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Die Revision ist nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Nachforderungsbescheide über Lohnsteuer und Säumniszuschläge 2009, 2010 und 2011 rechtmäßig ergangen sind. Entsprechend war auch der "Widerruf" der Freistellungsbescheinigung rechtmäßig. |
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1. Nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG hat das Finanzamt zu wenig erhobene Lohnsteuer vom Arbeitnehmer nachzufordern, wenn der nachzufordernde Betrag 10 EUR übersteigt. "Zu wenig" Lohnsteuer wird erhoben, wenn nach § 41c Abs. 4 Satz 1 EStG u.a. der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach § 41c Abs. 1 EStG nicht nachträglich einbehält und dies dem Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich angezeigt wird. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall –wie das FG im Ergebnis zutreffend entschieden hat– vor. |
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a) Nach § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Arbeitgeber berechtigt, noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten, wenn ihm der Arbeitnehmer eine Lohnsteuerkarte mit rückwirkenden Eintragungen vorlegt (Nr. 1), oder wenn er erkennt, dass er die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat (Nr. 2). § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG erfasst dabei zumindest in seiner Nr. 1 aufgrund der Bezugnahme auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte unmittelbar nur die Änderung des Lohnsteuerabzugs für unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer. Über die Verweisung in § 39d Abs. 3 Satz 4 EStG ergibt sich jedoch, dass § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechend dem ihm zugrunde liegenden Gedanken der nachträglichen Korrektur eines fehlerhaften Lohnsteuerabzugs auch beim Lohnsteuerabzug für beschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer anzuwenden ist. Im Streitfall kann letztlich offen bleiben, ob sich aufgrund der für die Jahre 2009 bis 2011 geänderten Bescheinigungen für den Steuerabzug eine Berechtigung des B e.V. zur Änderung des Lohnsteuerabzugs aus § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG direkt oder aus § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in entsprechender Anwendung ergibt, denn jedenfalls soll § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG auch bei beschränkt Steuerpflichtigen die nachträgliche, rückwirkende Korrektur der Lohnsteuerabzugsmerkmale ermöglichen. |
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b) Die Berechtigung des Arbeitgebers zur Nacherhebung der Lohnsteuer –als Voraussetzung für die Nacherhebung beim Arbeitnehmer nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG– hängt jedoch in jedem Fall davon ab, ob das FA die Rechtswirkungen der nach § 39b Abs. 6 EStG erteilten Freistellungsbescheinigung rückwirkend beseitigen konnte. Konnte es dies nicht, liegt entweder keine rückwirkende Eintragung i.S. des § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG oder kein nicht vorschriftsmäßiger Einbehalt i.S. des § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vor. |
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aa) Soweit die Vorinstanz unter Berufung auf das Senatsurteil vom 28. August 1991 I R 3/89 (BFHE 165, 404, BStBl II 1992, 107) die Auffassung vertritt, dass einer Inanspruchnahme des Klägers nach § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG die dem B e.V. erteilte Freistellungsbescheinigung nicht entgegensteht, vermag dem der Senat nicht zu folgen. |
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Die Auffassung der Vorinstanz beruht offenbar auf einer Fehlinterpretation der Senatsentscheidung in BFHE 165, 404, BStBl II 1992, 107. Der Senat hatte dort entschieden, dass wie im Fall einer dem Arbeitgeber erteilten Anrufungsauskunft nach § 42e EStG auch bei einer dem Arbeitgeber erteilten Freistellungsbescheinigung die Bindungswirkung personenbezogen zu verstehen sei. Die Finanzbehörde sei daher nicht gehindert, gegenüber dem Arbeitnehmer einen anderen ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten als im Auskunftsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber. Die Vorinstanz lässt, indem sie sich diese Grundsätze zu Eigen macht und auf den Urteilsfall anwendet, allerdings unberücksichtigt, dass die Nacherhebung der Lohnsteuer vom Arbeitnehmer in § 41c Abs. 4 Satz 2 EStG tatbestandlich –nach der hier allein einschlägigen 1. Alternative des Satzes 1– vom Vorliegen eines Falles des § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG abhängig gemacht wird, d.h. der Arbeitgeber berechtigt sein müsste, die Lohnsteuer nachträglich einzubehalten, dies aber nicht tut. Damit kommt es aber nicht –wie von der Vorinstanz angenommen– darauf an, ob eine dem Arbeitgeber erteilte Freistellungsbescheinigung gegenüber dem Arbeitnehmer Bindungswirkung entfaltet oder nicht. Es kommt vielmehr allein darauf an, ob der Arbeitgeber nach § 41c Abs. 1 Satz 1 EStG berechtigt wäre, noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten. Die Berechtigung des Arbeitgebers zum nachträglichen Einbehalt hängt aber wiederum im Streitfall davon ab, ob eine Freistellungsbescheinigung besteht oder nicht. |
