Einkommensteuer: häusliches Arbeitszimmer Ausbilder; berufstypischer Tätigkeitsschwerpunkt beim Fachleiter eines Studienseminars

Finanzgericht Köln, 4 K 1778/10

Datum:
17.04.2013
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1778/10
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens bis einschließlich zum Tag der mündlichen Verhandlung tragen die Kläger zu 42 % und der Beklagte zu 58 %. Die weiteren Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger vorläufig vollstreckbar.

1Tatbestand

2Die Kläger sind Eheleute und wurden für 2007 mit Bescheid vom 9.12.2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

3Die Klägerin ist Lehrerin und war im Streitjahr als Ausbilderin (Fachleiterin) am Studienseminar für Lehrämter an Schulen D tätig. Dort steht ihr kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung. Alle vorbereitenden und nachbereitenden Aufgaben im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit muss die Klägerin zuhause verrichten.

4Die im Streitjahr geltend gemachten Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer der Klägerin i.H.v. 2.140 € berücksichtigte der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nicht.

5Hiergegen wenden sich die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Das häusliche Arbeitszimmer sei als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin anzusehen. Die Klägerin sei als Ausbilderin am Studienseminar tätig. Ihre Tätigkeit erstrecke sich auf die Ausbildungsgestaltung und Ausbildungsbetreuung angehender Lehrer. Schulunterricht im eigentlichen Sinne erteile die Klägerin nicht mehr. Sie stelle Themen für Hausarbeiten, betreue und korrigiere Hausarbeiten, erstelle Prüfungsaufgaben, bereite Prüfungen vor und führe diese durch, führe Seminarveranstaltungen durch, wobei zeitlich und von der Bedeutung her die Vor- und Nachbereitung überwiege. Sie nehme Unterrichtsbesuche vor und bereite diese vor und nach und überprüfe Unterrichtskonzepte. Ca. 2/3 ihrer Arbeitszeit verbringe die Klägerin in ihrem häuslichen Arbeitszimmer und ca. 1/3 ihrer Arbeitszeit verbringe sie außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers.

6Die Kläger beantragen,

7den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 09.12.2009 in Gestalt des in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2013 zu Protokoll des Senats erklärten Änderungsbescheides in der Weise zu ändern, dass zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 890,- € bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden.

8Der Beklagte beantragt,

9die Klage abzuweisen.

10Nach dem „Anforderungsprofil für Fachleiterinnen und Fachleiter“ ergebe sich, dass im Rahmen der Tätigkeit die Lehramtsanwärter in Schule und Seminar unterstützt werden sowie die Ausbildungsarbeit mit selbigen geleistet werde. Dazu zählten insbesondere auch die Entwicklung von Gruppenprozessen, die Planung, Durchführung und Evaluierung von vielfältigen Ausbildungs- und Seminarveranstaltungen, die Nutzung des eigenen Unterrichts für Ausbildung, z.B. durch das Zeigen eigenen Unterrichts im Hinblick auf die Verknüpfung von Unterrichtshandeln mit Theorie, und das Beraten, Diagnostizieren und das gemeinsame Entwickeln individueller Ausbildungsgänge mit allen an der Ausbildung Beteiligten. Ein wesentlicher Teil der Tätigkeit werde demnach in Schule und Seminar ausgeübt, so dass das Arbeitszimmer nicht in qualitativer und quantitativer Hinsicht Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit sei.

11Entscheidungsgründe

12Die Klage ist unbegründet.

13Gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (EStG) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Die genannte Regelung kommt auch im Streitfall zur Anwendung. Denn gemäß § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt sie für alle offenen Fälle ab dem Veranlagungszeitraum 2007.

14Im Streitfall liegen, wie auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die Voraussetzungen für den beschränkten Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG vor. Deshalb hat der Beklagte eine entsprechende Änderung des Einkommensteuerbescheides bereits vor der mündlichen Verhandlung angewiesen und eine entsprechende Änderung in der mündlichen Verhandlung zugesagt.

15Das häusliche Arbeitszimmer der Klägerin stellt aber nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung dar.

