Keine Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen an die BAföG-beziehende Lebensgefährtin als außergewöhnliche Belastung

Urteil vom 31. März 2021, VI R 2/19

ECLI:DE:BFH:2021:U.310321.VIR2.19.0

BFH VI. Senat

EStG § 33a Abs 1 , EStG § 33 , BAföG § 11 , SGB 2 § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 , SGB 2 § 7 Abs 5 , SGB 2 § 9 Abs 1 , SGB 12 § 22 Abs 1 , EStG VZ 2014 , EStG § 33a Abs 1

vorgehend Sächsisches Finanzgericht , 19. November 2018, Az: 6 K 1082/17

Leitsätze

Unterhaltsleistungen an die Lebensgefährtin sind nicht nach § 33a Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn diese nicht wegen der Unterhaltsleistungen, sondern wegen des Bezugs von BAföG keinen Anspruch auf Sozialleistungen hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 19.11.2018 – 6 K 1082/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I. Streitig ist die Abziehbarkeit von Unterhaltszahlungen nach § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde für das Streitjahr (2014) zur Einkommensteuer einzeln veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und führte mit seiner damaligen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau (E) in eheähnlicher Gemeinschaft einen gemeinsamen Haushalt. E befand sich im Streitjahr in universitärer Ausbildung und war an der Universität … immatrikuliert. Sie bezog im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 2.192 €. Ferner erhielt sie eine elternunabhängige Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), wovon ihr im Streitjahr monatlich 670 € ausgezahlt wurden. Die Ausbildungsförderung wurde jeweils zur Hälfte als Zuschuss und als Darlehen gewährt.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Unterhaltsaufwendungen für E in Höhe von 6.000 € gemäß § 33a EStG geltend. Er habe den überwiegenden Teil ihrer monatlichen Lebenshaltungskosten getragen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) veranlagte den Kläger im Wesentlichen erklärungsgemäß, berücksichtigte aber die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen nicht. Der Einspruch hiergegen blieb ohne Erfolg.

Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 626 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen FG vom 19.11.2018 – 6 K 1082/17 sowie die Einspruchsentscheidung vom 05.07.2017 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 25.01.2017 dahingehend zu ändern, dass Unterhaltszahlungen in Höhe von 6.000 € als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG anerkannt werden.

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die geltend gemachten Unterhaltsaufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a EStG berücksichtigt.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt und eine etwaige Berufsausbildung einer dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer –unter weiteren Voraussetzungen– dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 8.354 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung). Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).

2. Das FG hat zutreffend entschieden, dass bei der streitigen Einkommensteuerfestsetzung keine Unterhaltsaufwendungen des Klägers an E als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sind. Denn bei E handelt es sich weder um eine gesetzlich unterhaltsberechtigte noch um eine einer solchen i.S. von § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG gleichgestellte Person.

a) Dass E dem Kläger gegenüber im Streitjahr gesetzlich (zivilrechtlich) nicht unterhaltsberechtigt war, steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Der Senat sieht deshalb insoweit von weiteren Ausführungen ab.

b) E ist auch keiner gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt. Denn ihr sind keine zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf etwaige Unterhaltsleistungen des Klägers gekürzt worden.

aa) Seit der Änderung der Vorschrift durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001 (BStBl I 2002, 4) –Ersetzen des Wortes „soweit“ durch „wenn“– ist nicht erforderlich, dass beantragte Sozialleistungen tatsächlich gekürzt oder abgelehnt wurden; es reicht aus, dass die unterhaltene Person wegen der Unterhaltsleistungen keinen Anspruch auf Sozialleistungen hat (BTDrucks 14/6877, S. 26; Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29.05.2008 – III R 23/07, BFHE 222, 250, BStBl II 2009, 363, unter II.1., und Senatsurteil vom 09.03.2017 – VI R 16/16, BFHE 257, 279, BStBl II 2017, 890, Rz 15, jeweils m.w.N.).

bb) Im Streitfall hatte E keinen Anspruch auf Sozialleistungen. Dieser Umstand gründet jedoch nicht auf etwaigen Unterhaltsleistungen des Klägers, sondern auf ihrem Bezug von Leistungen nach dem BAföG. Gemäß § 7 Abs. 5 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), § 22 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII), § 11 Abs. 1 BAföG sind im Regel- und damit auch im Streitfall Ansprüche des „Auszubildenden“ –hier der E– auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe ausgeschlossen. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht streitig. Daher sieht der Senat auch insoweit von weiteren Ausführungen ab.

3. Soweit sich der Kläger darauf beruft, er habe die geringverdienende E im Rahmen der eheähnlichen Lebensgemeinschaft wie bei einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer –wegen der vermeintlich nicht auskömmlichen und teilweise nur darlehensweise gewährten Leistungen nach dem BAföG entstandenen– sittlichen Zwangslage unterhalten müssen, kommt ein Abzug der streitigen Unterhaltsaufwendungen ebenfalls nicht in Betracht. Denn der Abzug von Unterhaltsleistungen aufgrund sittlicher Verpflichtung ist seit der Änderung des § 33a Abs. 1 EStG durch das Jahressteuergesetz (JStG) 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) ausgeschlossen (BFH-Urteil vom 23.10.2002 – III R 57/99, BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187).

