Formunwirksamkeit einer Beschwerdebegründung per E-Mail – BFH-Beschluss vom 29. November 2022, VIII B 88/22

ECLI:DE:BFH:2022:B.291122.VIIIB88.22.0

BFH VIII. Senat

FGO § 52a, FGO § 56, FGO § 116 Abs 3

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht , 19. Mai 2022, Az: 1 K 11/19

Leitsätze

NV: Die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde, die ein Steuerbevollmächtigter durch eine einfache E-Mail mit PDF-Anlage im Jahr 2022 an den BFH übermittelt, ist gemäß § 52a FGO formunwirksam und deshalb unbeachtlich.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19.05.2022 – 1 K 11/19 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

  1. Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sie lediglich durch eine PDF-Anlage zu einer einfachen E-Mail und damit in formunwirksamer Weise begründet hat und ihm auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann.
  2. 1. Der Kläger ist Steuerbevollmächtigter und vertritt sich gemäß § 62 Abs. 4 Sätze 3 und 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) selbst. Nach fristgemäßer Einlegung seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen das am 28.06.2022 zugestellte Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts sendete er die Beschwerdebegründung am Montag, den 29.08.2022, um 20:34 Uhr und um 21:30 Uhr jeweils als Anlage zu einer einfachen E-Mail an den Bundesfinanzhof (BFH). Die der späteren E-Mail angehängte PDF-Anlage enthielt eine handschriftliche Unterschrift des Klägers.
  3. Im Anschluss an das Schreiben der Senatsvorsitzenden vom 30.08.2022, mit dem der Kläger darauf hingewiesen wurde, dass die Begründungsfrist am 29.08.2022 abgelaufen sei, E-Mails im Rechtsverkehr mit dem BFH kein geöffneter Kommunikationsweg i.S. des § 52a Abs. 4 FGO seien und die um 20:34 Uhr und 21:30 Uhr eingegangenen E-Mails daher keine Rechtswirkung entfalten könnten, ging kein weiterer Schriftsatz des Klägers beim BFH ein.
  4. 2. Die Beschwerde ist mangels Beschwerdebegründung unheilbar unzulässig. Die nur per E-Mail eingereichte Begründung ist formunwirksam und deshalb unbeachtlich (s. unter 2.a). Innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist hat der Kläger keine Beschwerdebegründung beim BFH eingereicht und auch keinen Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dargelegt (s. unter 2.b).
  5. a) Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist beim BFH einzureichen (§ 116 Abs. 3 Satz 2 FGO).
  6. Die am 29.08.2022 beim BFH eingegangene Beschwerdebegründung des Klägers entspricht nicht den gesetzlichen Formanforderungen. Zwar ist im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 52a Abs. 1 FGO die elektronische Einreichung von Dokumenten durch die Beteiligten auch bei bestimmenden Schriftsätzen zulässig, zu beachten sind hierbei allerdings die in § 52a Abs. 2 ff. FGO normierten Voraussetzungen (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 1 f.; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 52a Rz 2). Diese hat der Kläger nicht erfüllt, da er seine Beschwerdebegründung weder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen noch mit einer einfachen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht hat (§ 52a Abs. 3 und Abs. 4 FGO). Die mit einer einfachen E-Mail an den BFH gesandte Beschwerdebegründung entfaltet keine Rechtswirkung (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, § 52a FGO Rz 11; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 52a Rz 30 ff., m.w.N.).
  7. b) Mangels einer fristgemäß eingegangenen Begründung ist die Beschwerde des Klägers unzulässig (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17.10.2017 – IX B 98/17, BFH/NV 2018, 49, und vom 15.11.2021 – VIII B 23/21, BFH/NV 2022, 241). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO kann ihm schon deshalb nicht gewährt werden, weil er innerhalb der für die Wiedereinsetzung maßgeblichen Monatsfrist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) keine formwirksame Beschwerdebegründung beim BFH eingereicht und auch keine Wiedereinsetzungsgründe geltend gemacht hat.
  8. 3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
  9. 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.