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Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 13. März 1985 I R 86/80 (BFHE 143, 455, BStBl II 1985, 500). Soweit der Senat dort entschieden hat, dass eine Freistellungsbescheinigung, die dem Arbeitgeber gemäß § 39b Abs. 6 EStG für Zwecke des Lohnsteuerabzuges erteilt worden ist, keine Bindungswirkung im Verhältnis zum Arbeitnehmer entfaltet, betrifft diese Entscheidung nicht den Streitfall. Zum einen wird in dieser Entscheidung nur das Verhältnis zwischen Lohnsteuerabzug und Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers angesprochen. Zum anderen bleibt wiederum die Anknüpfung des § 41c Abs. 4 EStG an die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen nachträglichen Lohnsteuereinbehalt durch den Arbeitgeber unberührt. |
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bb) Im Ergebnis zutreffend ist die Vorinstanz aber davon ausgegangen, dass die Freistellungsbescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG im Urteilsfall rückwirkend geändert werden konnte. |
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Dem in § 39d Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 1 EStG für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern enthaltenen Verweis auf § 41c EStG und auf § 39b Abs. 6 EStG ist zu entnehmen, dass die Bescheinigung nach § 39b Abs. 6 EStG die sonst im Verfahren für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer nach § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG auf Antrag des Arbeitnehmers auszustellende Bescheinigung ersetzt und damit nach § 39d Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG als Lohnsteuerkarte gilt. Soweit § 39 Abs. 3b Satz 4 EStG ausdrücklich anordnet, dass Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte als gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 179 der Abgabenordnung (AO), die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, anzusehen sind, muss dies über den Verweis in § 39d Abs. 3 Satz 4 EStG auch für die Ausstellung oder Änderung einer Bescheinigung im Verfahren des § 39d EStG für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gelten. Demgemäß konnte die Freistellungsbescheinigung im Streitfall nach § 164 Abs. 2 AO aufgehoben und geändert werden. |
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Den insoweit abweichenden Meinungen in der Literatur, die sich ausdrücklich auf das Fehlen einer §§ 39 Abs. 3b Satz 4, 39a Abs. 4 Satz 1 EStG entsprechenden Regelung in § 39b Abs. 6 EStG berufen (Becht in Herrmann/Heuer/Raupach, § 39b EStG Rz 66; dezidiert Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 39b Rz G 4), vermag der Senat angesichts der dargestellten Verweisungstechnik des Gesetzes nicht zu folgen. Demgemäß verbietet sich auch ein Rückgriff auf die Erwägungen des Senats zur Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG (Senatsurteil vom 11. Oktober 2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl II 2001, 291; a.A. Becht in Herrmann/Heuer/Raupach, § 39b EStG Rz 66). |
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Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592, BStBl I 2011, 1171) ab dem Veranlagungszeitraum 2012 (EStG n.F.) beschlossene Neufassung des § 39 EStG. Darin wird in § 39 Abs. 1 Satz 4 EStG n.F. ausdrücklich geregelt, dass die Bildung von Lohnsteuerabzugsmerkmalen –hierunter fällt nach § 39a Abs. 4 EStG n.F. i.V.m. § 39 Abs. 4 EStG n.F. auch der Freibetrag für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer– eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 179 Abs. 1 AO ist, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. |
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cc) Schließlich steht Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 einer Nachforderung der Lohnsteuer bei dem Kläger nicht entgegen. Da das Altersruhegeld nach den insoweit bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 FGO) in Südafrika nicht besteuert wurde, dürfen die Zahlungen in Deutschland der Besteuerung unterworfen werden und unterliegen damit dem Lohnsteuerabzug nach § 39d i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG. |
