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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die angefochtene zeitliche Erweiterung der Prüfungsanordnung ist rechtmäßig. Das FA hat das ihm in § 194 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 196 der Abgabenordnung (AO) eingeräumte Ermessen, auch die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1999 in den Prüfungszeitraum einzubeziehen, nicht fehlerhaft ausgeübt. |
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1. Zutreffend ist das FA bei Anordnung der Außenprüfung davon ausgegangen, dass die Klägerin zu den Steuerpflichtigen gehört, bei denen gemäß § 193 Abs. 1 AO bereits aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit eine Außenprüfung zulässig ist. Darüber besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten kein Streit. |
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2. Nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO kann eine Außenprüfung mehrere Steuerarten und Besteuerungszeiträume umfassen, sie kann sich aber auch auf bestimmte Sachverhalte beschränken. Den Umfang der Außenprüfung hat gemäß § 196 AO die zuständige Finanzbehörde –im Streitfall das FA– in einer schriftlich zu erteilenden Prüfungsanordnung zu bestimmen. Die Bestimmung des Prüfungsumfangs ist eine von den Gerichten nur gemäß § 102 FGO zu überprüfende Ermessensentscheidung (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs –BFH–, z.B. Senatsurteil vom 28. Juni 2000 I R 20/99, BFH/NV 2000, 1447, m.w.N.). |
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Da die Finanzbehörden aufgrund ihrer begrenzten Prüfungskapazitäten nicht sämtliche gemäß § 193 Abs. 1 AO der Außenprüfung unterliegenden Steuerpflichtigen für alle Besteuerungszeiträume prüfen können, müssen sie unter den zu prüfenden Betrieben und hinsichtlich des Prüfungsumfangs eine Auswahl treffen (z.B. Senatsurteil in BFH/NV 2000, 1447, m.w.N.). In § 4 Abs. 2 Satz 1 BpO 2000 hat die Finanzverwaltung dieses Auswahlermessen für Großbetriebe i.S. des § 3 BpO 2000 dahingehend ausgeübt, dass bei ihnen der Prüfungszeitraum lückenlos an den vorhergehenden anschließen soll. Bei anderen Betrieben –zu denen auch die Klägerin gehört– soll der Prüfungszeitraum dagegen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 in der Regel nicht mehr als drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Diese Beschränkung der Prüfung auf drei Besteuerungszeiträume gilt nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 jedoch nicht, wenn mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht. |
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Diese Verwaltungsregelungen dienen nicht nur der sinnvollen Nutzung der begrenzten Prüfungskapazitäten, sondern auch der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Sie sind deshalb als Selbstbindung der Verwaltung bei der Ermessensausübung auch im gerichtlichen Verfahren zu beachten (z.B. BFH-Urteil vom 19. August 1998 XI R 37/97, BFHE 186, 506, BStBl II 1999, 7; Senatsurteil in BFH/NV 2000, 1447, m.w.N.). |
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3. Im Streitfall greift die Verwaltungsregelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 nicht ein. |
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Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die für den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, besteht aufgrund konkreter Umstände die Vermutung, dass mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin in den Veranlagungszeiträumen 1995 bis 1999 zu rechnen ist. Auf dieser Grundlage ist das FA bei der Ermessensausübung hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Außenprüfung von der Bindung an die Verwaltungsregelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 BpO 2000 befreit. Tritt –wie im Streitfall– diese Rechtsfolge ein, hat das FA gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 196 und § 5 AO zu entscheiden, ob und inwieweit es den Prüfungsumfang wegen der in § 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 aufgeführten Sachverhalte erweitert. |
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4. Die Prüfung gemäß § 102 FGO ergibt, dass das FA nach dem Sachverhalt, auf dem die zu überprüfende Verwaltungsentscheidung beruht (z.B. BFH-Beschluss vom 13. November 2003 VI B 329/00, BFH/NV 2004, 361), weder die gesetzlichen Grenzen des ihm in § 194 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 196 AO eingeräumten Ermessens überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck des § 194 Abs. 1 Satz 2 AO nicht entsprechenden Form Gebrauch gemacht hat, als es unter dem 22. November 2006 den Prüfungszeitraum auf die Jahre 1995 bis 1999 erweiterte. |
