BFH-Urteil vom 27.9.1979 (V R 78/73) BStBl. 1980 II S. 228

BFH-Urteil vom 27.9.1979 (V R 78/73) BStBl. 1980 II S. 228

Ergänzungen und Berichtigungen einer Abrechnung über den Leistungsaustausch können nur von demjenigen vorgenommen werden, die diese Abrechnung erteilt hat.

UStG 1967 §§ 14, 15.

Sachverhalt

 

Der Kläger betreibt den Viehhandel. Nach den bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1971 getroffenen Feststellungen kaufte er das Vieh überwiegend von Landwirten. Da diese dem Kläger über den Viehverkauf keine Abrechnungen ausgefertigt hatten, stellte der Kläger als Gutschriften bezeichnete Einkaufsbelege aus, in denen er Verkäufer, Kaufgegenstand und Preis festhielt. Das Original des Belegs erhielt der Verkäufer. Den Durchschlag nahm der Kläger zu seinen Geschäftsunterlagen.

Bei der Betriebsprüfung ist weiter festgestellt worden, daß im Jahre 1968 in 65 Verkaufsfällen die den Landwirten ausgehändigten Belege nur den vereinbarten Kaufpreis auswiesen. Der Kläger hatte lediglich auf den Durchschriften dieser Belege eine Aufteilung des im Originalbeleg ausgewiesenen Preises in ein Nettoentgelt und Umsatzsteuer vorgenommen und diese Steuer im Rahmen seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1968 als abziehbaren Vorsteuerbetrag i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG 1967) geltend gemacht.

Aufgrund dieser Feststellungen hielt das Finanzamt (Beklagter) die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (in Höhe eines Gesamtbetrages von 4.232,74 DM) nicht für gegeben; die Voraussetzung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes – Mehrwertsteuer – (1. UStDV) sei nicht erfüllt. Es hat dementsprechend die ursprüngliche Steuerfestsetzung für das Jahr 1968 durch den auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung gestützten Bescheid vom 7. August 1972 berichtigt.

Mit der im September 1972 unmittelbar erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kürzung der abziehbaren Vorsteuerbeträge sei nicht gerechtfertigt. Die Landwirte, die ihm das Vieh geliefert hätten, unterlägen der Besteuerung nach § 24 UStG 1967, so daß ein gesonderter Ausweis der Umsatzsteuer ohnehin ohne fiskalische Auswirkung geblieben wäre. Eine steuerliche Bedeutung hätten die Gutschriften nur für ihn gehabt; für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuerbeträge hätten aber seine Berechnungen auf dem Durchschlag des Belegs völlig ausgereicht. – Im übrigen habe er sich während des Klageverfahrens von verschiedenen Landwirten Empfangsbestätigungen über die von ihm errechneten Vorsteuerbeträge ausstellen lassen. In diesen gleichlautenden Erklärungen bestätigen die Landwirte durch ihre Unterschrift, daß sie „die auf der Gutschrift des Durchschlags ausgerechnete Mehrwertsteuer von ihm“ (dem Kläger) „seinerzeit richtig erhalten“ hätten. In den Empfangsbestätigungen ist zusätzlich unter Angabe des Datums die auf den jeweiligen Verkaufsvorgang entfallenden Umsatzsteuer aufgeführt. Die Summe der in diesen Bestätigungen angegebenen Umsatzsteuer beträgt 2.444,07 DM.

Der Kläger hat beantragt, die Umsatzsteuer 1968 in Höhe der vom Finanzamt gekürzten Vorsteuerbeträge von 4.232,74 DM, hilfsweise um den Betrag von 2.444,07 DM zu mindern.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen: Der Kläger habe mit Gutschriften im Sinne des § 5 der 1. UStDV abgerechnet und diese in 65 Fällen nicht mit einer Aufteilung in Nettoentgelt und gesonderten Steuerausweis versehen. Die Zuleitung einer diesem Erfordernis entsprechenden Abrechnung an den leistenden Unternehmer sei materiell-rechtliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Der Einwand des Klägers, der unterlassene Steuerausweis sei fiskalisch ohne Bedeutung, weil die Verkäufer Landwirte seien, gehe fehl. Es sei nicht auszuschließen, daß einzelne Landwirte nicht nach § 24 UStG 1967, sondern nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes besteuert würden. In einem solchen Fall müßte ihnen die Möglichkeit eines Widerspruchs nach § 5 Abs. 3 der 1. UStDV erhalten bleiben. Auch die vom Kläger eingeholten und dem Gericht vorgelegten Bestätigungen der Landwirte über den Empfang der vom Kläger errechneten Vorsteuerbeträge könnten zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis führen. Es könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Bestätigungen um Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG 1967 handele oder um Urkunden, mit denen der Nachweis der Zuleitung von Gutschriften im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 4 der 1. UStDV erbracht werden solle. Denn der Abzugsfähigkeit der Vorsteuerbeträge stehe in jedem Fall der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung entgegen. Nach ihm seien Vorsteuerbeträge nur in dem Besteuerungszeitraum abzugsfähig, in dem sie in der vom Gesetz bzw. Verordnung geforderten Weise dem Vertragspartner gesondert in Rechnung gestellt worden seien. Diesem Erfordernis sei auch in den Fällen, für die die Empfangsbestätigungen vorgelegt worden seien, im Jahre 1968 nicht genügt worden. Über die weitere Frage, ob es sich bei den Empfangsbestätigungen um Abrechnungspapiere handele, die geeignet waren, den Mangel der gesonderten Inrechnungstellung von Steuer zu beheben, brauche deshalb nicht entschieden zu werden.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren nur in Höhe des Betrages von 2.444,07 DM weiter und beantragt, insoweit abzugsfähige Vorsteuerbeträge bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 1968 zusätzlich zu berücksichtigen. Nach seiner Auffassung handele es sich bei den Empfangsbestätigungen um zulässige nachträgliche Ergänzungen der von ihm erteilten Gutschriften. Der Mangel einer gesonderten Inrechnungstellung von Steuer sei durch ein zweites Abrechnungspapier beseitigt worden. Die vorgenommene Ergänzung wirke auf den Zeitpunkt zurück, in dem die erste Abrechnung erteilt worden sei. Das Abschnittsprinzip stehe demgemäß einer Gewährung des Vorsteuerabzugs in der beantragten Höhe nicht entgegen.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision des Klägers ist begründet.