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Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 bestimmt, dass Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen, die einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person für frühere unselbständige Tätigkeit gezahlt werden, "nur" im Ansässigkeitsstaat besteuert werden können, wenn diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat "der Besteuerung unterliegen". Die Regelung ordnet damit zwar ausdrücklich an, dass "nur" der Ansässigkeitsstaat "Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen" besteuern darf. Dies wird aber unter den Vorbehalt gestellt, dass diese Einkünfte im Ansässigkeitsstaat auch "der Besteuerung unterliegen". Im Umkehrschluss ist Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 mithin die Aussage zu entnehmen, dass der Quellenstaat –soweit dieser Vorbehalt nicht erfüllt ist– diese Einkünfte besteuern darf. Der Senat hat hierzu in einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowie in einem Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision bereits entschieden, dass bei fehlender tatsächlicher Besteuerung, d.h. der Nichtausübung eines bestehenden Besteuerungsrechts im Ansässigkeitsstaat, dem Quellenstaat das Besteuerungsrecht zusteht (Senatsbeschlüsse vom 24. Oktober 2012 I B 47/12, BFH/NV 2013, 196; vom 13. Oktober 2015 I B 68/14, BFH/NV 2016, 558). Daran ist auch für den Streitfall festzuhalten. |
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Eine andere Auslegung gebieten –entgegen der Revision– weder Sinn noch Zweck der Regelung. Insbesondere in seiner Entscheidung I R 158/90 zum DBA-Kanada 1981 (Urteil vom 5. Februar 1992 I R 158/90, BFHE 167, 496, BStBl II 1992, 660 zu Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada 1981) hat der Senat herausgestellt, dass die Rückfallklausel im Methodenartikel des Abkommens zum Ziel hat, nicht mehr die sog. virtuelle Doppelbesteuerung, sondern nur die tatsächliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (dort Rz 20). Obwohl Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada 1981 lediglich danach fragt, ob Einkünfte "im anderen Vertragsstaat besteuert werden", hat der Senat maßgebend auf die tatsächliche Besteuerung der streitigen Einkünfte und damit auf die Zahlung eines entsprechenden Steuerbetrags abgestellt. Nachdem der Senat diese Rechtsprechung zwischenzeitlich aufgegeben hatte (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember 2003 I R 14/02, BFHE 204, 263, BStBl II 2004, 260), ist er nachfolgend wieder zu seinem ursprünglichen Abkommensverständnis zurückgekehrt (Senatsurteil vom 17. Oktober 2007 I R 96/06, BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953 zu Art. 24 Abs. 3 Buchst. a DBA-Italien 1989 und Abschn. 16 Buchst. d des dazu ergangenen Protokolls) und hat dabei insbesondere dem Wortlaut der fraglichen Abkommensbestimmungen ("effektiv nicht besteuert" bzw. "besteuert werden") keine weitergehende Bedeutung beigemessen (vgl. Senatsurteil in BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953, dort Rz 23). |
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Dieses Abkommensverständnis des Senats in Bezug auf Rückfallklauseln im Methodenartikel eines Abkommens ist auf die Rückfallklausel in den Verteilungsnormen eines Abkommens –im Streitfall Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973– zu übertragen. Der Senat versteht Art. 16 Abs. 1 DBA-Südafrika 1973 dabei als sog. Rückfallklausel, ohne dass der Vorschrift eine entsprechende Anordnung des Rückfalls des Besteuerungsrechts ausdrücklich zu entnehmen ist (vgl. insoweit auch Senatsurteile in BFHE 219, 534, BStBl II 2008, 953, und in BFHE 167, 496, BStBl II 1992, 660, betreffend den DBA-Methodenartikel). |
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Die vom Kläger angeführte Bestimmung des § 50d Abs. 8 EStG, die die Freistellung ausländischer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach dem Methodenartikel des jeweiligen Abkommens (auch) gewährt, wenn der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat, nimmt auf die Auslegung der hier maßgeblichen Abkommensvorschriften keinen Einfluss. |
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2. Die Revision ist hiernach auch soweit sie sich gegen den Bescheid über den Widerruf der Freistellungsbescheinigung vom 20. September 2011 richtet unbegründet. |
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. |
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