn die Voraussetzungen des § 109 AO vorliegen und wenn die ablaufhemmenden Maßnahmen ihnen in ihrer Eigenschaft als Vertreter bekanntgeworden oder sogar, wie im Streitfalle, ihnen gegenüber durchgeführt worden sind. Denn es würde dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift bei der die Haftung des gesetzlichen Vertreters für die durch sein Verschulden entstandenen Steuerausfälle gerade auf sein Verschulden gegründet ist, widersprechen, wenn der Haftungsanspruch verjähren könnte, obwohl die ablaufhemmende Betriebsprüfung zu einem wesentlichen Teil in der Vernehmung des Klägers als gesetzlicher Vertreter der FX bestand. Die Haftung gem. § 109 AO sichert die Geltendmachung des durch Verschulden des gesetzlichen Vertreters verkürzten Steueranspruchs dadurch, daß sie in seiner Person eine zweite Verbindlichkeit begründet, die inhaltlich mit der verkürzten Steuerforderung übereinstimmt. Beide Ansprüche stehen mit dem Verhalten und der Verantwortlichkeit des gesetzlichen Vertreters und daher auch miteinander in einem so engen Zusammenhang, daß der gesetzliche Vertreter, auf dessen Verschulden die Verkürzung beruht, jedenfalls dann mit seiner Inanspruchnahme als Haftender rechnen muß, wenn er als gesetzlicher Vertreter im Rahmen einer gegen die juristische Person gerichteten Betriebsprüfung zu den die Steuerverkürzungen betreffenden wertzollrechtlichen Fragen ausführlich vernommen worden ist.

Der Inanspruchnahme des Klägers als Haftendem stünde auch § 149 AO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann der neben dem Abgabenpflichtigen Haftende nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn der Anspruch gegen den Abgabenpflichtigen verjährt ist, es sei denn, daß die Haftung ihm gegenüber durch Haftungsbescheid geltend gemacht worden ist. Im Streitfall ist der Haftungsbescheid gegen den Kläger vom 11. Dezember 1973 zu einer Zeit ergangen, als der Anspruch gegen die FX wegen der gem. § 146a Abs. 3 AO herbeigeführten Ablaufhemmung noch nicht verjährt war. Das HZA hat erst wegen des im November 1973 gegen die FX eingeleiteten Löschungsverfahrens davon Abstand genommen, diese als Steuerschuldnerin in Anspruch zu nehmen. Ob und wann danach die Ablaufhemmung fortgefallen ist mit der rechtlichen Folge, daß die Steueransprüche verjährt wären, ist für das rechtliche Schicksal des Haftungsbescheides ohne Bedeutung, weil dieser, wie bereits ausgeführt, zu einer Zeit ergangen ist, als der Anspruch gegen die FX als Abgabenpflichtige noch nicht verjährt war.

Die Vorentscheidung war nach allem gem. § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.