BFH-Urteil vom 28.8.1987 (III R 88/82) BStBl. 1987 II S. 789

BFH-Urteil vom 28.8.1987 (III R 88/82) BStBl. 1987 II S. 789

Die Cellophanumhüllung, mit der eine Tonbandkassette versehen ist, gehört als sog. Außenverpackung zum Vertriebsbereich.

Eine Cellophan-Einschlagmaschine, welche die Kassette mit der Umhüllung versieht, dient deshalb nicht mehr unmittelbar oder mittelbar der Fertigung i. S. des § 19 BerlinFG.

BerlinFG § 19 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

 

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) produziert und vertreibt Tonbandkassetten einschließlich der dazugehörigen Aufbewahrungsboxen. Im Streitjahr 1978 erwarb sie eine Cellophan-Einschlagmaschine, mit der sie die Kassetten mit einer Cellophanumhüllung versieht.

Die Klägerin beantragte für die Maschine die erhöhte Zulage von 25 v. H. nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 a des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) mit der Begründung, daß die Maschine unmittelbar der Fertigung diene. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA -) gewährte der Klägerin nur die Grundzulage und wies den darüber hinausgehenden Antrag ab. Er war der Auffassung, das Umhüllen gehöre nicht mehr zur Herstellung, sondern zum Vertrieb. Denn die Umhüllung habe den Zweck, die Kassette auf dem Weg zum Verbraucher vor Beschädigung und Verschmutzung zu schützen. Auch der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte die Klägerin geltend: Entgegen der Auffassung des FA habe die Umhüllung nicht den Zweck, die Kassette auf dem Weg zum Verbraucher vor Beschädigung und Verschmutzung zu schützen (sog. Außenverpackung). Sie gebe dem Käufer vielmehr die Gewißheit, eine unbenutzte Kassette zu erwerben. Sie unterscheide sich so von Kassetten, die auf dem Markt unverpackt angeboten würden. In der cellophanverpackten Kassette sehe der Käufer ein höherwertiges Gut, während die unverpackte Kassette als Billigware gelte. Das höherwertige Wirtschaftsgut sei erst verkaufsreif (verkaufsfertig), wenn es mit der Umhüllung versehen sei. Die Umhüllung gehöre somit noch zum Fertigungsprozeß und sei deshalb eine sog. Innenverpackung.

Die Klage blieb ebenfalls erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus: Zu den Herstellungskosten gehörten die Aufwendungen, die notwendig seien, um ein Wirtschaftsgut ver- oder gebrauchsfähig zu machen. Diese Aufwendungen wirkten sich im allgemeinen auf das Wirtschaftsgut wertbildend, häufig sogar werterhöhend aus. Danach gehöre die Verpackung grundsätzlich nicht mehr zur Herstellung; denn das Wirtschaftsgut sei in der Regel bereits ohne die Verpackung ge- oder verbrauchsfähig. Eine Ausnahme bestehe bei Produkten, die aufgrund ihrer Eigenart einer Umschließung bedürften, um in den Verkehr gebracht werden zu können (Bier in Flaschen, Milch in Tüten, Seifenpulver in Kartons, Zahnpasta in Tuben). Bei diesen Erzeugnissen gehöre die Umschließung nach der Verkehrsauffassung zur Ware, und ihre Kosten seien Herstellungs- und keine Vertriebskosten.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts sowie einen Verfahrensfehler.

Sie beantragt, das Urteil des FG Berlin vom 13. Mai 1982 aufzuheben und die Investitionszulage abweichend von dem Bescheid festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückweisen.

Entscheidungsgründe

 

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 a BerlinFG in der für das Streitjahr geltenden Fassung erhöht sich die Berlinzulage für abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die in einem Betrieb (einer Betriebsstätte) des verarbeitenden Gewerbes – ausgenommen Baugewerbe – unmittelbar oder mittelbar der Fertigung dienen, auf 25 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Ein Wirtschaftsgut (z. B. eine Maschine) dient unmittelbar oder mittelbar der Fertigung, wenn sein Wertverzehr in Form der Absetzung für Abnutzung (AfA) in die Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingeht (ständige Rechtsprechung; vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 29. März 1976 III R 171/72, BFHE 118, 514, BStBl II 1976, 409; vom 3. März 1978 III R 30/76, BFHE 125, 70, BStBl II 1978, 412, und III R 46/76, BFHE 125, 73, BStBl II 1978, 413). Im Streitfall sind die Vertriebskosten von den Herstellungskosten abzugrenzen. Vertriebskosten gehören weder handelsrechtlich (vgl. § 153 Abs. 2 des Aktiengesetzes – AktG – a. F., § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches – HGB – n. F.) noch steuerrechtlich (vgl. Abschn. 33 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien – EStR -) zu den Herstellungskosten.

