Herstellung von Wasserglas

Beschluss vom 26. Februar 2020, VII R 25/18

ECLI:DE:BFH:2020:B.260220.VIIR25.18.0

BFH VII. Senat

EnergieStG § 51 Abs 1 Nr 1 Buchst a , EWGV 3037/90 , EGRL 96/2003 , FGO § 60 , FGO § 123 Abs 1

vorgehend FG Düsseldorf, 27. Juni 2018, Az: 4 K 1380/17 VE

Leitsätze

NV: Bei der Herstellung von Wasserglas, das durch Verschmelzung von Quarzsand und Natriumcarbonat gewonnen wird, handelt es sich nicht um die Herstellung von Glas i.S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 27.06.2018 – 4 K 1380/17 VE wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

  1. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) stellte Wasserglas her. Hierzu vermischte sie zunächst Quarzsand und Natriumcarbonat. Anschließend ließ sie das Gemisch in zwei mit versteuertem Erdgas betriebenen Drehrohröfen bei etwa 1 400 Grad Celsius verschmelzen. Die hierbei entstandene flüssige Substanz wurde auf einem Förderband abgeführt, wo sie erkaltete. Die beim Abfallen von dem Förderband entstandenen Klumpen wurden in einer Lagerhalle zwischengelagert. In einem zweiten Verfahrensabschnitt überführte die Klägerin die Klumpen in einem hydrothermalen Prozess unter Einsatz von Wasser und Dampf bei einer Temperatur von etwa 150 Grad Celsius und einem Druck von fünf bar in Wasserglas. Hierbei verwendete sie kein Erdgas mehr.
  2. Die Klägerin beantragte beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt –HZA–) eine Energiesteuervergütung in Höhe von … € für die Verwendung von … MWh Erdgas zum Verschmelzen von Quarzsand und Natriumcarbonat in den Drehrohröfen im Monat Januar 2016 nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Energiesteuergesetzes in der für Januar 2016 maßgeblichen Fassung (EnergieStG). Dies lehnte das HZA mit Bescheid vom 15.09.2016 ab, weil die Klägerin das Erdgas nicht für die Herstellung von Glas oder Glaswaren verwendet habe.
  3. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Ablehnung der Steuerentlastung sei rechtmäßig. Die Klägerin habe durch das Schmelzen von Quarzsand und Natriumcarbonat in den Drehrohröfen kein Glas und keine Glaswaren i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG hergestellt. Die Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom –EnergieStRL– (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 283, 51) gelte nicht für mineralogische Verfahren, die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 09.10.1990 betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft –VO 3037/90– (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften –ABlEG– Nr. L 293/1) unter die NACE-Klasse DI 26 „Verarbeitung nichtmetallischer Mineralien“ fielen. Zu deren Auslegung dürften das Harmonisierte System (HS) und die Kombinierte Nomenklatur (KN) herangezogen werden. Das von der Klägerin durch Vermischen und anschließendes Verschmelzen von Quarzsand und Natriumcarbonat hergestellte Erzeugnis sei kein Glas im Sinne des Kapitels 70 KN. Bei dem von ihr hergestellten Erzeugnis handele es sich zolltariflich nur um ein Natriumsilikat, das nicht mit einem anderen Silikat gemischt worden sei. Der Herstellungsprozess könne auch nicht der NACE-Klasse 26.82 zugeordnet werden. Ferner sei das von der Klägerin in einem zweiten Verfahrensabschnitt hergestellte Wasserglas gleichfalls ein Natriumsilikat der Pos. 2839 KN. Abgesehen davon habe die Klägerin selbst vorgetragen, sie habe das Erdgas nicht mehr für die Durchführung des zweiten Verfahrensabschnitts verwendet. Das Beihilferecht der Europäischen Union gebiete es nicht, den Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG entgegen seinem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass die Begünstigung auf alle denkbaren mineralogischen Verfahren ausgedehnt werde. Die immissionsschutzrechtliche Beurteilung der von der Klägerin betriebenen Anlage –auch durch das Umweltbundesamt– entfalte für die steuerrechtliche Beurteilung des Streitfalls keine Bindungswirkung.
  4. Die Klägerin begründet ihre Revision mit einem Verstoß des FG gegen §§ 76, 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil dieses dem beantragten Beweis durch einen Sachverständigen und durch die Vorlage einer internen Analyse im Hinblick auf die chemische Zusammensetzung der von ihr hergestellten Glasstangen nicht gefolgt sei. Darüber hinaus rügt sie die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe bei seiner Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG rechtsfehlerhaft das HS bzw. die KN herangezogen, obwohl die EnergieStRL nur auf die NACE verweise. Zudem unterlägen das HS und die KN ständigen Änderungen, weshalb unklar sei, welche Fassung für eine verbindliche Auslegung maßgeblich