a) Nach § 33a Abs. 1 i.V.m. § 33 Abs. 2 EStG i.d.F. vor dem JStG 1996 waren Unterhaltsleistungen in bestimmtem Umfang abziehbar, wenn sie dem Steuerpflichtigen aus rechtlichen, sittlichen oder tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstanden waren. Mit der Anknüpfung an die zivilrechtliche Unterhaltspflicht in § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 sollte der Begriff der Zwangsläufigkeit bei Unterhaltsleistungen eingeschränkt werden. Den Finanzbehörden sollte die aufwändige Prüfung erspart werden, ob eine sittliche Verpflichtung besteht; gleichzeitig sollte mit der Änderung auch der Einheitlichkeit der Rechtsordnung Rechnung getragen werden (BTDrucks 13/1686, S. 42).

b) Wie der Hinweis in der Gesetzesbegründung auf nichteheliche Lebensgemeinschaften zeigt (BTDrucks 13/1686, S. 42), knüpft § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 an die Rechtsprechung des BFH zum Abzug von Unterhaltszahlungen an den bedürftigen Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft an. Der BFH hatte die Unterhaltszahlungen zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zugelassen, wenn der unterstützte Partner wegen seines Zusammenlebens mit dem unterstützenden Partner gemäß § 137 Abs. 2a des Arbeitsförderungsgesetzes bzw. § 193 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch keine Arbeitslosenhilfe oder gemäß § 122 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) keine Sozialhilfe erhalten hatte. Der BFH war der Auffassung, der Bedürftige werde aufgrund dieser Vorschriften praktisch auf das Einkommen seines Lebenspartners verwiesen; dieser sei deshalb sittlich verpflichtet, für dessen Lebensunterhalt zu sorgen (s. BFH-Urteile vom 30.07.1993 – III R 38/92, BFHE 174, 19, BStBl II 1994, 442; vom 21.09.1993 – III R 15/93, BFHE 172, 516, BStBl II 1994, 236, und vom 04.08.1994 – III R 62/93, BFHE 175, 127, BStBl II 1994, 897).

c) Da der Abzug von Unterhaltsleistungen aufgrund sittlicher Verpflichtung durch die Änderung des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. vor dem JStG 1996 ausgeschlossen wurde, hätten Unterhaltsleistungen an bedürftige Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft ohne eine besondere Regelung steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Deshalb wurden in § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 (jetzt Satz 3) diejenigen Personen gesetzlich Unterhaltsberechtigten gleichgestellt, deren Sozialleistungen „mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden“. Da grundsätzlich nur noch aus rechtlichen Gründen zwangsläufige Unterhaltsleistungen abziehbar sein sollen, ist diese Formulierung dahin auszulegen, dass „freiwillige“ Unterhaltszahlungen steuerlich nur dann wie zivilrechtlich geschuldete Unterhaltszahlungen zu behandeln sind, wenn für den Unterhalt Leistenden eine vergleichbare Zwangslage wie bei einem gesetzlich Unterhaltsverpflichteten gegeben ist. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des BFH nur in den Fällen anzunehmen, in denen gesetzlich unwiderlegbar vermutet wird, dass der Unterhalt durch eine andere Person –z.B. den Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl. bis 31.12.2004 § 122 BSHG) oder einen in der Haushaltsgemeinschaft lebenden Verwandten oder Verschwägerten (vgl. bis 31.12.2004 § 16 BSHG)– sichergestellt ist, und deshalb zum Unterhalt bestimmte öffentliche Mittel gekürzt werden (BFH-Urteil in BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187, unter II.2.c aa). Entsprechendes gilt (ab 01.01.2005), wenn die Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft eine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II) bilden (Senatsurteil in BFHE 257, 279, BStBl II 2017, 890, Rz 14, jeweils m.w.N.). Verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet dies nicht (s. BFH-Urteil in BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187, unter II.2.c dd).

Da E im Streitfall wegen etwaiger Unterhaltsleistungen des Klägers weder einen Anspruch auf Sozialleistungen verloren hat noch ein solcher deshalb gekürzt wurde, befand sich der Kläger folglich nicht in einer vergleichbaren Zwangslage wie der gesetzlich zum Unterhalt Verpflichtete.

d) Entgegenstehendes ergibt sich –entgegen der Auffassung des Klägers– auch nicht aus dem Urteil des FG Düsseldorf vom 26.03.2014 – 7 K 3168/13 E (EFG 2014, 1487). Dies ist zu § 33a Abs. 1 Satz 7 EStG (anteilige Aufteilung des Unterhaltshöchstbetrages bei Unterhaltsaufwendungen von mehreren Steuerpflichtigen) und damit zu einem anderen Sachverhalt ergangen. Zudem ist die Entscheidung betreffend die Rechtsgrundsätze zu Personen, die –wie der Kläger und E– in einer Haushalts-, nicht aber in einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft leben, überholt (s. Senatsurteil vom 28.04.2020 – VI R 43/17, BFHE 269, 1, BStBl II 2021, 209).

e) Eine Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen nach § 33 EStG kommt selbst bei Annahme einer sittlichen Verpflichtung, E zu unterhalten, nicht in Betracht. Für die Fallgruppe der typischen Unterhaltsaufwendungen enthält § 33a Abs. 4 EStG eine abschließende Regelung (BFH-Urteil in BFHE 201, 31, BStBl II 2003, 187, unter II.3., m.w.N.).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.