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a) Den Verdacht einer Steuerstraftat, mit dem das FA die zeitliche Erweiterung der Prüfungsanordnung begründet hat, konnte das FA aus den im Sichtungsverfahren gemäß § 110 Abs. 3 der Strafprozessordnung (StPO) aus dem Datenbestand der Kanzlei des Y separierten Daten und den sich daraus ergebenden Feststellungen des STRAFA ableiten. Dass auf dieser Grundlage mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die Möglichkeit von Steuerstraftaten von X (als Gesellschafter-Geschäftsführerin) bzw. Y (als faktischer Geschäftsführer der Klägerin, der im Rechtsverkehr im Namen der Klägerin gehandelt hat) zum Vorteil der Klägerin bestand, wird von der Klägerin nicht bestritten. |
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b) Die Erkenntnisse aus den in der Kanzlei des Y befindlichen Daten konnten vom FA auch im Besteuerungsverfahren der Klägerin herangezogen werden. Ein Verwertungsverbot bestand nicht. |
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aa) Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 4. Oktober 2006 VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227; VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190, jeweils m.w.N.) besteht im Besteuerungsverfahren kein allgemeines gesetzliches Verwertungsverbot für Tatsachen, die unter Verletzung von Verfahrensvorschriften ermittelt worden sind (s. auch BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 2003 X B 19/03, BFH/NV 2003, 1594; vom 27. Juni 2008 II B 19/07, BFH/NV 2008, 1519; vom 6. November 2008 IX B 144/08, BFH/NV 2009, 195). Jedoch kann ein sog. qualifiziertes materiell-rechtliches Verwertungsverbot anzunehmen sein, wenn die Ermittlung der Tatsachen einen verfassungsrechtlich geschützten Bereich des Steuerpflichtigen verletzt hat. Die auf diese Weise ermittelten Tatsachen sind schlechthin und ohne Ausnahme unverwertbar; der Verstoß kann nicht durch zulässige, erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden. Für Einzelheiten wird auf diese Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, Bezug genommen. |
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bb) Die Voraussetzungen für die Annahme eines qualifizierten materiellen Verwertungsverbots lagen im Streitfall nicht vor. |
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aaa) Zwar sind an die Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern bei Rechtsanwälten und Steuerberatern unter Berücksichtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, des rechtlich geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt bzw. Steuerberater und dem Mandant sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besondere Anforderungen zu stellen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG– vom 12. April 2005 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29; s. auch BVerfG-Beschlüsse vom 5. Mai 2008 2 BvR 1801/06, Neue Juristische Wochenschrift 2008, 2422; vom 18. März 2009 2 BvR 1036/08, Deutsches Steuerrecht 2009, 1603; BFH-Urteil vom 8. April 2008 VIII R 61/06, BFHE 220, 313). So sind die strafprozessualen Eingriffsgrundlagen einer strengen Begrenzung auf den Ermittlungszweck zu unterwerfen; auf die Ermittlung anderer Lebenssachverhalte und Verhältnisse erstrecken sich die Eingriffsermächtigungen nicht. Gelegentlich einer strafrechtlichen Ermittlung dürfen daher keine Sachverhalte und persönlichen Verhältnisse ausgeforscht werden, die für die Beurteilung der Täterschaft und für die Bemessung der Rechtsfolgen der Tat nicht von Bedeutung sind. Mit dieser strengen Begrenzung sämtlicher Ermittlungen und damit auch der Datenerhebung auf den Zweck der Aufklärung der begangenen Tat erlaubt die Strafprozessordnung die Eingriffe in das Recht an den eigenen Daten grundsätzlich nur in Bezug auf diejenigen Daten, die für die Strafverfolgung im konkreten Anlassfall von Bedeutung sind. Im Übrigen muss der besonderen Eingriffsintensität der Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den darauf vorhandenen Daten Rechnung getragen werden. Damit wird der Zugriff auf –der Verschwiegenheitspflicht des Berufsangehörigen unterliegende und damit– "geschützte" Daten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt. |
