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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die bisherigen Feststellungen des FG tragen nicht das Ergebnis, dass der Nachteilsausgleich in Höhe von … EUR als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG anzusehen sei (dazu unter 1.). Aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen lässt sich auch nicht abschließend entscheiden, ob der Nachteilsausgleich eine Gegenleistung für ein Schweigen des Klägers darstellt und damit den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG unterfällt (dazu unter 2.). Die Sache ist nicht spruchreif (dazu unter 3.). |
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1. Die bisherigen Feststellungen des FG tragen nicht das Ergebnis, dass der auf der Grundlage von § 4 der Vereinbarung geleistete Nachteilsausgleich im Streitfall eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG darstellt. |
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a) Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Entschädigungen, die "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" gewährt worden sind, d.h. an die Stelle weggefallener oder wegfallender Einnahmen treten (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 18. Oktober 2011 IX R 58/10, BFHE 235, 423, BStBl II 2012, 286). Entsprechend seinem Wortlaut zählen dazu nicht Ersatzleistungen für jede beliebige Art von Schadensfolgen, sondern lediglich solche zur Abgeltung von erlittenen oder zu erwartenden Ausfällen an Einnahmen (vgl. BFH-Urteile vom 21. September 1993 IX R 32/90, BFH/NV 1994, 308; in BFHE 235, 423, BStBl II 2012, 286). Erfasst werden daher nur Entschädigungen, die Einnahmen ersetzen, nicht aber solche, die Ausgaben ausgleichen. Der Ersatz "für entgangene oder entgehende Einnahmen" setzt vom Wort- und Sinnverständnis voraus, dass Einnahmen gar nicht erst angefallen, sondern ausgefallen sind oder der Ausfall (künftig) entgehender Einnahmen zu erwarten ist; der Steuerpflichtige hat also die entsprechenden Einnahmen nicht oder noch nicht erhalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 423, BStBl II 2012, 286). |
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b) Das FG ist davon ausgegangen, dass die Vereinbarung der einheitlichen und endgültigen Abwicklung sämtlicher Ansprüche "aus dem Anstellungsverhältnis des Klägers" gedient habe. Die in dieser Vereinbarung geregelten Zahlungen –insbesondere die Zahlungen der Abfindung und des Nachteilsausgleichs– seien grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Es hätte jedenfalls zusätzlicher Anhaltspunkte dafür bedurft, dass ein Bestandteil der Vereinbarung nicht als Entschädigung für entgehende Einnahmen gezahlt worden sei. Solche Anhaltspunkte seien –so das FG– nicht zu erkennen. |
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c) Diese Annahme wird jedoch durch die bisherigen Sachverhaltsfeststellungen nicht hinreichend gedeckt. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass die Abfindung in Höhe von … EUR nach § 3 der Vereinbarung eine als Ersatz für entgehende Einnahmen gewährte Entschädigung des Klägers für mehrere Jahre darstellt. Vor dem Hintergrund, dass der im Zeitpunkt der Beendigung des Anstellungsverhältnisses 52-jährige Kläger bei der GmbH 20 Jahre für einen Bruttomonatsverdienst von zuletzt rund … EUR tätig gewesen war, befindet sich die ausgehandelte Abfindung in Höhe von … EUR –insbesondere wegen der günstigen arbeitsgerichtlichen Erfolgsaussichten– im oberen Bereich des gerichtsbekannt üblichen Rahmens. Dieser übliche Rahmen würde allerdings in besonderem Maße überschritten, wenn dem Abfindungsbetrag der Nachteilsausgleich in Höhe von … EUR ohne weitere Feststellungen hinzuaddiert würde. Das FG hat nicht gewürdigt, dass die Höhe des Nachteilsausgleichs den üblichen Rahmen von Abfindungen für einen Arbeitsplatzverlust außergewöhnlich überschreitet. |
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d) Anders als das FG und das FA meinen, ergibt sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung nicht typisierend die steuerrechtliche Gleichbehandlung des Nachteilsausgleichs mit der Abfindung. |
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aa) Der Grundsatz, dass Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, einheitlich zu beurteilen sind (s. BFH-Urteil vom 11. Mai 2010 IX R 39/09, BFH/NV 2010, 1801; BFH-Beschluss vom 4. März 2016 IX B 146/15, BFH/NV 2016, 925), entbindet nicht von der Prüfung, ob der Nachteilsausgleich "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden ist. Das FG hat zu diesem gesetzlich vorgegebenen Tatbestandsmerkmal keine Feststellungen getroffen. Ersatzleistungen für jede beliebige Art von Schadensfolgen würden beispielsweise nicht von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG erfasst. |