sei. Weiterhin seien das HS und die KN für den Außenhandel geschaffen worden, während die NACE und die Klassifikation der Wirtschaftszweige in der Ausgabe 2003 (WZ 2003) für die Wirtschaftszweigqualifikation Anwendung fänden. Jedenfalls habe vor einer Heranziehung des HS oder der KN der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) angerufen werden müssen. Ferner habe das FG verkannt, dass das von ihr (der Klägerin) hergestellte Festprodukt eine Glasware i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG i.V.m. der NACE-Klasse 26.15 sei. Es handele sich um Glas in Stangenform. Dessen spätere Weiterverarbeitung sei irrelevant. Es sei nicht entscheidungserheblich, ob das Gemisch aus Quarzsand mit Natriumcarbonat und weiteren mineralischen Ausgangsmaterialien durch aktives Vermischen mit einem weiteren mineralischen Ausgangsmaterial entstehe. Unbeschadet der ohnehin für die Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG nicht verbindlich heranzuziehenden Ausführungen im HS bzw. in der KN erfülle das von ihr hergestellte Glasprodukt auch alle Kriterien von Glas i.S. der Unterpos. 7001 00 99 KN. Von der Einordnung in die WZ 2003 gehe schließlich zumindest eine Indizwirkung aus. Ihre Anlage werde seit Jahren für immissionsschutzrechtliche Zwecke unter NACE Rev. 1.1 Klasse 26.15 eingestuft.
  5. Die Klägerin beantragt sinngemäß,
    das HZA unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des Bescheids vom 15.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2017 zu verpflichten, für den Monat Januar 2016 gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG eine Steuerentlastung in Höhe von … € festzusetzen,
    hilfsweise die Vorentscheidung sowie den Bescheid vom 15.09.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.04.2017 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
  6. Die Klägerin beantragt außerdem,
    das Umweltbundesamt, Fachbereich E (Emissionshandel), Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt), Bismarckplatz 1, 14193 Berlin, beizuladen.
  7. Das HZA beantragt,
    die Revision zurückzuweisen.
  8. Es führt aus, Glas i.S. des Kap. 70 KN sei ein homogenes Gemisch von unterschiedlicher Zusammensetzung aus einem Alkalisilikat (Natrium- oder Kaliumsilikat) und einem oder mehreren Kalzium- und Bleisilikaten. Dagegen sei Wasserglas, das die Klägerin herstelle, ein wasserlösliches Natrium- oder Kaliumsilikat, dessen Herstellung der NACE-Klasse DG 24.13 zuzuordnen und damit nicht begünstigt sei. Da dem Gemenge aus Quarzsand und Natriumcarbonat kein weiterer Ausgangsstoff hinzugefügt worden sei, handele es sich bei dem hergestellten Erzeugnis nur um ein Natriumsilikat i.S. der Pos. 2839 KN. Da das Endprodukt Wasserglas nicht begünstigungsfähig sei, komme auch eine Begünstigung der Vorprodukte nicht in Betracht.
  9. Das FG habe dem Beweisantrag der Klägerin nicht folgen müssen, weil es durch diesen Beweis nicht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Das Erzeugnis bestehe zu 99 % aus Quarzsand und Natriumcarbonat, während Spuren bestimmter anderer Bestandteile lediglich 0,41 % ausmachten und allenfalls Verunreinigungen darstellten. Eine Einreihung in Kap. 70 KN komme somit nicht in Betracht.
  10. Sofern eine genauere Abgrenzung der Klassifizierung des hergestellten Produkts anhand des Unterabschnitts DI 26 nicht möglich sei, sei auch die WZ 2003 nebst deren Erläuterungen heranzuziehen, in denen über die Klassifikation der Wirtschaftszweige der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft letztlich das HS und die KN in Bezug genommen würden. Diese dürften daher bei der Auslegung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG herangezogen werden. Abgesehen davon handele es sich bei dem von der Klägerin im ersten Prozessschritt hergestellten Erzeugnis um nichts anderes als festes Natriumsilikat in Stangen- bzw. Brockenform. Handelsübliche Silikate ließen sich unter die Pos. 2839 KN subsumieren. Es sei somit nicht zutreffend, das hergestellte Erzeugnis als sonstiges Glas in einer Art Stangenform der NACE-Klasse 26.15 zuzuordnen. Auch der These, dass durch die Zugabe von Natriumcarbonat (Soda) keine chemische Reaktion i.S. des Kap. 28 KN in Gang gesetzt werde, sondern lediglich die Geschwindigkeit des Schmelzvorgangs verändert werde, könne nicht zugestimmt werden. Des Weiteren sei nicht nachvollziehbar, dass Ausschlusskriterien hinsichtlich der Einreihung in die Pos. 2839 KN erfüllt sein sollten, weil die hergestellten Natriumsilikatstücke in eine spezifische Form gebracht und später einer besonderen Behandlung unterworfen würden. Der Einordnung einer Tätigkeit in die WZ 2003 sei keine absolute Bindungswirkung zuzurechnen.