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Der effektive Schutz der Grundrechte bedarf darüber hinaus einer den sachlichen Erfordernissen entsprechenden Ausgestaltung des Verfahrens. Den Grundrechten der Unbeteiligten und dem Allgemeininteresse dient die Beschränkung des Datenträgerzugriffs auf tatsächlich verfahrensrelevante Daten. Gleichwohl ist die Sicherstellung eines Datenträgers und aller vorhandenen Daten möglich, wenn bei einem im Rahmen des technisch Möglichen und des Vertretbaren beschränkten Durchsuchungsvollzug die relevanten Informationen nicht ausgesondert werden können. Nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, in denen die Beschränkung auf den Ermittlungszweck der Datenträgerbeschlagnahme planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wird, ist ein Beweisverwertungsverbot als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme von Datenträgern und der darauf vorhandenen Daten geboten (BVerfG- Beschluss in BVerfGE 113, 29, unter C.II., III., IV. der Gründe). |
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bbb) Nach den Feststellungen des FG erfolgte der Zugriff auf die Daten im Rahmen einer rechtmäßigen und im Zeitpunkt der Entscheidung des FA nicht fachgerichtlich angefochtenen Durchsuchungsmaßnahme i.S. des § 102 StPO (allgemein zur Tatbestandswirkung von nicht angefochtenen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen für das Steuerfestsetzungsverfahren z.B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 1594; in BFH/NV 2008, 1519). Die Durchsuchung erfolgte wegen eines Sachverhalts (u.a. Umbaumaßnahmen an einem Gebäude), in den die Klägerin als Generalunternehmerin eingeschaltet war und der sich auch auf die Steuerbemessungsgrundlage der Klägerin auswirken konnte (Mietzahlungen), bei den Bauherren X und Y als Verdächtigen. |
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Der Ermittlungszweck konnte es angesichts des begründeten Verdachts einer engen Verschränkung der Tätigkeit des Y als Steuerberater und zugleich faktischer Geschäftsführer der Klägerin rechtfertigen, die Ermittlungen auch im Bereich der steuerberatenden Tätigkeit des Verdächtigen auf Umstände zu erstrecken, die einen Bezug zur Klägerin hatten. Insoweit konnten auch Daten bzw. Unterlagen zu Grundstücksgeschäften der Klägerin mit (anderen) Mandanten des Y in die Prüfung einbezogen werden. Nur diese Daten wurden anlässlich der Sichtung des "gespiegelten" Gesamtdatenbestandes (§ 100 Abs. 3 Satz 2 StPO) der Kanzlei des Y separiert und einer weiteren Überprüfung unterworfen, die dann zu Erkenntnissen über eine besondere Gestaltung der Grundstücksgeschäfte zum Vorteil des jeweiligen Mandanten und des Y und zum Nachteil der Klägerin geführt hat (§ 97 Abs. 2 Satz 3 StPO). Weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit der steuerberatenden Berufstätigkeit des Y erfolgten nach den Feststellungen des FG nicht. Auf dieser Grundlage muss nicht entschieden werden, ob sich ein Drittbetroffener auf eine möglicherweise bestehende teilweise Rechtswidrigkeit einer strafprozessualen Ermittlungsmaßnahme berufen kann, wenn die Maßnahme ihm gegenüber rechtmäßig, weiteren Personen gegenüber möglicherweise aber unrechtmäßig ist. |
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Im Streitfall besteht auch kein Anlass, dem Schutz der Berater- bzw. Mandantenbeziehung zwischen Y und der Klägerin in einer Abwägung ein besonderes Gewicht beizumessen. Y hat nach den damaligen Verdachtsmomenten vor der Durchsuchung die –von ihm zusammen mit X durch Anteilsbesitz und Geschäftsführung beherrschte– Klägerin als Instrument eigener Geschäftsinteressen eingesetzt und in Gestalt von besonderen Mietvereinbarungen zum Nachteil der Klägerin gehandelt. Wenn damit gerade die Geschäftsbeziehung zwischen Y und der Klägerin Zielpunkt der einschlägigen Ermittlungen war, kann die Klägerin schon nicht als "drittbetroffene Mandantin" des Adressaten der Durchsuchungsmaßnahme angesehen werden, die einen besonderen Schutz vor einem übermäßigen Datenzugriff bei ihrem Steuerberater geltend machen könnte. |
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Im Übrigen waren, wie das FG festgestellt hat, im Zeitpunkt der Entscheidung des FA keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es bei der Durchsuchung durch das STRAFA zu schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen gekommen ist, durch die die Beschränkung der Ermittlungsmaßnahme auf den Ermittlungszweck planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wurde. Insoweit ist eine "Spiegelung" des Datenbestandes des Verdächtigen nicht –wie die Klägerin vorträgt– schon ohne weiteres als unverhältnismäßige Maßnahme anzusehen. Insbesondere waren weder die Durchsuchung als solche noch die umfassende Sicherstellung des Datenbestandes zum Zwecke der Durchsicht von den Adressaten bzw. Y mit den gegebenen strafprozessualen Rechtsbehelfen (§ 98 Abs. 2 Satz 2 StPO) angegriffen worden. |
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