II B 23/15 – Verständnis des Begriffs "Lebenspartner" in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 ErbstG

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 1.10.2015, II B 23/15

Verständnis des Begriffs "Lebenspartner" in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 ErbstG

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28. Januar 2015  7 K 1217/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe

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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Frage, ob der in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) verwendete Begriff "Lebenspartner" im umgangssprachlichen Sinn oder als Rechtsbegriff im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes (LPartG) zu verstehen ist, ist nicht klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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a) In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bereits geklärt, dass unter dem u.a. in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 ErbStG verwendeten Begriff "Lebenspartner" nur Lebenspartner im Sinne des LPartG zu verstehen sind (BFH-Urteil vom 24. April 2013 II R 65/11, BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633). Der in § 1 Abs. 1 Satz 1 LPartG verwendete Rechtsbegriff "Lebenspartner" ist auf solche Partner(innen) gleichen Geschlechts beschränkt, die gegenüber dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, miteinander eine Partnerschaft auf Lebenszeit führen zu wollen. Die durch die Änderung des § 15 ErbStG aufgrund des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) herbeigeführte erbschaftsteuerrechtliche Gleichstellung von Ehegatten und Lebenspartnern war aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2010  1 BvR 611/07 u.a. (BVerfGE 126, 400) aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Das BVerfG hat zur Begründung darauf hingewiesen, dass eingetragene Lebenspartner wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft mit rechtlich verbindlicher Verantwortung für den Partner lebten. Lebenspartnern stünden Unterhaltsansprüche zu, die denjenigen von Ehegatten im Wesentlichen entsprächen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 400, Rz 96, 102 f.).
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b) Mit dem in der Beschwerdebegründung geltend gemachten umgangssprachlichen Begriffsverständnis einer auch Personen verschiedenen Geschlechts umfassenden Lebenspartnerschaft sowie dem in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 ErbStG fehlenden Hinweis auf eingetragene Lebenspartner werden keine gewichtigen neuen Gesichtspunkte geltend gemacht, die einer erneuten Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfen. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der im Gesetz zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers (dazu z.B. BFH-Urteil vom 21. Oktober 2010 IV R 23/08, BFHE 231, 544, BStBl II 2011, 277; Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz 232, jeweils m.w.N.) und nicht der umgangssprachliche Gehalt eines Begriffs. Hiernach ist der in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I Nr. 1 ErbStG verwendete Begriff "Lebenspartner" auf einen solchen im Sinne des LPartG beschränkt, weil aus verfassungsrechtlichen Gründen –nur– für einen für eine(n) solche(n) Lebenspartner(in) im Rahmen der Einteilung der Steuerklassen die Gleichstellung mit einem Ehegatten geboten ist. Die entsprechende Regelungsabsicht des Gesetzgebers kommt auch in der auf "Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit Ehegatten" ausgerichteten Gesetzesbegründung zum JStG 2010 (BTDrucks 17/2449, 2 und 35; vgl. auch BTDrucks 17/3449, 3) sowie darin zum Ausdruck, dass der in zahlreichen Bestimmungen des ErbStG verwendete Begriff "Lebenspartner" (vgl. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2, § 7 Abs. 1 Nr. 4, § 13 Abs. 1 Nr. 4a und 4b, § 15 Abs. 1 Steuerklasse II Nr. 7 und Abs. 3, § 17 Abs. 1, § 31 Abs. 3 und § 37 Abs. 5 ErbStG) nach dem jeweiligen systematischen Zusammenhang auf einen solchen im Sinne des LPartG zugeschnitten ist.
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2. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO im Hinblick darauf, dass gegen das die Auslegung des § 2 Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes betreffende BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 III R 14/05 (BFHE 246, 178, BStBl II 2014, 829) Verfassungsbeschwerde eingelegt wurde, kommt schon mangels Vorgreiflichkeit nicht in Betracht. Das BVerfG hat diese Verfassungsbeschwerde (2 BvR 1910/14) durch Beschluss vom 19. August 2015 nicht zur Entscheidung angenommen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Quelle: bundesfinanzhof.de