BFH-Urteil vom 4.10.1989 (II R 72/86) BStBl. 1989 II S. 962

BFH-Urteil vom 4.10.1989 (II R 72/86) BStBl. 1989 II S. 962

Sogenannte Bauzeitzinsen (eigene Finanzierungskosten) haben bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens keinen Einfluß auf den Teilwert der betreffenden finanzierten Wirtschaftsgüter.

BewG § 10, § 109 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

 

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob sog. Bauzeitzinsen bei der Einheitsbewertung den Teilwert von Wirtschaftsgütern des beweglichen Anlagevermögens beeinflussen.

Die Klägerin hatte u.a. in den Jahren 1970 bis 1973 den Bau solcher Wirtschaftsgüter mit Krediten finanziert und die hierfür gezahlten Zinsen (Bauzeitzinsen) in ihren Bilanzen bei den Sachanlagen aktiviert. In ihren Vermögensaufstellungen zum 1. Januar 1971 bis 1974 setzte sie dagegen diese Zinsbeträge bei dem Anlagevermögen nicht mit an.

Das beklagte Finanzamt (FA) war der Auffassung, die Zinsen seien auch bei der Einheitsbewertung für die Bemessung des Teilwertes nach § 10 und § 109 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu berücksichtigen. Es stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1971 bis 1974 dementsprechend fest. Auf dieser Grundlage erhob es auch die Vermögensteuer für die Jahre 1971 bis 1974.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

 

II.

1. Das FG-Urteil muß insoweit aufgehoben werden, als es die Vermögensteuer für die Jahre 1971 bis 1974 anderweitig festgesetzt hat. Die Klägerin hat keine Klage gegen diese Vermögensteuerbescheide erhoben. (Sie müssen vom FA nach Änderung der Einheitswertbescheide gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO 1977 – geändert werden.) Streitig war in diesem Verfahren nur die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1971 bis 1. Januar 1974.

2. Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht bei der Ermittlung des Teilwertes der betreffenden Wirtschaftsgüter nach § 10 und § 109 Abs. 1 BewG die Bauzeitzinsen nicht berücksichtigt.

Der Begriff des Teilwertes ist zwar nicht identisch mit demjenigen der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (vermindert um etwaige Absetzungen für Abnutzung – AfA -), wie die Gegenüberstellung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zeigt. Trotzdem hat die Rechtsprechung die Vermutung aufgestellt, daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung dem Teilwert entsprechen und der Teilwert zu einem späteren Zeitpunkt den Wiederbeschaffungskosten bzw. bei bestimmten Wirtschaftsgütern ohne Marktpreis den um die AfA verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 12. April 1989 II R 213/85, BFHE 156, 507, BStBl II 1989, 545 m.w.N.). Entsprechend dieser hier vom FA nicht angegriffenen Vermutung ist auch im vorliegenden Fall für die Ermittlung des Teilwertes von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der betreffenden Wirtschaftsgüter auszugehen. Der Teilwert kann allerdings auch Kostenarten mitumfassen, die nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gehören, wie z.B. Vertriebskosten, die auf das zu bewertende Wirtschaftsgut schon aufgewendet worden sind (vgl. das BFH-Urteil vom 20. Juli 1973 III R 100-101/72, BFHE 110, 203, BStBl II 1973, 794). Zu diesen Kosten gehören aber nicht die eigenen Finanzierungskosten (Geldbeschaffungskosten), die hier in Form der Bauzeitzinsen angefallen sind (BFH-Urteile vom 24. Mai 1968 VI R 6/67, BFHE 92, 400, BStBl II 1968, 574, und vom 17. Februar 1981 VIII R 95/80, BFHE 133, 37, BStBl II 1981, 466). Denn sie sind nicht Herstellungsaufwand für das erzeugte Wirtschaftsgut, sondern Kosten für die Beschaffung des Kredites, mit dessen Mitteln der Herstellungsaufwand finanziert wird.

Das FA wendet ein, die Klägerin habe ertragsteuerrechtlich wählen können, ob sie die Bauzeitzinsen in ihren Bilanzen aktiviere oder nicht. Sie habe dieses Wahlrecht ausgeübt und müsse das auch für die Einheitsbewertung gelten lassen. Hierzu beruft sich das FA auf entsprechende Verwaltungsanweisungen. Dieser Einwand ist unbegründet.

Nach Verwaltungsanweisungen können die Bauzeitzinsen ertragsteuerrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen aktiviert werden (vgl. Einkommensteuer-Richtlinien 1975 Abschn. 33 Abs. 7, und das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 24. Februar 1975 an die Finanzminister und Finanzsenatoren der Länder, BStBl I 1975, 212). Hat ein Steuerpflichtiger entsprechend diesem Wahlrecht in seinen Bilanzen Bauzeitzinsen aktiviert, so ergibt sich daraus jedoch keine irgendwie geartete Bindung für die Einheitsbewertung.

Das vorgenannte Wahlrecht ist ertragsteuerrechtlich unbedenklich, weil es allenfalls Verlagerungen des zu erfassenden Ertrages verursachen kann. Dagegen kann bei der hier streitigen Einheitsbewertung nicht darauf verzichtet werden, den Wert der Vermögensgegenstände möglichst zutreffend zu ermitteln. Der Senat hat bereits entschieden, daß die sog. Teilwertvermutung nicht gilt, wenn die AfA eines Wirtschaftsgutes nicht nach der linearen Methode berechnet worden sind. Die Entscheidung über die Wahl der Absetzungsmethode werde häufig durch Überlegungen beeinflußt, die nichts mit der Frage der Berücksichtigung des richtigen Wertverzehrs zu tun haben (BFH-Urteil vom 30. November 1988 II R 237/83, BFHE 155, 140, BStBl II 1989, 183).

Dementsprechend hat auch im vorliegenden Fall die der Klägerin eingeräumte Möglichkeit, bei der Bemessung der Ertragsteuern nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählende Bauzeitzinsen zu aktivieren, für die Einheitsbewertung keine Bedeutung. Es spricht nichts dafür, daß der Teilwert durch die Bauzeitzinsen beeinflußt sein könnte.


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