1. Nach den getroffenen Feststellungen haben im Besteuerungszeitraum 1968 eine Reihe von Landwirten an den Kläger gegen Entgelt Vieh geliefert. Über diese Umsätze haben die Lieferer (die Landwirte) keine Abrechnungen erteilt, die den Erfordernissen des § 14 Abs. 1 UStG 1967 entsprechen; vielmehr hat der Kläger als Leistungsempfänger über den jeweiligen Umsatz abgerechnet, so daß eine Abrechnung im Rechnungsausstellungsverfahren nicht vorliegt (vgl. Nr. 2 der Gründe). Abrechnungen durch den Leistungsempfänger werden von § 5 der 1. UStDV als Gutschriften bezeichnet. Um steuerliche Wirkungen auch für den Vorsteuerabzug desjenigen zu erreichen, der über diesen Eigenbeleg den Zugang zum Vorsteuerabzug erlangen will, hat § 5 der 1. UStDV die Anerkennung von Gutschriften an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Ob der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt hat, braucht hier nicht geklärt zu werden. Denn § 5 der 1. UStDV ist mangels gesetzlicher Ermächtigung rechtsungültig (Urteil vom 17. Mai 1979 V R 112/74, BFHE 128, 115, BStBl II 1979, 657, Umsatzsteuer-Rundschau 1979 S. 164). Aus dem von ihm ausgestellten Eigenbeleg kann der Kläger keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug herleiten.

2. Die Mitwirkung der Landwirte am Abrechnungsverfahren war nicht geeignet, das Abrechnungsverfahren durch Eigenbeleg in ein solches durch Rechnung zu verwandeln. Erfüllt derjenige, der über den Leistungsaustausch abrechnet, seine Abrechnungspflichten nur unvollkommen, so hat er etwaige Ergänzungen bzw. Berichtigungen der von ihm erteilten Abrechnung vorzunehmen. Derjenige, dem die Abrechnung erteilt wird, kann derartige Berichtigungen und Ergänzungen verlangen, falls das Gesetz hierfür eine Rechtsgrundlage hergibt; auf keinen Fall kann er jedoch von sich aus den Inhalt der ihm erteilten Abrechnung mit rechtlicher Wirkung für den Abrechnenden bzw. für sich selbst verändern. Eine andere Beurteilung würde zu Unklarheiten über die Person des Ausstellers des Abrechnungspapiers führen. Insbesondere kann der gesonderte Ausweis der Umsatzsteuer nur vom Abrechnenden vorgenommen werden, da andernfalls die sich aus § 14 Abs. 2 und 3 UStG 1967 ergebenden Verantwortlichkeiten verwischt würden.

3. Der Kläger ist mithin als der Abrechnende zu beurteilen. Die von den Landwirten erteilten Bestätigungen zum Steuerausweis sind ohne umsatzsteuerrechtliche Bedeutung. Sie enthalten lediglich die Versicherung, sie – die Landwirte – hätten die auf der Durchschrift der Abrechnung vom Kläger berechnete Umsatzsteuer seinerzeit richtig erhalten (obwohl sie diese Durchschrift nicht zu Gesicht bekommen haben). Das ist nicht einmal eine (unzulässige) Korrektur der vom Kläger erteilten Abrechnung, sondern nur eine Quittung des Verkäufers, die den erhaltenen Rechnungsbetrag betrifft. Durch diese Quittungen bestätigen die Landwirte lediglich, daß sie eine Bruttopreisvereinbarung (also Nettopreis zuzüglich Umsatzsteuer) getroffen und den Preisanteil „Umsatzsteuer“ erhalten haben. Mit diesem außergerichtlichen Geständnis (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. April 1978 V ZR 10/77, Monatsschrift für Deutsches Recht 1978 S. 914, Die Information 1978 S. 381) kann sich der Kläger zwar gegen etwaige Nachforderungen des Preisanteils „Umsatzsteuer“ seitens der Landwirte absichern; eine weitergehende Wirkung hat es jedoch nicht.


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