16Der Begriff „Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung“ ist gesetzlich nicht näher definiert. Auch die Gesetzesmaterialien geben keinen Aufschluss über die Bedeutung dieses Merkmals (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 13. November 2002 VI R 82/01, BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62, m.w.N.). Nach der zu § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 1996 ergangenen Rechtsprechung des BFH bestimmt sich bei einem Steuerpflichtigen, der lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit – teilweise zu Hause und teilweise auswärts – ausübt, der Mittelpunkt danach, ob er im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 15. März 2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133; vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600; vom 9. November 2005 VI R 19/04, BFHE 211, 505, BStBl II 2006, 328). Die für den Beruf wesentlichen und prägenden Leistungen werden auch mit dem Begriff des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen umschrieben (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 15. März 2007 VI R 65/05, BFH/NV 2007, 1133; vom 22. November 2006 X R 1/05, BFHE 216, 110, BStBl II 2007, 304; vom 23. Mai 2006  VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600; vom 6. Juli 2005 XI R 87/03, BFHE 210, 493, BStBl II 2006, 18 und vom 9. April 2003 X R 75/00, BFH/NV 2003, 917). Maßgebend ist danach, ob – unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung – das qualitativ für eine bestimmte steuerbare Tätigkeit Typische im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird (vgl. z.B. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz Lb 191). So ist bei einem Richter das häusliche Arbeitszimmer nicht der Mittelpunkt der richterlichen Tätigkeit, weil die eigentliche richterliche Tätigkeit im Gericht ausgeübt wird und sich in Sitzungen und mündlichen Verhandlungen manifestiert (vgl. z.B. Schmidt/ Heinicke, EStG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rz 595; Söhn, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz Lb 193). Entsprechendes gilt für den Lehrer (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 2005  VI R 19/04, BFHE 211, 505, BStBl II 2006, 328). Auch bei einem Hochschullehrer ist das häusliche Arbeitszimmer grundsätzlich nicht der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit, weil das Wesensmäßige der Hochschullehrertätigkeit, nämlich die Lehre, in der Universität stattfinden muss (vgl. BFH-Entscheidungen vom 14. Dezember 2012 VI B 134/12, BFH/NV 2013, 558; vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, 448, BStBl II 2012, 234, vom 14. Juli 2010 VIII B 54/10, BFH/NV 2010, 2253; vom 14. Juli 2010 VI B 43/10, BFH/NV 2010, 2053 und vom 16. Juni 2010 VI B 18/10, BFH/NV 2010, 1810; s. zur Bedeutung des jeweiligen Gepräges auch die BFH-Urteile vom 6. Juli 2005 XI R 87/03 in BFHE 210, 493, BStBl II 2006, 18: Tankstellenbetreiber; vom 26. Juni 2003 IV R 9/03, BFHE 202, 529, BStBl II 2004, 50: Architekt). In diesen Fällen, in denen die das Berufsbild prägende Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers stattfindet, kann auch eine zeitlich weit überwiegende Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers keine Verlagerung des Mittelpunkts bewirken.

17Aufgrund der berufstypischen bzw. typisierenden Betrachtung erübrigen sich Feststellungen zum jeweiligen zeitlichen Umfang der beruflichen oder betrieblichen Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers. Auf diese Weise kann nach Auffassung des BFH dem Prinzip eines gleichmäßigen Gesetzesvollzugs Rechnung getragen werden (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 2005  XI R 87/03, BFHE 210, 493, BStBl II 2006, 18).

18Zwar ist zu beachten, dass die genannte Rechtsprechung unter Geltung der bis 2006 bestehenden Rechtslage entwickelt wurde. Der BFH leitete seine Auffassung u.a. aus einem Vergleich der Mittelpunktregelung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des JStG 1996) mit der 50 %-Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 her (vgl. BFH-Urteile vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59; in BFHE 201, 93, BStBl II 2004, 62; vom 13. November 2002 VI R 104/01, BFHE 201, 100, BStBl II 2004, 65; in BFH/NV 2003, 917; vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43). Nach Wegfall der Abzugsmöglichkeit bei einer beruflichen Nutzung von mehr als 50 % der Gesamttätigkeit durch § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG i.d.F. des JStG 2010 bzw. StÄndG 2007 (zur Verfassungsmäßigkeit insoweit s. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BFH/NV 2010, 1767) sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung dennoch für die Fallgestaltungen, in denen der Steuerpflichtige lediglich eine einzige berufliche Tätigkeit – teilweise zu Hause und teilweise auswärts – ausübt, angesichts der Grundentscheidung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG keine Notwendigkeit, den Mittelpunktbegriff grundlegend neu zu bestimmen (vgl. z.B. Urteile des BFH vom 8. Dezember 2011 VI R 13/11, BFHE 236, 92, BStBl II 2012, 236 und vom 27. Oktober 2011 VI R 71/10, BFHE 235, 448, BStBl II 2012, 234; s. dazu auch Schmidt/ Krüger, a.a.O., § 19 Rz 60, Stichwort Arbeitszimmer).

19Der angefochtene Bescheid entspricht im Ergebnis den vor dem erkennenden Senat gebilligten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Bei Fachleitern liegt der prägende Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers. Die Tätigkeit der Fachleiter ist gekennzeichnet durch regelmäßige Ausbildungsveranstaltungen im Studienseminar mit allen Lehramtsanwärtern, die in dem entsprechenden Fach ausgebildet werden, in denen pädagogische, didaktische und weitere berufsbezogene Inhalte vermittelt werden, und durch Einzelberatung anlässlich von Unterrichtsbesuchen mit folgender Nachbesprechung, in welcher sie sich zu individuellen und allgemeinen fachdidaktischen Vorzügen und Schwächen sowie daraus zu entwickelnden Perspektiven äußern. Auch im Rahmen der Staatsprüfungen sind Prüfungsunterrichte von den Lehramtsanwärtern zu leisten. Auch hier spielen die Fachleiter, die an den Prüfungsunterrichten teilnehmen, eine wichtige Rolle, da Ihre Einschätzung maßgeblichen Anteil bei der Bewertung und Beurteilung der Prüfungskommission hat. Für den ausgeübten Beruf des Fachleiters ist nach Auffassung des erkennenden Senats daher die Tätigkeit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers im Studienseminar, bei den Unterrichtsbesuchen und der Prüfungstätigkeit vor Ort prägend bzw. berufstypisch.

20Wegen der gebotenen berufstypischen bzw. typisierenden Betrachtung ist der von der Klägerin behaupteten – und weder vom Beklagten noch vom Gericht in Zweifel gezogenen – zeitlich weit überwiegenden Nutzung ihres häuslichen Arbeitszimmers keine Bedeutung beizumessen.

21Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 135, 136 FGO.

22Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.

23Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu vorliegt, wo bei einem Fachleiter, der am Studienseminar tätig ist, nach der berufstypischen bzw. typisierenden Betrachtung der Tätigkeitsschwerpunkt liegt.