Entscheidungsgründe

II.

  1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a FGO. Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
  2. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil des FG entspricht dem Bundesrecht.
  3. 1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG für das im Monat Januar 2016 zum Verschmelzen von Quarzsand und Natriumcarbonat verwendete Erdgas.
  4. a) Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag für versteuerte Energieerzeugnisse gewährt, die von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für die Herstellung von Glas und Glaswaren, keramischen Erzeugnissen, keramischen Wand- und Bodenfliesen und –platten, Ziegeln und sonstiger Baukeramik, Zement, Kalk und gebranntem Gips, Erzeugnissen aus Beton, Zement und Gips, keramisch gebundenen Schleifkörpern, mineralischen Isoliermaterialien, Asphalt, Waren aus Graphit oder anderen Kohlenstoffen, Erzeugnissen aus Porenbetonerzeugnissen und mineralischen Düngemitteln zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern der vorgenannten Erzeugnisse oder der zu ihrer Herstellung verwendeten Vorprodukte, verwendet worden sind.
  5. Mit der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG getroffenen Regelung ist Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL in das nationale Energiesteuerrecht umgesetzt worden. Danach gilt die Richtlinie nicht für Verfahren, die gemäß der VO 3037/90 unter die NACE-Klasse DI 26 „Verarbeitung nicht-metallischer Mineralien“ fallen (mineralogische Verfahren). Nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/1172, S. 44) entsprechen die in § 51 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EnergieStG aufgeführten Prozesse und Verfahren im Wesentlichen den Tätigkeiten, die in den Abteilungen DI 26 und DJ 27 der VO 3037/90 in der am 01.01.2003 geltenden Fassung –NACE Rev. 1.1.– aufgeführt sind. Wie der erkennende Senat entschieden hat, ist aufgrund der durch die Materialien belegten Intention des Gesetzgebers die NACE Rev. 1.1. zur Auslegung der Vorschrift heranzuziehen (Senatsurteil vom 26.10.2010 – VII R 50/09, BFHE 231, 443, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern –ZfZ– 2011, 23; vgl. auch Senatsurteil vom 15.02.2011 – VII R 51/09, ZfZ 2011, 274).
  6. Voraussetzung für die Gewährung eines auf § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG gestützten Entlastungsanspruchs ist die Verwendung eines Energieerzeugnisses von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes zum Trocknen, Brennen, Schmelzen, Erwärmen, Warmhalten, Entspannen, Tempern oder Sintern eines der in den Unterabschnitten DI 26 und DJ 27 WZ 2003 genannten Erzeugnisses oder eines Vorprodukts, das von diesem Unternehmen zur Herstellung dieses Erzeugnisses weiterverarbeitet wird. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mit Urteil in BFHE 231, 443, ZfZ 2011, 23 entschieden hat, ist der vom Gesetzgeber normierte Entlastungstatbestand in richtlinienkonformer Auslegung dahingehend zu verstehen, dass die Begünstigung nur solchen Unternehmen gewährt wird, die zumindest eines der in den Unterabschnitten DI 26 und DJ 27 WZ 2003 aufgelisteten und in § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG genannten Endprodukte selbst herstellen. Sofern diese Unternehmen die Vorprodukte selbst herstellen und weiterverarbeiten, werden –wohl um Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden und das Verwaltungsverfahren zu vereinfachen– auch die Energieerzeugnisse entsteuert, die zur Herstellung der Vorprodukte eingesetzt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 24.02.2015 – VII R 50/13, BFHE 249, 258, ZfZ 2015, 220, und in ZfZ 2011, 274).
