BFH-Beschluß vom 16.9.1987 (II R 84/86) BStBl. 1987 II S. 826

BFH-Beschluß vom 16.9.1987 (II R 84/86) BStBl. 1987 II S. 826

Ein Erwerbsvorgang wird nicht im Sinne des § 34 GrEStG RP (= § 17 GrEStG 1940) bzw. § 16 GrEStG 1983 rückgängig gemacht, wenn der Käufer durch den anschließenden Verkauf des Grundstücks an einen Dritten wirtschaftliche Vorteile hat, die über eine Vermittlungsprovision hinausgehen (Anschluß an die BFH-Urteile vom 16. Dezember 1981 II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269, und vom 4. Dezember 1985 II R 171/84, BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271).

GrEStG RP § 34 (= § 17 GrEStG 1940); GrEStG 1983 § 16.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

[Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 7 BFH-EntlG]

Entscheidungsgründe

 

Die Entscheidung ergeht gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 14. Dezember 1984 (BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8). Der Senat hält einstimmig die im zweiten Rechtsgang eingelegte Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind unterrichtet und gehört worden.

1. Die fünf Kaufverträge vom 3. und 5. November 1982 (vgl. das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 4. Dezember 1985 II R 171/84, BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271) sind – wie das Finanzgericht (FG) zu Recht ausgeführt hat – nicht im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG RP) und des § 16 Nr. 1 GrEStG 1983 rückgängig gemacht worden. Trotz der formalen Aufhebung der Kaufverträge (durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 25. Januar 1983) war die X-GmbH nicht derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen worden, daß sie ihre frühere Rechtsstellung hinsichtlich der Eigentumswohnungen zurückerhalten hatte. Vielmehr mußte sie – zumindest auch – im Interesse der Klägerin einen Ersatzkäufer suchen. Denn nach den insoweit mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des FG wollte die geldgebende Bank die Appartementanlage erst dann finanzieren, wenn schon ein Teil der Appartements verkauft war. Um die Finanzierung des Projektes zu sichern und damit den Auftrag zur Errichtung der Appartementanlage zu erhalten, hatte sich die Klägerin gegenüber der X-GmbH verpflichtet, 60 Appartements auf dem Markt unterzubringen. Zur Erreichung dieses Zieles hatten – mangels anderer Käufer – schließlich die Klägerin und ihre damalige Geschäftsführerin je fünf Appartements erworben. Nachdem der Erwerb der Klägerin mit den fünf Verträgen vom 3. und 5. November 1982 wegen der Meinungsverschiedenheiten der Gesellschafter nicht durchgeführt werden konnte, war – zumindest auch im Interesse der Klägerin – ein Ersatzkäufer notwendig; denn andernfalls wäre die Finanzierung des Projekts und damit der Auftrag für die Klägerin zur Errichtung der Appartementanlage gefährdet gewesen. Die Rolle dieses Ersatzkäufers übernahm die Geschäftsführerin der Klägerin, die anstelle der Klägerin noch weitere fünf Appartements erwarb.

Dieses Interesse der Klägerin an dem anderweitigen Verkauf der fünf Eigentumswohnungen an die Geschäftsführerin reicht aus, um die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (jetzt § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) zu versagen. Denn wenn die fünf Eigentumswohnungen im Interesse der Klägerin an ihre Geschäftsführerin verkauft wurden, dann hatte die X-GmbH nicht ihre ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt, wie die vorgenannte Steuervergünstigung voraussetzt (vgl. das BFH-Urteil vom 6. Oktober 1976 II R 131/74, BFHE 120, 557, BStBl II 1977, 253). Zwar sind Ausnahmen von diesem Grundsatz möglich. Sie sind bedingt durch die Abgrenzung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) zu den Nrn. 6 und 7 des § 2 Abs. 1 GrEStG RP (§ 1 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 GrEStG 1983), auf welche der Senat in seinem zurückverweisenden Urteil in BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271 hingewiesen hat. Würde die Benennung eines Ersatzkäufers durch den ursprünglichen Käufer nicht diese letztgenannten Vorschriften erfüllen, dann könnte sie auch nicht die Anwendung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) hindern. Dementsprechend ist das Interesse des ursprünglichen Käufers nur an der Provision für die Vermittlung des Ersatzkäufers grunderwerbsteuerrechtlich unschädlich (BFH-Urteile vom 16. April 1980 II R 141/77, BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525, und vom 16. Dezember 1981 II R 109/80, BFHE 135, 90, BStBl II 1982, 269). Das FG hat aber zu Recht darauf hingewiesen, daß im vorliegenden Fall das Interesse der Klägerin über dieses vorgenannte unschädliche Mindestmaß hinausging. Sie wollte die Finanzierung des Projektes und damit den ihr erteilten Auftrag zur Errichtung der Appartementanlage sichern, verfolgte also eigenwirtschaftliche Interessen im Sinne der beiden vorgenannten Urteile.