2. Das Abgrenzungsproblem tritt hier unter dem Gesichtspunkt von Verpackungskosten in Erscheinung. Verpackungskosten können im Einzelfall Herstellungskosten oder Vertriebskosten sein. Der Senat hat in seinen Entscheidungen in BFHE 125, 70, BStBl II 1978, 412 und BFHE 125, 73, BStBl II 1978, 413 zu diesem Abgrenzungsproblem bereits grundsätzlich Stellung genommen. Er rechnet im Anschluß insbesondere an Schindele (Die Steuerliche Betriebsprüfung – StBp – 1963, 162, 163) die Kosten für die sog. Innenverpackung einer Ware zu deren Herstellungskosten und die Kosten für die sog. Außenverpackung zu den Vertriebskosten. An die Unterscheidung zwischen Außenverpackung und Innenverpackung als Unterscheidungsmerkmal knüpfen auch an: Heuer in Herrmann/Heuer/Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 1.000 Stichwort „Verpackungskosten“); Blümich/Falk (Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 6 Anm. 572); Meincke in Littmann/Bitz/Meincke (Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 6 Anm. 125) und Mathiak in Werte und Wertermittlung im Steuerrecht 1984, 131. Grundsätzlich zählen Verpackungskosten zu den Vertriebskosten. Denn sie haben nicht den Zweck, ein Gut ge- oder verbrauchsfähig zu machen, sondern sie dienen in der Regel dazu, eine bereits ge- oder verbrauchsfertig hergestellte Ware beim Vertrieb auf dem Weg zum Verbraucher gegen Beschädigung jeglicher Art zu schützen. Eine Ausnahme besteht nach der Verkehrsauffassung dann, wenn aufgrund der Eigenart eines Erzeugnisses eine bestimmte Verpackung notwendig ist, um das Erzeugnis in den Handel bringen zu können (z. B. Bier in Flaschen, Milch in Tüten, Waschpulver in Kartons, Zahnpasta in Tuben). In diesen Fällen liegt eine sog. Innenverpackung vor.

3. Von diesen Grundsätzen ist das FG bei seiner Entscheidung ausgegangen. Es hat zu Recht die Umhüllung, mit der die Klägerin die einzelne Kassette mit Hilfe der angeschafften Maschine mit einer Cellophanfolie versieht, als eine Außenverpackung angesehen. Denn mit der Herstellung ist die einzelne Kassette gebrauchsfähig. Die Umhüllung hat dagegen mit der eigentlichen technischen Herstellung der Kassette nichts mehr zu tun. Durch sie wird deren Gebrauchsfähigkeit nicht hergestellt oder erhöht. Das wird daran deutlich, daß die Umhüllung nach dem Erwerb der Kassette vom Käufer zerstört und weggeworfen wird, ohne daß sie für die Verkaufsfähigkeit der Kassette schlechthin unerläßlich gewesen wäre. Das FG hat es deshalb auch zutreffend offengelassen, ob die Umhüllung, wie das FA meint, mehr dem Schutz der Kassette vor Beschädigung und Verschmutzung auf dem Weg zum Verbraucher dient, oder ob sie, wie die Klägerin behauptet, vorwiegend oder gar ausschließlich sicherstellen soll, daß sie auf dem Weg von der Fabrik bis zum Endverbraucher nicht benutzt ist. Denn eine Verpackung, die nur der Verschmutzungs- oder Benutzungsgefahr vorbeugen soll, hat mit der eigentlichen technischen Herstellung nichts mehr zu tun; sie dient nicht mehr der Werterhöhung einer Ware, sondern schützt sie vor Wertverlust.

4. Demgegenüber sind die Einwendungen der Klägerin unbegründet.

a) Sie macht geltend, dem Käufer einer umhüllten Kassette sei daran gelegen, eine Kassette mit höherer Tonreinheit und mit der Gewähr zu erwerben, daß sie noch nicht gebraucht ist. Er sei bereit, die Umhüllung mit einem höheren Preis zu honorieren. Er zuerkenne damit dem Gut einen höheren Wert. Das rechtfertige es, die Umhüllung als Teil der Herstellung der Kassette zuzurechnen. Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Es mag sein, daß dem Käufer durch den Erwerb einer umhüllten Kassette höhere Anschaffungskosten entstehen. Die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Ware hergestellt ist, beurteilt sich aber nicht aus der Sicht des Erwerbers. Es ist vielmehr auf das Gut selbst abzustellen, und entscheidend ist der Zeitpunkt der technischen Fertigstellung und der Gebrauchs- und Verbrauchsfähigkeit des Guts. Dieser Zeitpunkt ist aber für die umhüllte und die nicht verpackte Kassette nicht unterschiedlich zu beantworten.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ändert an der Umhüllung als einer dem Absatzbereich zuzuordnenden Maßnahme auch nichts der Umstand, daß der Kunde Kassetten sowohl einzeln als auch im Zehnerpack kaufen kann und diese zehn Kassetten nochmals mit einer Folie eingeschweißt sind. Diese Folie ist eine zusätzliche Maßnahme eines erleichterten Absatzes; sie macht die Umhüllung der einzelnen Kassette nicht zur Innenverpackung.

c) Auch die Qualität der Umhüllung spielt keine Rolle. Es ist deshalb im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, daß die Kassette, wie die Klägerin behauptet, mit einer qualitätsmäßig besseren, nämlich einer Cellophanumhüllung versehen ist, gegenüber losen Schrumpffolien, wie z. B. bei höherwertigen Büchern und Schallplatten üblich. Aus diesem Grund war auch das FG nicht verpflichtet, über die Qualität der Umhüllung Beweis zu erheben; die diesbezügliche Verfahrensrüge der Klägerin erweist sich als unbegründet.

d) Ein anderes Ergebnis ist auch nicht im Hinblick darauf möglich, daß die Berliner Wirtschaft durch die erhöhte Zulage besonders gefördert werden soll. An die gesetzespolitische Entscheidung, daß die erhöhte Zulage nur für Herstellungskosten im Fertigungsbereich (nicht für Vertriebskosten) gewährt werden soll, ist der Senat gebunden.


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