  7. Nach der Vorbemerkung  I 2.3 Abs. 2 zur WZ 2003 kann im Bereich des Produzierenden Gewerbes (ohne Baugewerbe) das Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken in der Ausgabe 2002 (GP 2002) als Hilfsmittel dienen. Dieses baut auf der statistischen Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft –CPA– (vgl. Verordnung (EWG) Nr. 3696/93 des Rates vom 19.10.1993, ABlEG Nr. L 342/1, i.d.F. nach der Verordnung (EG) Nr. 204/2002 der Kommission vom 19.12.2001, ABlEG Nr. L 36/1) auf, die wiederum auf der zentralen Güterklassifikation der Vereinten Nationen (CPC) basiert. Die Unterteilungen der CPC werden im Bereich der Waren verbindlich durch die Unterteilungen des HS definiert. Da als maßgebliche Definitionsklassifikation für die Warenpositionen der CPA sowohl das HS als auch die KN dienen, beeinflussen beide Vorgaben letztlich auch die inhaltliche Abgrenzung der Wirtschaftszweige der WZ 2003. Daher ist es zulässig, zur Auslegung der WZ 2003 das HS und die KN heranzuziehen (vgl. Senatsurteil in BFHE 249, 258, ZfZ 2015, 220).
  8. b) Der Unterabschnitt DI „Glasgewerbe, Herstellung von Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden“ umfasst u.a. die Herstellung von Glas und Glaswaren, wie z.B. Flachglas, Hohlglas, Glasfasern und technische Glaswaren. Die Unterklasse DI 26.15.0 beinhaltet die „Herstellung, Veredlung und Bearbeitung von sonstigem Glas einschließlich technischen Glaswaren“. Unter welchen Voraussetzungen ein Stoff als Glas oder Glasware angesehen werden kann, wird nicht definiert. Allerdings werden in den Erläuterungen zur Unterklasse DI 26.15.0 Glaswaren aufgezählt, die sich durch eine bestimmte feste Form und einen bestimmten Verwendungszweck auszeichnen. Bruchwaren oder Glaszwischenerzeugnisse, die noch weiterverarbeitet werden müssen, werden dagegen nicht genannt. Dies kann als Indiz dafür gewertet werden, dass Wasserglas oder im Rahmen der Verarbeitung anfallender Glasbruch nicht von dieser Unterklasse erfasst werden.
  9. c) Kap. 70 KN erfasst „Glas und Glaswaren“. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) 02.0 zu Kap. 70 ist Glas (ausgenommen geschmolzenes Siliziumdioxid und geschmolzener Quarz, die nachstehend behandelt werden) chemisch gesehen ein homogenes Gemisch von unterschiedlicher Zusammensetzung aus einem Alkalisilikat (Natrium- oder Kaliumsilikat) mit einem oder mehreren Kalzium- und Bleisilikaten und daneben Barium-, Aluminium-, Mangan-, Magnesium- usw. –silikaten.
  10. In die Pos. 2839 KN fallen „Silicate; handelsübliche Silicate der Alkalimetalle“. Nach der ErlHS 02.1 zu Pos. 2839 gewinnt man Natriumsilicate durch Zusammenschmelzen von Sand und Natriumcarbonat oder Natriumsulfat. Ihre Zusammensetzung ist sehr verschieden (Monosilicate, Metasilicate, Polysilicate usw.). Ihr Kristallwassergehalt und ihre Löslichkeit sind je nach ihrem Herstellungsverfahren und ihrem Reinheitsgrad verschieden. Die Natriumsilicate kommen als Pulver, farblose Kristalle, glasige Massen (Wasserglas) oder mehr oder weniger viskose wässrige Lösungen vor.
  11. Dies spricht dafür, Wasserglas, das durch Verschmelzen von Quarzsand und Natriumcarbonat hergestellt wird, in die Pos. 2839 KN einzureihen. Sofern Spuren weiterer Ausgangsstoffe enthalten sind, kommt es gemäß der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der KN 3 Buchst. b darauf an, welcher Stoff der Ware ihren wesentlichen Charakter verleiht.