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bb) Abweichende Grundsätze folgen auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 16. November 2005 (XI R 32/04, GmbH-Rundschau –GmbHR– 2006, 389). In jenem Urteil hat der BFH zwar entschieden, dass Zahlungen grundsätzlich einheitlich zu beurteilen sind, wenn die Leistungen, die in einem Vergleich als Abfindung und als Schmerzensgeld wegen Rufschädigung bezeichnet werden, im Zusammenhang mit der Beendigung des Dienstverhältnisses für künftig entgehende Einnahmen zugesagt werden. Jener Entscheidung liegt jedoch ein durch Besonderheiten gekennzeichneter, nicht mit dem Streitfall vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Denn das FG hatte vorab mit einem rechtskräftig gewordenen Zwischenurteil vom 22. Februar 1999 (4 K 123/96, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, 768) für die Beteiligten (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO) und den BFH (§ 155 FGO i.V.m. § 318 der Zivilprozessordnung) bindend entschieden, dass es sich bei jener als Schmerzensgeld bezeichneten Zahlung nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), sondern um den Ersatz von Arbeitslohn i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG handelte. Der Streitfall liegt anders (s. oben 1.c). Im Übrigen hatte der BFH in jenem Urteil vom 16. November 2005 (in GmbHR 2006, 389) nur zu entscheiden, ob das FA zu Recht die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG für die vereinbarte Abfindung versagt hat und nicht, ob und inwieweit ein "Nachteilsausgleich" einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt. |
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2. Ebenso wenig tragen die bisherigen Feststellungen des FG das –hilfsweise angeführte– Ergebnis, dass der Nachteilsausgleich eine Gegenleistung für ein Schweigen des Klägers sei und damit den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG unterfalle. |
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a) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören. Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird. Kommt einer Verpflichtung zu einem Rechtsverzicht eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu und wird damit als Gegenleistung ein bestimmtes Tun, Dulden oder Unterlassen abgegolten, handelt es sich um eine eigenständige Leistung, die mangels Eingreifens anderer Einkünftetatbestände nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar sein kann. Indes führt nicht jede Einnahme, die durch einen Rechtsverzicht ausgelöst wird, auch zu Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Denn die Norm erfasst, ergänzend zu den übrigen Einkunftsarten, das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit und setzt wie diese die allgemeinen Merkmale des Erzielens von Einkünften nach § 2 EStG voraus (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 19. März 2013 IX R 65/10, BFH/NV 2013, 1085; vom 6. September 2016 IX R 27/15, BFHE 255, 176). |
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b) Das FG hat keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen, ob der Nachteilsausgleich für Leistungen des Klägers i.S. des § 22 Nr. 3 EStG gezahlt wurde. Die Würdigung des FG verletzt §§ 133, 157 BGB und bindet den Senat daher nicht nach § 118 Abs. 2 FGO (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. Oktober 2009 IX R 17/09, BFHE 227, 349, BStBl II 2010, 539; in BFH/NV 2013, 1085). Denn nach dem Wortlaut von § 4 der Vereinbarung sollte die Zahlung als "vollständiger Ausgleich für jegliche Schäden" erfolgen, die der Kläger infolge seiner Kündigung erlitten zu haben glaubt. Es fehlen insoweit jegliche Feststellungen des FG, dass der Nachteilsausgleich ein bestimmtes, wirtschaftlich eigenständiges Verhalten entgelten sollte. |
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3. Die Sache ist nicht spruchreif und wird deshalb an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Der Senat kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang der in § 4 vereinbarte Nachteilsausgleich einen Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG darstellt. Diese Feststellungen hat das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen. |
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a) Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Es fehlt beispielsweise an einem Ersatz für entgangene Einnahmen aus dem Anstellungsverhältnis, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Schaden ersetzt, den dieser infolge einer Verletzung arbeitsrechtlicher (Fürsorge-)Pflichten oder einer unerlaubten Handlung des Arbeitgebers z.B. an einem immateriellen Wirtschaftsgut erlitten hat. Denn damit werden nicht die Dienste des Arbeitnehmers vergütet, sondern ein vom Arbeitgeber verursachter Schaden ausgeglichen (vgl. BFH-Urteile vom 20. September 1996 VI R 57/95, BFHE 181, 298, BStBl II 1997, 144; vom 24. Mai 2000 VI R 17/96, BFHE 192, 293, BStBl II 2000, 584; BFH-Beschluss vom 26. August 2016 VI B 95/15, BFH/NV 2016, 1726). |
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b) Soweit das FG zu dem Ergebnis käme, dass der Nachteilsausgleich zugleich steuerbare und nicht steuerbare Entschädigungen enthält und eine genaue Zuordnung nicht möglich ist, hat es sachgerecht zu schätzen, in welcher Höhe die einzelnen Ansprüche in dem Nachteilsausgleich enthalten sind. |
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c) Ggf. wird das FG im zweiten Rechtsgang auch die Feststellungen nachzuholen haben, ob und in welchem Umfang der Nachteilsausgleich –neben dem Entschädigungszweck– als (selbständige) Gegenleistung für vom Kläger versprochene Verhaltenspflichten dienen sollte. |
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. |
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