Unerheblich ist demnach, ob und inwieweit im vorliegenden Fall auch die X-GmbH eigene Interessen verfolgte, indem sie auf der Benennung eines Ersatzkäufers bestand. Denn das vorgenannte Eigeninteresse der Klägerin an dem Ersatzverkauf schließt ungeachtet eines ähnlichen Interesses der X-GmbH die Anwendung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG RP (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) aus.

2. a) Die Klägerin meint zwar in ihrer Revisionsbegründung, die vorgenannten (fortbestehenden) vertraglichen Bindungen des Verkäufers müßten sich „aus dem konkret zu beurteilenden Grundstückskaufvertrag ergeben“. Es reiche daher nicht aus, wenn diese Bindung – wie im vorliegenden Fall – nur in „außerhalb des konkreten Grundstückskaufvertrages liegenden Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Verkäuferin“ begründet seien. Mit dieser Argumentation übersieht die Klägerin jedoch, daß die Rechtsprechung des Senats zu § 17 GrEStG 1940 (= § 34 GrEStG RP und § 16 GrEStG 1983) überhaupt nur solche Fälle betrifft, in denen der Kaufvertrag (formal) wieder aufgehoben wurde, so daß aus ihm bürgerlich-rechtlich keine Bindungen mehr herzuleiten waren. (Andernfalls wären unstreitig die Voraussetzungen der vorgenannten Steuervergünstigungen nicht erfüllt.) Dementsprechend hat der Senat zu § 17 GrEStG 1940 jeweils entschieden, die Vertragspartner müßten derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen werden, daß die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. das schon in der zurückverweisenden Entscheidung in BFHE 145, 448, BStBl II 1986, 271 zitierte Urteil in BFHE 120, 557, BStBl II 1977, 253). Die genannte Vorschrift greift damit nicht ein, wenn die vertraglichen Bindungen des Verkäufers aus dem aufgehobenen Grundstückskaufvertrag durch eine andere vertragliche Bindung (aus dem neu abgeschlossenen Vertrag mit dem Dritten) ersetzt werden. Das ist auch im vorliegenden Fall geschehen. Die fortdauernde Bindung der X-GmbH ergab sich aus dem mit der Geschäftsführerin der Klägerin abgeschlossenen Vertrag vom 25. Januar 1983.

b) Entgegen der Ansicht der Klägerin reicht es für die vorliegende Entscheidung auch aus, daß die Klägerin zwar die Übertragung der Eigentumswohnungen auf einen zahlungsfähigen Dritten anstrebte, die Person dieses Dritten ihr aber im übrigen gleichgültig war. Zwar lagen die bisher vom Senat entschiedenen Sachverhalte regelmäßig so, daß der ursprüngliche Käufer die Übertragung des Grundstücks auf einen bestimmten Dritten verlangte. Jedoch unterscheiden sich solche Fälle nicht von denjenigen, in denen der Verkäufer den Ersatzkäufer aus einem Personenkreis (z. B. Mitglieder einer Familie oder einer Gesellschaft) auswählen muß oder darf oder gar an einen beliebigen Dritten verkaufen kann, sofern nur dies jeweils auf Verlangen des ursprünglichen Käufers geschieht. Denn in all diesen Fällen erhält der Verkäufer nach der Aufhebung des Kaufvertrages nicht seine ursprüngliche Rechtsstellung zurück, weil er das Grundstück nicht selbst behalten darf.

c) Unerheblich ist schließlich auch, daß es der Klägerin nicht auf die Veräußerung bestimmter Eigentumswohnungen an ihre Geschäftsführerin ankam, sondern daß sie aus den unter 1. genannten Gründen nur den Verkauf irgendwelcher Eigentumswohnungen aus dem noch unveräußerten Bestand der Appartementanlage anstrebte. Entgegen der Auffassung der Klägerin genügte es, daß ihr Verkaufsinteresse neben anderen Eigentumswohnungen auch diese tatsächlich verkauften Eigentumswohnungen umfaßte. Auch wenn die Klägerin die zunächst von ihr gekauften Eigentumswohnungen einem bestimmten Dritten hätte verschaffen wollen, wäre die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen worden, daß der Dritte auch mit einer anderen Eigentumswohnung zufrieden gewesen wäre. § 17 GrEStG 1940 (= § 34 GrEStG RP und § 16 GrEStG 1983) knüpft nur an den tatsächlichen Verlauf der Dinge an.

Im übrigen sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 7 BFH-EntlG von einer Begründung seiner Entscheidung in der Hauptsache ab.


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