  12. d) Das Unionsrecht steht einer Ausweitung der mineralogischen Verfahren über die in der Klasse DI 26 NACE Rev. 1.1. genannten Verarbeitungsprozesse entgegen. Denn nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 5. Anstrich EnergieStRL sind nur solche Verfahren aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgewiesen, die unter die NACE-Klasse DI 26 (Verarbeitung nichtmetallischer Mineralien) fallen. Eine davon abweichende Einbeziehung eines weiteren Verarbeitungsprozesses verstieße gegen die unionsrechtlichen Vorgaben. Denn allein aus dem Umstand, dass nur bestimmte Glasarten in der Klasse DI 26 genannt sind, ist nicht zu schließen, dass eine Regelungslücke vorliegt, die durch die Einbeziehung anderer Glasarten geschlossen werden müsste (vgl. Senatsurteil in BFHE 249, 258, ZfZ 2015, 220). Abgesehen davon steht es den Unionsorganen frei, einen Bereich nur schrittweise zu harmonisieren (vgl. EuGH-Urteil Socridis vom 17.06.1999 – C-166/98, EU:C:1999:316, Rz 26, ZfZ 1999, 342).
  13. Da es sich bei den mineralogischen Verfahren um einen nicht harmonisierten Bereich handelt, ist auch eine Gleichstellung von Unternehmen, die nur Vorprodukte herstellen, mit Unternehmen, die nur Endprodukte bzw. Vor- und Endprodukte herstellen, nach unionsrechtlichen Vorgaben nicht geboten. Sofern sich die Mitgliedstaaten für eine Begünstigung entscheiden, sind sie nicht gezwungen, diese auf sämtliche mineralogische Verfahren zu erstrecken (Senatsurteil in ZfZ 2011, 274).
  14. e) Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Herstellung von Wasserglas als Natriumsilikat nicht um die Herstellung von Glas i.S. des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG.
  15. Nach den Feststellungen des FG stellte die Klägerin Wasserglas durch Vermischen von Quarzsand und Natriumcarbonat und anschließendem Schmelzen her. Diese beiden Ausgangsstoffe sind nach der ErlHS 02.1 zu Pos. 2839 die Ausgangsstoffe von Natriumsilicat i.S. der Pos. 2839 HS. Gegen diese Feststellungen hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben, so dass die Feststellungen des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend sind. Die Klägerin hat zwar gerügt, das FG habe gegen §§ 76, 96 FGO verstoßen, weil es ihrem Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zur chemischen Zusammensetzung der von ihr hergestellten Glasstangen nicht gefolgt sei und die Beweiswürdigung vorweggenommen habe. Die Einholung des Sachverständigengutachtens hat jedoch deshalb unterbleiben können, weil es für das FG nicht maßgeblich war, dass in der von der Klägerin hergestellten Ware neben Quarzsand und Natriumcarbonat zufällig noch weitere Bestandteile enthalten waren. Maßgeblich kam es für das FG vielmehr darauf an, ob das Natriumsilikat im Rahmen eines Verarbeitungsprozesses noch mit einem weiteren Silikat gemischt worden ist. Infolgedessen hat es unberücksichtigt gelassen, ob aus anderen Gründen, z.B. durch Verunreinigung, noch weitere Stoffe oder auch Silikate in der Ware enthalten waren. Abgesehen von den o.g. Ausgangsstoffen wird Wasserglas in den ErlHS 02.1 zu Pos. 2839 ausdrücklich angesprochen und dieser Position zugeordnet.
  16. Dagegen besteht Glas i.S. des Kap. 70 KN aus einem Alkalisilikat (Natrium- oder Kaliumsilikat) und einem oder mehreren Kalzium- und Bleisilikaten und daneben Barium-, Aluminium-, Mangan-, Magnesium- usw. -silikaten. Es muss sich um ein Gemisch dieser Stoffe handeln. Es ist nicht ausreichend, dass andere Stoffe lediglich zufällig als Spuren vorhanden sind.
  17. Demnach handelt es sich bei Natriumsilikat um eine anorganische Verbindung von Nichtmetallen, die in der Unterklasse DI 24.13 „Herstellung von sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien“ einzuordnen ist.
  18. Wasserglas kann nicht in die Unterklasse DI 26.82 „Herstellung von sonstigen Erzeugnissen aus nicht metallischen Mineralien, anderweitig nicht genannt“ eingeordnet werden. Zum einen würde dies gegen die Einreihung des Wasserglases in die KN sprechen, die als Auslegungshilfe herangezogen werden kann. Zum anderen würde eine Einordnung von Wasserglas in diese Unterklasse die Begrenzung der Unterklasse DI 26.15.0 auf bestimmte Glaswaren konterkarieren.
  19. Da die Klägerin kein steuerlich begünstigtes Endprodukt herstellt, kommt auch eine Entsteuerung des für die Herstellung des Bruchglases als Vorprodukt verwendeten Erdgases nicht in Betracht (vgl. dazu Senatsurteil in ZfZ 2011, 274).
  20. 2. Die aus steuerrechtlicher Sicht erfolgte Einordnung der Tätigkeit der Klägerin nach den hierfür maßgeblichen statistischen Vorgaben entfaltet keine Rechtswirkungen zu Lasten des Umweltbundesamtes, weshalb eine Beiladung des Umweltbundesamtes gemäß § 60 FGO nicht notwendig war.
  21. a) Eine einfache Beiladung ist im Revisionsverfahren gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 FGO unzulässig (vgl. auch BFH-Urteil vom 25.11.2009 – X R 27/05, BFH/NV 2010, 1090).
  22. b) Eine notwendige Beiladung ist im Revisionsverfahren gemäß § 123 Abs. 1 i.V.m. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO zwar grundsätzlich zulässig. Der BFH kann im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens eine vom FG zu Unrecht unterlassene notwendige Beiladung im Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 126 Abs. 3 Satz 2 FGO nachholen (vgl. BFH-Urteil vom 04.12.2018 – IX R 13/17, BFH/NV 2019, 1397). Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum finanzgerichtlichen Verfahren notwendig beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist der Fall, wenn die Entscheidung nach Maßgabe des materiellen Steuerrechts notwendigerweise und unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen des Dritten gestaltet, bestätigt, verändert oder zum Erlöschen bringt (z.B. BFH-Urteil vom 19.12.2018 – I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493, Rz 12).
  23. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt, weil die Entscheidung in steuerlicher Hinsicht keine Auswirkungen für das Umweltbundesamt entfaltet.
  24. 3. Auch eine etwaige abweichende Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin durch die Statistikbehörden ist nicht bindend, weil die Hauptzollämter in eigener Zuständigkeit über die Gewährung einer steuerlichen Begünstigung entscheiden (Senatsurteil vom 28.10.2008 – VII R 38/07, BFHE 223, 287, ZfZ 2009, 79; Senatsbeschluss vom 31.01.2008 – VII B 88/07, BFH/NV 2008, 991). Auch die Einordnung des Wasserglases in die NACE-Klasse 26.15 durch das Umweltbundesamt nach § 9 des Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz) ist für die Auslegung der WZ 2003 und des Entlastungstatbestands des § 51 Abs. 1 Buchst. a EnergieStG nicht bindend.
  25. 4. Soweit die Kommission im Rahmen der beihilferechtlichen Prüfung des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EnergieStG der Bundesrepublik Deutschland aufgegeben hat, dieselbe steuerliche Behandlung anzuwenden, falls noch weitere mineralogische Verfahren bekannt werden, kann daraus nicht geschlossen werden, dass sämtliche Verfahren begünstigt werden müssen, die in irgendeiner Form auf mineralischen Ausgangsstoffen beruhen. Die EnergieStRL nimmt nur mineralogische Verfahren der NACE-Klasse DI 26 von ihrem Geltungsbereich aus. Darauf bezieht sich auch die Stellungnahme der Europäischen Kommission (vgl. Staatliche Beihilfe Nr. N 820/2006 – Deutschland K (2007) 298 endg.).
  26. 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.